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Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, I. Semester, I. Band.

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-- Von kleiner Figur, mehr schlank, als beleibt, prägte sich besonders in Kopf
und Augen eine ungemeine Intelligenz aus. Obschon damals 70 Jahr alt,
als er das Commando in Italien übernahm, war er doch noch von einer
geistigen und körperlichen Frische, wie sie in dieser Art höchst selten vorkommt-
Seine Redeweise war schnell, abgebrochen, oft kanonisch. -- Seine kantischen
Grundsätze lassen sich in Folgendem zusammenfassen: nur angriffsweise ver¬
fahren; schnelle Märsche, ungestümer Angriff, blanke Waffe; keinen Metho¬
dismus, nur richtigen militärischen Blick; dem Feldherrn unbeschränkte Gewalt;
den Feind nur in offnem Felde angreifen und schlagen; mit Belagerungen
keine Zeit verlieren; nie durch Besetzung einzelner Punkte seine Kräfte zer¬
splittern. Solche tactische Ideen entsprachen nicht dem Methodismus auch
der besten Generale jener Zeit und vertrugen sich vor allen Dingen nicht mit
dem Pedantismus des Wiener Hofkriegsraths. Die speciellen Anordnungen
für das Gefecht entsprachen natürlich ganz diesen Grundsätzen. Die Schreib¬
weise Suworow's war höchst originell, nachfolgender Brief mag als Beleg
dienen. Der General Melas hatte sich mit seinem Corps bei einem Marsche
verspätet und die Schuld hierfür auf das Regenwetter geschoben; außerdem
hatten sich Officiere über zu große Anstrengung beklagt. Suworow erließ
in Bezug darauf folgendes Schreiben:

"Es ist mir zu Ohren gekommen, daß sich die Infanterie beklagt, wenn
ihr hier und da die Füße naß werden. Hieran ist das Wetter Schuld. Die
Märsche werden im Dienst Ihres Durchlauchtigster Monarchen gemacht. Nach
gutem Wetter seufzen nur Weiber, Stutzer und Faullenzer. Die Schreier,
welche sich über den Dienst beschweren, müssen als Egoisten des Dienstes
entsetzt werden. Im Kriege muß man Entschlüsse fassen und sie ungesäumt
auszuführen wissen, um dem Feinde nicht Zeit zu geben sich zu besinnen.
Wer krank ist, mag zu Hause bleiben. Italien muß von den Gottlosen und
den Franzosen befreit werden; ein jeder ehrenhafter Officier ist verpflichtet sich
für diesen Zweck aufzuopfern. In keiner Armee können Leute geduldet werden,
welche raisonniren. -- Militärischer Blick. Schnelligkeit, Ungestüm! Für dieß-
mal genug! Suworow." Der Chef seines Generalstabes war der östreichische
General von Chasteler. Als Suworow seine Offensivbewegungen in Italien
begann, rieth ihm derselbe zuerst zu einer Recognoscirung, dem beliebten
Manöver der Oestreicher. -- Suworow antwortete ihm wörtlich: "Dos
rseoimaissMees I ^je v'en veux xg,s; ellss ve servsnt qu'aux Usus limites
et xour avsrtir I'enusmi qu'on arrivo, -- on trouve toulours I'ermemi,
<ma.nÄ on veut. Des eolonvös, la, ba^onnötte, atw^ner, kutonosr, voM
ass rkioollnaissanees!" --

Wie schon gesagt, traf Suworow am 13. April in Valeggio ein und
begann sofort die Vorbereitungen zur Offensivbewegung; er schlägt Moreau,


— Von kleiner Figur, mehr schlank, als beleibt, prägte sich besonders in Kopf
und Augen eine ungemeine Intelligenz aus. Obschon damals 70 Jahr alt,
als er das Commando in Italien übernahm, war er doch noch von einer
geistigen und körperlichen Frische, wie sie in dieser Art höchst selten vorkommt-
Seine Redeweise war schnell, abgebrochen, oft kanonisch. — Seine kantischen
Grundsätze lassen sich in Folgendem zusammenfassen: nur angriffsweise ver¬
fahren; schnelle Märsche, ungestümer Angriff, blanke Waffe; keinen Metho¬
dismus, nur richtigen militärischen Blick; dem Feldherrn unbeschränkte Gewalt;
den Feind nur in offnem Felde angreifen und schlagen; mit Belagerungen
keine Zeit verlieren; nie durch Besetzung einzelner Punkte seine Kräfte zer¬
splittern. Solche tactische Ideen entsprachen nicht dem Methodismus auch
der besten Generale jener Zeit und vertrugen sich vor allen Dingen nicht mit
dem Pedantismus des Wiener Hofkriegsraths. Die speciellen Anordnungen
für das Gefecht entsprachen natürlich ganz diesen Grundsätzen. Die Schreib¬
weise Suworow's war höchst originell, nachfolgender Brief mag als Beleg
dienen. Der General Melas hatte sich mit seinem Corps bei einem Marsche
verspätet und die Schuld hierfür auf das Regenwetter geschoben; außerdem
hatten sich Officiere über zu große Anstrengung beklagt. Suworow erließ
in Bezug darauf folgendes Schreiben:

