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Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, I. Semester, I. Band.

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vollständig geschlagen und seiner Provinzen auf dem Festlande hierdurch be¬
raubt. -- Im December rückte eine französische Armee in Piemont ein, ver¬
jagte ohne jeden Grund den König, der nicht einmal zur Coalition gehörte,
und nöthigte ihn. sich nach Sardinien zu flüchten. --

Rußland verpflichtete sich, vorläufig 30,000 Mann zu stellen. England
unterstützte mit Substdien und seiner Flotte. Sieilien und die Türkei blieben
ziemlich indifferent.

Die Aufstellung der gegenseitigen Streitkräfte bei Beginn des Feldzuges
war folgende: ^. Verbündete. -- 1. Erzherzog Karl stand mit 92,000
Oestreichern zwischen Lech und Jsar. -- 2. General Holze mit 26,000 Oest¬
reichern in Vorarlberg und Graubünden. -- 3. General Bellegarde mit 47,000
Mann Oestreichern in Tyrol. 4. General Kray mit 76,000 Oestreichern in
Italien hinter der Etsch. -- Zu den östreichischen Truppen in Italien sollten
noch die obenerwähnten 50,000 Mann Russen stoßen. Der Oberbefehl da¬
selbst wurde dem russischen Generalfeldmarschall Grafen Suworow - Rym-
nikski übertragen; unter ihm kommandirte General Melas die Oestreicher.

L. Französische Republik. -- 1. Gegen Erzherzog Karl die so¬
genannte Donauarmee 38,000 Mann unter Jourdan. 2. Eine Observations-
armee von 10,000 Mann am Mittelrhein, die zu Festungsbesatzungen ver¬
wandt wurde. -- 3. Gegen General Holze und Bellegarde in Tyrol und
Graubünden, Massen" mit 30,000 Mann in der Schweiz. -- 4. In Ober¬
italien Scherer mit 60,000 Mann. -- 8. In Unteritalien Macdonald mit
25.000 Mann.

Als am 3. März 1799 die französische Donauarmee bei Kehl und Basel
über den Rhein ging, war östreichischer Seits ein allgemeiner Feldzugsplan
noch nicht entworfen. Der Hofkriegsrath in Wien war damit nicht fertig
geworden und die einzelnen östreichischen Corps agirten auf eigne Hand. Im
Hofkriegsrath, berüchtigten Andenkens, saßen damals ganz unfähige Elemente,
alte abgelebte Generäle, Federbetten des grünen Tisches, die theilwetse nie¬
mals eine Kugel pfeifen gehört. Das Präsidium führte der östreichische
Premierminister und Minister der auswärtigen Angelegenheiten Baron Thu¬
gut. Er war nie Soldat gewesen, in übergroßer Eitelkeit und Selbstsucht
glaubte er aber Alles zu verstehen. Von ihm persönlich wurden die Feld¬
zugspläne entworfen und rein militärische Anordnungen erlassen. Seine Organe
durften keinen Widerspruch erheben. -- Man wird später sehen, was dieser
Baron Thugut auch durch seine intrigante Politik dem Allgemeinen geschadet
und wie es ihm hauptsächlich zu danken ist, daß dieser Feldzug mit all seinen
großen Siegen doch keinen Nutzen brachte, die Coalition darüber aus¬
einander ging und es Napoleon dadurch ermöglicht wurde, später vor Wien
zu erscheinen, um Oestreich einen schmachvollen Frieden zu dictiren.

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vollständig geschlagen und seiner Provinzen auf dem Festlande hierdurch be¬
raubt. — Im December rückte eine französische Armee in Piemont ein, ver¬
jagte ohne jeden Grund den König, der nicht einmal zur Coalition gehörte,
und nöthigte ihn. sich nach Sardinien zu flüchten. —

Rußland verpflichtete sich, vorläufig 30,000 Mann zu stellen. England
unterstützte mit Substdien und seiner Flotte. Sieilien und die Türkei blieben
ziemlich indifferent.

Die Aufstellung der gegenseitigen Streitkräfte bei Beginn des Feldzuges
war folgende: ^. Verbündete. — 1. Erzherzog Karl stand mit 92,000
Oestreichern zwischen Lech und Jsar. — 2. General Holze mit 26,000 Oest¬
reichern in Vorarlberg und Graubünden. — 3. General Bellegarde mit 47,000
Mann Oestreichern in Tyrol. 4. General Kray mit 76,000 Oestreichern in
Italien hinter der Etsch. — Zu den östreichischen Truppen in Italien sollten
noch die obenerwähnten 50,000 Mann Russen stoßen. Der Oberbefehl da¬
selbst wurde dem russischen Generalfeldmarschall Grafen Suworow - Rym-
nikski übertragen; unter ihm kommandirte General Melas die Oestreicher.

L. Französische Republik. — 1. Gegen Erzherzog Karl die so¬
genannte Donauarmee 38,000 Mann unter Jourdan. 2. Eine Observations-
armee von 10,000 Mann am Mittelrhein, die zu Festungsbesatzungen ver¬
wandt wurde. — 3. Gegen General Holze und Bellegarde in Tyrol und
Graubünden, Massen« mit 30,000 Mann in der Schweiz. — 4. In Ober¬
italien Scherer mit 60,000 Mann. — 8. In Unteritalien Macdonald mit
25.000 Mann.

