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Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, I. Semester, I. Band.

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das sagen alle Doctoren. Die Pest kann nämlich da nicht hinkommen, wo
diese Waare ist, mein Junge.

Pest! Was für eine Pest?

Was für eine Pest, el, el! Je nun, die asiatische Pest, die vor ein paar
Jahrhunderten London beinahe entvölkerte.

Aber was geht das uns an? Es ist doch keine Pest hier, dächt' ich.

Bök! Da hab' ich mich verschnappt. Na, hat nichts zu bedeuten --
behalt' es nur für dich. Vielleicht hätt' ich nichts sagen sollen, aber es muß
doch früher oder später an den Tag kommen. Der alte Macdowells würde
es nicht gern sehen, wenn ich -- wenn ich Alles ausplaudere, aber ich will
doch die ganze Geschichte erzählen und es auf mich nehmen. Siehst Du, da
war ich neulich in Se. Louis unten, und zufällig lief ich da dem alten Doctor
Macdowells über den Weg -- hält eine Welt von mir, dieser Doctor. Er
ist ein Mann, der sich für sich hält, und das kann er wohl; denn er weiß,
daß er einen Ruf hat, der über die ganze Erde verbreitet ist. Er läßt sich
nicht dazu herab, sich vor vielen Leuten aufzuknöpfen, aber weiß Gott, er
und ich, wir sind wie Brüder zusammen, er läßt mich niemals ins Hotel
gehen, wenn ich in der Stadt bin -- sagt, ich wäre der einzige Mensch, der
Gesellschaft für ihn wäre, und ich glaube, es ist auch etwas Wahres daran-
weil, obwohl ich mich durchaus nicht gern berühme und viel Lärm davon
mache, was ich bin und kann oder weiß, ich doch nicht anstehe, hier unter
Freunden zu sagen, daß ich in den meisten Wissenschaften besser beschlagen
bin als die große Mehrzahl der Fachleute in diesen Tagen. Nun denn,
neulich weihte er mich in ein kleines Geheimniß ein, unter dem Versprechen
strengsten Stillschweigens -- ein Geheimniß, das diese Pestfrage betraf. . .
Siehst Du, sie kommt in der Richtung auf uns losgebrüllt -- folgt dem
Golfstrom, weißt Du, wie das alle diese Epidemieen thun -- und in drei
Monaten wird sie wie ein Wirbelwind durch dieses Land tanzen. Und jeder,
den sie berührt, kann nur getrost sein Testament machen und sein Leichen¬
begängnis; bestellen. Ja, man kann sie nicht heilen, aber man kann sie sich
fernhalten. Wie aber? Rüben und Wasser, das ist's -- Rüben und Wasser!
Nichts in der Welt, was dem gleich käme, sagt der alte Macdowells. Zwei¬
mal täglich sich damit angefüllt, und man kann verächtlich mit den Fingern
nach der Pest hinschnippen. Bök -- den Mund halten -- aber beschränke
Dich nur selbst auf diese Diät, und Du bist gesichert. Ich möchte um Alles
in der Welt nicht, daß der alte Macdowells wüßte, daß ich Dir davon erzählt
habe, -- er würde nie wieder mit mir reden. -- Nimm aber doch noch etwas
Wasser, Washington, je mehr Wasser Du trinkst, desto besser. Hier, laß
mich Dir noch ein paar Rüben geben. Nein, nein, nein, ich bestehe aber
darauf. Da hast Du. Nun ve> tilge die. Sie sind gewaltig nahrhaft --


das sagen alle Doctoren. Die Pest kann nämlich da nicht hinkommen, wo
diese Waare ist, mein Junge.

Pest! Was für eine Pest?

Was für eine Pest, el, el! Je nun, die asiatische Pest, die vor ein paar
Jahrhunderten London beinahe entvölkerte.

Aber was geht das uns an? Es ist doch keine Pest hier, dächt' ich.

Bök! Da hab' ich mich verschnappt. Na, hat nichts zu bedeuten —
behalt' es nur für dich. Vielleicht hätt' ich nichts sagen sollen, aber es muß
doch früher oder später an den Tag kommen. Der alte Macdowells würde
es nicht gern sehen, wenn ich — wenn ich Alles ausplaudere, aber ich will
doch die ganze Geschichte erzählen und es auf mich nehmen. Siehst Du, da
war ich neulich in Se. Louis unten, und zufällig lief ich da dem alten Doctor
Macdowells über den Weg — hält eine Welt von mir, dieser Doctor. Er
ist ein Mann, der sich für sich hält, und das kann er wohl; denn er weiß,
daß er einen Ruf hat, der über die ganze Erde verbreitet ist. Er läßt sich
nicht dazu herab, sich vor vielen Leuten aufzuknöpfen, aber weiß Gott, er
und ich, wir sind wie Brüder zusammen, er läßt mich niemals ins Hotel
gehen, wenn ich in der Stadt bin — sagt, ich wäre der einzige Mensch, der
Gesellschaft für ihn wäre, und ich glaube, es ist auch etwas Wahres daran-
weil, obwohl ich mich durchaus nicht gern berühme und viel Lärm davon
mache, was ich bin und kann oder weiß, ich doch nicht anstehe, hier unter
Freunden zu sagen, daß ich in den meisten Wissenschaften besser beschlagen
bin als die große Mehrzahl der Fachleute in diesen Tagen. Nun denn,
neulich weihte er mich in ein kleines Geheimniß ein, unter dem Versprechen
strengsten Stillschweigens — ein Geheimniß, das diese Pestfrage betraf. . .
Siehst Du, sie kommt in der Richtung auf uns losgebrüllt — folgt dem
Golfstrom, weißt Du, wie das alle diese Epidemieen thun — und in drei
Monaten wird sie wie ein Wirbelwind durch dieses Land tanzen. Und jeder,
den sie berührt, kann nur getrost sein Testament machen und sein Leichen¬
begängnis; bestellen. Ja, man kann sie nicht heilen, aber man kann sie sich
fernhalten. Wie aber? Rüben und Wasser, das ist's — Rüben und Wasser!
Nichts in der Welt, was dem gleich käme, sagt der alte Macdowells. Zwei¬
mal täglich sich damit angefüllt, und man kann verächtlich mit den Fingern
nach der Pest hinschnippen. Bök — den Mund halten — aber beschränke
Dich nur selbst auf diese Diät, und Du bist gesichert. Ich möchte um Alles
in der Welt nicht, daß der alte Macdowells wüßte, daß ich Dir davon erzählt
habe, — er würde nie wieder mit mir reden. — Nimm aber doch noch etwas
Wasser, Washington, je mehr Wasser Du trinkst, desto besser. Hier, laß
mich Dir noch ein paar Rüben geben. Nein, nein, nein, ich bestehe aber
darauf. Da hast Du. Nun ve> tilge die. Sie sind gewaltig nahrhaft —


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, I. Semester, I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341823_157636/350>, abgerufen am 22.07.2024.