Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, I. Semester, I. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

Thränen standen ihr in den Augen. Washington wußte nicht, was zu thun,
er wünschte, er wäre nimmermehr hergekommen und Zeuge dieser grausamen
Armuth gewesen, aber er war nun einmal da, und ein Entkommen gab es
nicht. Oberst Tellers streifte sich munter die Rockärmel von den Handgelenken
Zurück, als ob er sagen wollte: Nun soll ein solides Vergnügen losgehen,
ergriff eine Gabel, schwang sie und begann Rüben zu Harpuniren und sie
auf die vor ihm stehenden Teller zu legen.

Erlauben Sie, sagte er, daß ich Ihnen helfe, Washington. Lafayette,
laß diesen Teller zu Washington gehen -- ach, gut, schon gut, mein Junge.
Die Sachen sehen jetzt ziemlich heiter aus, kann ich Dir sagen. Speculation
-- meiner Treu, die ganze Atmosphäre steckt voll Geld. Nicht drei Vermögen
nähm' ich für eine einzige kleine Operation, die ich jetzt vorhabe -- etwas
aus der Platmenage gefällig? Nein? Na, da hast Du Recht. Manche
Leute mögen Senf zu Rüben, aber -- da war da dieser Baron Poniatowski
-- Herr Gott, wie der Mann zu leben wußte! -- ein echter Russe, weißt
Du, ein Russe durch und durch -- ich sage immer zu meiner Frau: gieb mir
einen Russen zum Tischgenossen. Der Baron pflegte zu sagen: Nehmen Sie
Senf, Tellers; kein Mensch kann wissen, was Rüben in ihrer Vollkommenheit
sind, wenn er keinen Senf dazu nimmt. Aber ich sagte immer: Nein. Baron,
ich bin ein einfacher Mann, und ich will auch meine Nahrung einfach haben
-- keine von Ihren Verschönerungen für Eschol Tellers, keine gekünstelter
Gerichte für mich. Und es ist der beste Weg. Wohlleben hat in dieser Welt
mehr Menschen umgebracht als gesund werden lassen. . . Ja, in der That,
Washington, ich habe wieder eine kleine Operation vor, die -- aber nimm
Dir doch mehr Wasser -- hilf Dir nur immer selbst, es ist reichlich vorhanden.
Du wirst es ziemlich gut finden, denk' ich. Und wie schmeckt Dir dieses Obst?
Washington sagte, er wüßte nicht, daß er je etwas Besseres der Art gekostet
hätte, er verschwieg, daß er die Rüben selbst in gekochtem Zustande verab¬
scheute, er behielt das für sich und lobte die rohen Rüben mit Gefahr für
seiner Seele Seligkeit. Seilers erwiederte: Ich dachte mir wohl, daß sie
Dir schmecken würden. Prüfe sie einmal -- prüfe sie nur getrost, sie ver¬
tragen es. Steh nur 'mal, wie vollkommen fest und saftig sie sind -- ich
kann Dir sagen, in diesem Theile des Landes sind sie nicht im Stande, so
etwas zu erzeugen. Sie stammen aus Neujersey, ich habe sie selber importirt.
Sie sind ferner höllisch theuer; aber weiß Gott, ich muß stets das Beste
haben von allen Dingen -- selbst wenn es ein bischen mehr kostet -- es ist
auf die Dauer die beste Art zu sparen. Dieß sind die frühen Malcolm-Rüben
-- es ist eine Rübe, die nur in einem einzigen Garten erzeugt werden kann,
und das Angebot entspricht niemals der Nachfrage. Nimm noch etwas Wasser.
Washington. Du kannst zu diesem Obste nicht Wasser genug trinken --


Thränen standen ihr in den Augen. Washington wußte nicht, was zu thun,
er wünschte, er wäre nimmermehr hergekommen und Zeuge dieser grausamen
Armuth gewesen, aber er war nun einmal da, und ein Entkommen gab es
nicht. Oberst Tellers streifte sich munter die Rockärmel von den Handgelenken
Zurück, als ob er sagen wollte: Nun soll ein solides Vergnügen losgehen,
ergriff eine Gabel, schwang sie und begann Rüben zu Harpuniren und sie
auf die vor ihm stehenden Teller zu legen.