Als am 3. März 1799 die französische Donauarmee bei Kehl und Basel
über den Rhein ging, war östreichischer Seits ein allgemeiner Feldzugsplan
noch nicht entworfen. Der Hofkriegsrath in Wien war damit nicht fertig
geworden und die einzelnen östreichischen Corps agirten auf eigne Hand. Im
Hofkriegsrath, berüchtigten Andenkens, saßen damals ganz unfähige Elemente,
alte abgelebte Generäle, Federbetten des grünen Tisches, die theilwetse nie¬
mals eine Kugel pfeifen gehört. Das Präsidium führte der östreichische
Premierminister und Minister der auswärtigen Angelegenheiten Baron Thu¬
gut. Er war nie Soldat gewesen, in übergroßer Eitelkeit und Selbstsucht
glaubte er aber Alles zu verstehen. Von ihm persönlich wurden die Feld¬
zugspläne entworfen und rein militärische Anordnungen erlassen. Seine Organe
durften keinen Widerspruch erheben. — Man wird später sehen, was dieser
Baron Thugut auch durch seine intrigante Politik dem Allgemeinen geschadet
und wie es ihm hauptsächlich zu danken ist, daß dieser Feldzug mit all seinen
großen Siegen doch keinen Nutzen brachte, die Coalition darüber aus¬
einander ging und es Napoleon dadurch ermöglicht wurde, später vor Wien
zu erscheinen, um Oestreich einen schmachvollen Frieden zu dictiren.

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[0370] vollständig geschlagen und seiner Provinzen auf dem Festlande hierdurch be¬ raubt. — Im December rückte eine französische Armee in Piemont ein, ver¬ jagte ohne jeden Grund den König, der nicht einmal zur Coalition gehörte, und nöthigte ihn. sich nach Sardinien zu flüchten. — Rußland verpflichtete sich, vorläufig 30,000 Mann zu stellen. England unterstützte mit Substdien und seiner Flotte. Sieilien und die Türkei blieben ziemlich indifferent. Die Aufstellung der gegenseitigen Streitkräfte bei Beginn des Feldzuges war folgende: ^. Verbündete. — 1. Erzherzog Karl stand mit 92,000 Oestreichern zwischen Lech und Jsar. — 2. General Holze mit 26,000 Oest¬ reichern in Vorarlberg und Graubünden. — 3. General Bellegarde mit 47,000 Mann Oestreichern in Tyrol. 4. General Kray mit 76,000 Oestreichern in Italien hinter der Etsch. — Zu den östreichischen Truppen in Italien sollten noch die obenerwähnten 50,000 Mann Russen stoßen. Der Oberbefehl da¬ selbst wurde dem russischen Generalfeldmarschall Grafen Suworow - Rym- nikski übertragen; unter ihm kommandirte General Melas die Oestreicher. L. Französische Republik. — 1. Gegen Erzherzog Karl die so¬ genannte Donauarmee 38,000 Mann unter Jourdan. 2. Eine Observations- armee von 10,000 Mann am Mittelrhein, die zu Festungsbesatzungen ver¬ wandt wurde. — 3. Gegen General Holze und Bellegarde in Tyrol und Graubünden, Massen« mit 30,000 Mann in der Schweiz. — 4. In Ober¬ italien Scherer mit 60,000 Mann. — 8. In Unteritalien Macdonald mit 25.000 Mann. Als am 3. März 1799 die französische Donauarmee bei Kehl und Basel über den Rhein ging, war östreichischer Seits ein allgemeiner Feldzugsplan noch nicht entworfen. Der Hofkriegsrath in Wien war damit nicht fertig geworden und die einzelnen östreichischen Corps agirten auf eigne Hand. Im Hofkriegsrath, berüchtigten Andenkens, saßen damals ganz unfähige Elemente, alte abgelebte Generäle, Federbetten des grünen Tisches, die theilwetse nie¬ mals eine Kugel pfeifen gehört. Das Präsidium führte der östreichische Premierminister und Minister der auswärtigen Angelegenheiten Baron Thu¬ gut. Er war nie Soldat gewesen, in übergroßer Eitelkeit und Selbstsucht glaubte er aber Alles zu verstehen. Von ihm persönlich wurden die Feld¬ zugspläne entworfen und rein militärische Anordnungen erlassen. Seine Organe durften keinen Widerspruch erheben. — Man wird später sehen, was dieser Baron Thugut auch durch seine intrigante Politik dem Allgemeinen geschadet und wie es ihm hauptsächlich zu danken ist, daß dieser Feldzug mit all seinen großen Siegen doch keinen Nutzen brachte, die Coalition darüber aus¬ einander ging und es Napoleon dadurch ermöglicht wurde, später vor Wien zu erscheinen, um Oestreich einen schmachvollen Frieden zu dictiren. W

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, I. Semester, I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341823_157636/370>, abgerufen am 01.07.2024.