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Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, I. Semester, I. Band.

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Der Verlauf des Feldzugs war nun folgender: Am 3. März ging die
französische Donauarmee bei Kehl und Basel über den Rhein und dirigirte
sich in die Gegend von Tuttlingen, wo sie vorläufig unthätig stehen blieb.
Erzherzog Karl concentrirte zur selben Zeit seine Armee hinter dem Lech und
rückte in langsamen Märschen Jourdan entgegen. -- In dem Zeitraum vom
6. -- 25. März werden die Oestreicher durch die französische Schweizerarmee
unter großen Verlusten aus Graubünden vertrieben und Lecourbe und Dessa-
lus dringen bis in Tyrol ein. -- Am 21. März schlägt der Erzherzog den
General Jourdan bei Osterach, den 23. bei Stockach. Die Trümmer der
französischen Donauarmee gehen über den Rhein nach Frankreich zurück. Der
Erzherzog beutet jedoch seinen Sieg nicht aus; trotz der numerisch bedeutenden
Uebermacht läßt er die Franzosen ruhig abziehen, hat jedoch die Absicht, sich
mit 30.000 Mann nach der Schweiz zu werfen. --

In Italien geht Scherer am 24. März über den Mincio. -- Nach den
unentschiedenen Gefechten bet Pastrengo, Verona und Legnago schlägt der
den Oberbefehl interimistisch führende östreichische General Kray am 5. April
die Franzosen vollständig bei Magnano und Verona. Die französische Armee
geht über den Mincio, demnächst hinter die Adda und Ojlio zurück. -- Am
9. April trifft Melas in Italien ein. den 14. April das erste Contingent
Russen unter Rosenberg, 17,000 Mann. Am Is. April erscheint Suworow
im Hauptquartier zu Valeggio. --

Suworow, der Sohn eines Predigers, wurde am 13. November 1729 in
Finnland geboren. Er erhielt eine eingehende Bildung, die er auch sein
ganzes Leben bestrebte weiter zu vervollkommnen. Es ist unrichtig, ihn, wie
es so oft geschieht, für einen Halbwilden zu halten. Unter rauher Decke
verbarg er ein für damalige Zeiten bedeutendes Wissen. Seine große Liebe
für den Soldatenstand ließ ihn früh in die Armee eintreten. Sehr bald
zum Officier befördert, machte er den Feldzug gegen die Schweden in Finn¬
land mit, darauf den siebenjährigen Krieg, den Feldzug gegen Polen, 1773
gegen die Türken, 1777 in der Krim, 1781 schlägt er als commandirender
General die Türken bei Kinburn, später bei Rymnik, die Polen bei Prags.
Für die Schlacht bei Rymnik wurde er in den Grafenstand erhoben mit dem
Beinamen Rymnikski. Ueberall zeichnete er sich aus, überall heftete sich der
Sieg an seine Fahnen. -- Er war jedenfalls ein außerordentlicher Mensch.
Mäßigkeit, Thätigkeit, Strenge gegen sich und Andre, verbunden mit wohl¬
wollendem Herzen, waren die Grundzüge seines Charakters. Durch sein
äußerlich rohes und oft cynisches Benehmen, durch Verachtung alles Auf¬
wandes und seltene Furchtlosigkeit, machte er sich zum Liebling seiner Sol¬
daten. Für seinen feurigen Willen gab es kein Hinderniß, kein Opfer konnte
ihn von der Ausführung eines einmal beschlossenen Unternehmens zurückhalten.


Der Verlauf des Feldzugs war nun folgender: Am 3. März ging die
französische Donauarmee bei Kehl und Basel über den Rhein und dirigirte
sich in die Gegend von Tuttlingen, wo sie vorläufig unthätig stehen blieb.
Erzherzog Karl concentrirte zur selben Zeit seine Armee hinter dem Lech und
rückte in langsamen Märschen Jourdan entgegen. — In dem Zeitraum vom
6. — 25. März werden die Oestreicher durch die französische Schweizerarmee
unter großen Verlusten aus Graubünden vertrieben und Lecourbe und Dessa-
lus dringen bis in Tyrol ein. — Am 21. März schlägt der Erzherzog den
General Jourdan bei Osterach, den 23. bei Stockach. Die Trümmer der
französischen Donauarmee gehen über den Rhein nach Frankreich zurück. Der
Erzherzog beutet jedoch seinen Sieg nicht aus; trotz der numerisch bedeutenden
Uebermacht läßt er die Franzosen ruhig abziehen, hat jedoch die Absicht, sich
mit 30.000 Mann nach der Schweiz zu werfen. —

In Italien geht Scherer am 24. März über den Mincio. — Nach den
unentschiedenen Gefechten bet Pastrengo, Verona und Legnago schlägt der
den Oberbefehl interimistisch führende östreichische General Kray am 5. April
die Franzosen vollständig bei Magnano und Verona. Die französische Armee
geht über den Mincio, demnächst hinter die Adda und Ojlio zurück. — Am
9. April trifft Melas in Italien ein. den 14. April das erste Contingent
Russen unter Rosenberg, 17,000 Mann. Am Is. April erscheint Suworow
im Hauptquartier zu Valeggio. —

Suworow, der Sohn eines Predigers, wurde am 13. November 1729 in
Finnland geboren. Er erhielt eine eingehende Bildung, die er auch sein
ganzes Leben bestrebte weiter zu vervollkommnen. Es ist unrichtig, ihn, wie
es so oft geschieht, für einen Halbwilden zu halten. Unter rauher Decke
verbarg er ein für damalige Zeiten bedeutendes Wissen. Seine große Liebe
für den Soldatenstand ließ ihn früh in die Armee eintreten. Sehr bald
zum Officier befördert, machte er den Feldzug gegen die Schweden in Finn¬
land mit, darauf den siebenjährigen Krieg, den Feldzug gegen Polen, 1773
gegen die Türken, 1777 in der Krim, 1781 schlägt er als commandirender
General die Türken bei Kinburn, später bei Rymnik, die Polen bei Prags.
Für die Schlacht bei Rymnik wurde er in den Grafenstand erhoben mit dem
Beinamen Rymnikski. Ueberall zeichnete er sich aus, überall heftete sich der
Sieg an seine Fahnen. — Er war jedenfalls ein außerordentlicher Mensch.
Mäßigkeit, Thätigkeit, Strenge gegen sich und Andre, verbunden mit wohl¬
wollendem Herzen, waren die Grundzüge seines Charakters. Durch sein
äußerlich rohes und oft cynisches Benehmen, durch Verachtung alles Auf¬
wandes und seltene Furchtlosigkeit, machte er sich zum Liebling seiner Sol¬
daten. Für seinen feurigen Willen gab es kein Hinderniß, kein Opfer konnte
ihn von der Ausführung eines einmal beschlossenen Unternehmens zurückhalten.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, I. Semester, I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341823_157636/371>, abgerufen am 02.07.2024.