Erlauben Sie, sagte er, daß ich Ihnen helfe, Washington. Lafayette,
laß diesen Teller zu Washington gehen — ach, gut, schon gut, mein Junge.
Die Sachen sehen jetzt ziemlich heiter aus, kann ich Dir sagen. Speculation
— meiner Treu, die ganze Atmosphäre steckt voll Geld. Nicht drei Vermögen
nähm' ich für eine einzige kleine Operation, die ich jetzt vorhabe — etwas
aus der Platmenage gefällig? Nein? Na, da hast Du Recht. Manche
Leute mögen Senf zu Rüben, aber — da war da dieser Baron Poniatowski
— Herr Gott, wie der Mann zu leben wußte! — ein echter Russe, weißt
Du, ein Russe durch und durch — ich sage immer zu meiner Frau: gieb mir
einen Russen zum Tischgenossen. Der Baron pflegte zu sagen: Nehmen Sie
Senf, Tellers; kein Mensch kann wissen, was Rüben in ihrer Vollkommenheit
sind, wenn er keinen Senf dazu nimmt. Aber ich sagte immer: Nein. Baron,
ich bin ein einfacher Mann, und ich will auch meine Nahrung einfach haben
— keine von Ihren Verschönerungen für Eschol Tellers, keine gekünstelter
Gerichte für mich. Und es ist der beste Weg. Wohlleben hat in dieser Welt
mehr Menschen umgebracht als gesund werden lassen. . . Ja, in der That,
Washington, ich habe wieder eine kleine Operation vor, die — aber nimm
Dir doch mehr Wasser — hilf Dir nur immer selbst, es ist reichlich vorhanden.
Du wirst es ziemlich gut finden, denk' ich. Und wie schmeckt Dir dieses Obst?
Washington sagte, er wüßte nicht, daß er je etwas Besseres der Art gekostet
hätte, er verschwieg, daß er die Rüben selbst in gekochtem Zustande verab¬
scheute, er behielt das für sich und lobte die rohen Rüben mit Gefahr für
seiner Seele Seligkeit. Seilers erwiederte: Ich dachte mir wohl, daß sie
Dir schmecken würden. Prüfe sie einmal — prüfe sie nur getrost, sie ver¬
tragen es. Steh nur 'mal, wie vollkommen fest und saftig sie sind — ich
kann Dir sagen, in diesem Theile des Landes sind sie nicht im Stande, so
etwas zu erzeugen. Sie stammen aus Neujersey, ich habe sie selber importirt.
Sie sind ferner höllisch theuer; aber weiß Gott, ich muß stets das Beste
haben von allen Dingen — selbst wenn es ein bischen mehr kostet — es ist
auf die Dauer die beste Art zu sparen. Dieß sind die frühen Malcolm-Rüben
— es ist eine Rübe, die nur in einem einzigen Garten erzeugt werden kann,
und das Angebot entspricht niemals der Nachfrage. Nimm noch etwas Wasser.
Washington. Du kannst zu diesem Obste nicht Wasser genug trinken —