„Es ist mir zu Ohren gekommen, daß sich die Infanterie beklagt, wenn
ihr hier und da die Füße naß werden. Hieran ist das Wetter Schuld. Die
Märsche werden im Dienst Ihres Durchlauchtigster Monarchen gemacht. Nach
gutem Wetter seufzen nur Weiber, Stutzer und Faullenzer. Die Schreier,
welche sich über den Dienst beschweren, müssen als Egoisten des Dienstes
entsetzt werden. Im Kriege muß man Entschlüsse fassen und sie ungesäumt
auszuführen wissen, um dem Feinde nicht Zeit zu geben sich zu besinnen.
Wer krank ist, mag zu Hause bleiben. Italien muß von den Gottlosen und
den Franzosen befreit werden; ein jeder ehrenhafter Officier ist verpflichtet sich
für diesen Zweck aufzuopfern. In keiner Armee können Leute geduldet werden,
welche raisonniren. — Militärischer Blick. Schnelligkeit, Ungestüm! Für dieß-
mal genug! Suworow." Der Chef seines Generalstabes war der östreichische
General von Chasteler. Als Suworow seine Offensivbewegungen in Italien
begann, rieth ihm derselbe zuerst zu einer Recognoscirung, dem beliebten
Manöver der Oestreicher. — Suworow antwortete ihm wörtlich: „Dos
rseoimaissMees I ^je v'en veux xg,s; ellss ve servsnt qu'aux Usus limites
et xour avsrtir I'enusmi qu'on arrivo, — on trouve toulours I'ermemi,
<ma.nÄ on veut. Des eolonvös, la, ba^onnötte, atw^ner, kutonosr, voM
ass rkioollnaissanees!" —

Wie schon gesagt, traf Suworow am 13. April in Valeggio ein und
begann sofort die Vorbereitungen zur Offensivbewegung; er schlägt Moreau,


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[0372] — Von kleiner Figur, mehr schlank, als beleibt, prägte sich besonders in Kopf und Augen eine ungemeine Intelligenz aus. Obschon damals 70 Jahr alt, als er das Commando in Italien übernahm, war er doch noch von einer geistigen und körperlichen Frische, wie sie in dieser Art höchst selten vorkommt- Seine Redeweise war schnell, abgebrochen, oft kanonisch. — Seine kantischen Grundsätze lassen sich in Folgendem zusammenfassen: nur angriffsweise ver¬ fahren; schnelle Märsche, ungestümer Angriff, blanke Waffe; keinen Metho¬ dismus, nur richtigen militärischen Blick; dem Feldherrn unbeschränkte Gewalt; den Feind nur in offnem Felde angreifen und schlagen; mit Belagerungen keine Zeit verlieren; nie durch Besetzung einzelner Punkte seine Kräfte zer¬ splittern. Solche tactische Ideen entsprachen nicht dem Methodismus auch der besten Generale jener Zeit und vertrugen sich vor allen Dingen nicht mit dem Pedantismus des Wiener Hofkriegsraths. Die speciellen Anordnungen für das Gefecht entsprachen natürlich ganz diesen Grundsätzen. Die Schreib¬ weise Suworow's war höchst originell, nachfolgender Brief mag als Beleg dienen. Der General Melas hatte sich mit seinem Corps bei einem Marsche verspätet und die Schuld hierfür auf das Regenwetter geschoben; außerdem hatten sich Officiere über zu große Anstrengung beklagt. Suworow erließ in Bezug darauf folgendes Schreiben: „Es ist mir zu Ohren gekommen, daß sich die Infanterie beklagt, wenn ihr hier und da die Füße naß werden. Hieran ist das Wetter Schuld. Die Märsche werden im Dienst Ihres Durchlauchtigster Monarchen gemacht. Nach gutem Wetter seufzen nur Weiber, Stutzer und Faullenzer. Die Schreier, welche sich über den Dienst beschweren, müssen als Egoisten des Dienstes entsetzt werden. Im Kriege muß man Entschlüsse fassen und sie ungesäumt auszuführen wissen, um dem Feinde nicht Zeit zu geben sich zu besinnen. Wer krank ist, mag zu Hause bleiben. Italien muß von den Gottlosen und den Franzosen befreit werden; ein jeder ehrenhafter Officier ist verpflichtet sich für diesen Zweck aufzuopfern. In keiner Armee können Leute geduldet werden, welche raisonniren. — Militärischer Blick. Schnelligkeit, Ungestüm! Für dieß- mal genug! Suworow." Der Chef seines Generalstabes war der östreichische General von Chasteler. Als Suworow seine Offensivbewegungen in Italien begann, rieth ihm derselbe zuerst zu einer Recognoscirung, dem beliebten Manöver der Oestreicher. — Suworow antwortete ihm wörtlich: „Dos rseoimaissMees I ^je v'en veux xg,s; ellss ve servsnt qu'aux Usus limites et xour avsrtir I'enusmi qu'on arrivo, — on trouve toulours I'ermemi, <ma.nÄ on veut. Des eolonvös, la, ba^onnötte, atw^ner, kutonosr, voM ass rkioollnaissanees!" — Wie schon gesagt, traf Suworow am 13. April in Valeggio ein und begann sofort die Vorbereitungen zur Offensivbewegung; er schlägt Moreau,

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, I. Semester, I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341823_157636/372>, abgerufen am 03.07.2024.