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0349" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/135402"/>
          <p xml:id="ID_982" prev="#ID_981"> Thränen standen ihr in den Augen. Washington wußte nicht, was zu thun,<lb/>
er wünschte, er wäre nimmermehr hergekommen und Zeuge dieser grausamen<lb/>
Armuth gewesen, aber er war nun einmal da, und ein Entkommen gab es<lb/>
nicht. Oberst Tellers streifte sich munter die Rockärmel von den Handgelenken<lb/>
Zurück, als ob er sagen wollte: Nun soll ein solides Vergnügen losgehen,<lb/>
ergriff eine Gabel, schwang sie und begann Rüben zu Harpuniren und sie<lb/>
auf die vor ihm stehenden Teller zu legen.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_983" next="#ID_984"> Erlauben Sie, sagte er, daß ich Ihnen helfe, Washington. Lafayette,<lb/>
laß diesen Teller zu Washington gehen &#x2014; ach, gut, schon gut, mein Junge.<lb/>
Die Sachen sehen jetzt ziemlich heiter aus, kann ich Dir sagen. Speculation<lb/>
&#x2014; meiner Treu, die ganze Atmosphäre steckt voll Geld. Nicht drei Vermögen<lb/>
nähm' ich für eine einzige kleine Operation, die ich jetzt vorhabe &#x2014; etwas<lb/>
aus der Platmenage gefällig? Nein? Na, da hast Du Recht. Manche<lb/>
Leute mögen Senf zu Rüben, aber &#x2014; da war da dieser Baron Poniatowski<lb/>
&#x2014; Herr Gott, wie der Mann zu leben wußte! &#x2014; ein echter Russe, weißt<lb/>
Du, ein Russe durch und durch &#x2014; ich sage immer zu meiner Frau: gieb mir<lb/>
einen Russen zum Tischgenossen. Der Baron pflegte zu sagen: Nehmen Sie<lb/>
Senf, Tellers; kein Mensch kann wissen, was Rüben in ihrer Vollkommenheit<lb/>
sind, wenn er keinen Senf dazu nimmt. Aber ich sagte immer: Nein. Baron,<lb/>
ich bin ein einfacher Mann, und ich will auch meine Nahrung einfach haben<lb/>
&#x2014; keine von Ihren Verschönerungen für Eschol Tellers, keine gekünstelter<lb/>
Gerichte für mich. Und es ist der beste Weg. Wohlleben hat in dieser Welt<lb/>
mehr Menschen umgebracht als gesund werden lassen. . . Ja, in der That,<lb/>
Washington, ich habe wieder eine kleine Operation vor, die &#x2014; aber nimm<lb/>
Dir doch mehr Wasser &#x2014; hilf Dir nur immer selbst, es ist reichlich vorhanden.<lb/>
Du wirst es ziemlich gut finden, denk' ich. Und wie schmeckt Dir dieses Obst?<lb/>
Washington sagte, er wüßte nicht, daß er je etwas Besseres der Art gekostet<lb/>
hätte, er verschwieg, daß er die Rüben selbst in gekochtem Zustande verab¬<lb/>
scheute, er behielt das für sich und lobte die rohen Rüben mit Gefahr für<lb/>
seiner Seele Seligkeit. Seilers erwiederte: Ich dachte mir wohl, daß sie<lb/>
Dir schmecken würden. Prüfe sie einmal &#x2014; prüfe sie nur getrost, sie ver¬<lb/>
tragen es. Steh nur 'mal, wie vollkommen fest und saftig sie sind &#x2014; ich<lb/>
kann Dir sagen, in diesem Theile des Landes sind sie nicht im Stande, so<lb/>
etwas zu erzeugen. Sie stammen aus Neujersey, ich habe sie selber importirt.<lb/>
Sie sind ferner höllisch theuer; aber weiß Gott, ich muß stets das Beste<lb/>
haben von allen Dingen &#x2014; selbst wenn es ein bischen mehr kostet &#x2014; es ist<lb/>
auf die Dauer die beste Art zu sparen.  Dieß sind die frühen Malcolm-Rüben<lb/>
&#x2014; es ist eine Rübe, die nur in einem einzigen Garten erzeugt werden kann,<lb/>
und das Angebot entspricht niemals der Nachfrage. Nimm noch etwas Wasser.<lb/>
Washington.  Du kannst zu diesem Obste nicht Wasser genug trinken &#x2014;</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0349] Thränen standen ihr in den Augen. Washington wußte nicht, was zu thun, er wünschte, er wäre nimmermehr hergekommen und Zeuge dieser grausamen Armuth gewesen, aber er war nun einmal da, und ein Entkommen gab es nicht. Oberst Tellers streifte sich munter die Rockärmel von den Handgelenken Zurück, als ob er sagen wollte: Nun soll ein solides Vergnügen losgehen, ergriff eine Gabel, schwang sie und begann Rüben zu Harpuniren und sie auf die vor ihm stehenden Teller zu legen. Erlauben Sie, sagte er, daß ich Ihnen helfe, Washington. Lafayette, laß diesen Teller zu Washington gehen — ach, gut, schon gut, mein Junge. Die Sachen sehen jetzt ziemlich heiter aus, kann ich Dir sagen. Speculation — meiner Treu, die ganze Atmosphäre steckt voll Geld. Nicht drei Vermögen nähm' ich für eine einzige kleine Operation, die ich jetzt vorhabe — etwas aus der Platmenage gefällig? Nein? Na, da hast Du Recht. Manche Leute mögen Senf zu Rüben, aber — da war da dieser Baron Poniatowski — Herr Gott, wie der Mann zu leben wußte! — ein echter Russe, weißt Du, ein Russe durch und durch — ich sage immer zu meiner Frau: gieb mir einen Russen zum Tischgenossen. Der Baron pflegte zu sagen: Nehmen Sie Senf, Tellers; kein Mensch kann wissen, was Rüben in ihrer Vollkommenheit sind, wenn er keinen Senf dazu nimmt. Aber ich sagte immer: Nein. Baron, ich bin ein einfacher Mann, und ich will auch meine Nahrung einfach haben — keine von Ihren Verschönerungen für Eschol Tellers, keine gekünstelter Gerichte für mich. Und es ist der beste Weg. Wohlleben hat in dieser Welt mehr Menschen umgebracht als gesund werden lassen. . . Ja, in der That, Washington, ich habe wieder eine kleine Operation vor, die — aber nimm Dir doch mehr Wasser — hilf Dir nur immer selbst, es ist reichlich vorhanden. Du wirst es ziemlich gut finden, denk' ich. Und wie schmeckt Dir dieses Obst? Washington sagte, er wüßte nicht, daß er je etwas Besseres der Art gekostet hätte, er verschwieg, daß er die Rüben selbst in gekochtem Zustande verab¬ scheute, er behielt das für sich und lobte die rohen Rüben mit Gefahr für seiner Seele Seligkeit. Seilers erwiederte: Ich dachte mir wohl, daß sie Dir schmecken würden. Prüfe sie einmal — prüfe sie nur getrost, sie ver¬ tragen es. Steh nur 'mal, wie vollkommen fest und saftig sie sind — ich kann Dir sagen, in diesem Theile des Landes sind sie nicht im Stande, so etwas zu erzeugen. Sie stammen aus Neujersey, ich habe sie selber importirt. Sie sind ferner höllisch theuer; aber weiß Gott, ich muß stets das Beste haben von allen Dingen — selbst wenn es ein bischen mehr kostet — es ist auf die Dauer die beste Art zu sparen. Dieß sind die frühen Malcolm-Rüben — es ist eine Rübe, die nur in einem einzigen Garten erzeugt werden kann, und das Angebot entspricht niemals der Nachfrage. Nimm noch etwas Wasser. Washington. Du kannst zu diesem Obste nicht Wasser genug trinken —

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341823_157636
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341823_157636/349
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, I. Semester, I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341823_157636/349>, abgerufen am 22.07.2024.