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Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, I. Semester, I. Band.

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das Land, wo sich Reichthümer zusammenhäufen lassen, hier ist's, wo die
Dynastie Tellers' gedeiht! -- Leg' es auf die Thürstufe, Jerry -- es ist der
schwärzeste Nigger im ganzen Staate. Washington, aber ein gutes Herz,
ganz ungeheuer netter Junge, dieser Jerry -- Und jetzt, Jerry, wirst Du,
denk ich, zehn Cents haben wollen. Das ist ganz richtig -- wenn Jemand
für mich arbeitet -- wenn jemand -- el zum Teufel, wo ist denn^das Porte¬
monnaie? -- wenn, ah! -- na das ist doch sonderbar -- o, jetzt erinnere
ich mich, muß es in der Bank liegen gelassen haben. Und bei Gott, mein
Checkbuch hab ich auch zurückgelassen! Gieb mir mal ein Zehncentstück,
Washington, wenn Du eins hast. Ah, danke. Und nun schied ab, Jerry,
Deine Gesichtsfarbe hat es eine halbe Stunde vor der Zeit dämmern lassen.
Ziemlich hübscher Witz -- ziemlich hübsch. -- Hier haben wir ihn. Polly!
Washington ist angekommen, Kinder. Kommt jetzt, freßt mir ihn nicht --
freßt ihn drin im Hause auf" u. s. w.

Alles im Hause ist ärmlich, die Kleider, die Wäsche, die Möbeln, aber
Alles will das Gegentheil von Dürftigkeit sein. "Der Hut des Obersten war
abgeschabt und glänzend von vielem Glattbürsten, aber demungeachtet hatte
er einen fast überzeugenden Ausdruck an sich, nach welchem er eben erst neu
gekauft worden zu sein schien. Auch seine übrigen Kleidungsstücke waren ab¬
geschabt und glänzend, aber sie sahen aus, als ob sie völlig zufrieden mit
sich selbst und nur zärtlich bekümmert um andrer Leute Kleider wären." Es
wird Licht, angezündet, und Washington muß sich setzen und sich's bequem
machen. Der Oberst schiebt, fortwährend plaudernd, ein angezündetes Schwefel¬
hölzchen in den Ofen. Dann befestigt er die Ofenthür, indem er das Schür¬
eisen dagegen lehnt; denn die Haspen haben sich von den Geschäften zurück¬
gezogen. Diese Thür rahnt ein kleines Viereck von Hausenblase ein, welches
jetzt von einer matten Gluth warm wird. Die ganze Gesellschaft sammelt
sich um den Ofen, und der Oberst fährt in seinem Schwadroniren und Renom-
miren fort, während die Kinder an ihm herumklettern, ihn liebkosen und
von ihm geliebkost werden und seine wie ein Kätzchen schnurrende kleine Frau,
fleißig mit dem Strickstrumpf beschäftigt, nahe zur Hand sitzt und glücklich,
stolz und dankbar aussieht. Da passirt, als Tellers eben im besten Zuge ist,
ein Unglück, und es giebt eine Entdeckung.

"Der Oberst begann von einer ungeheuren Speculation zu sprechen, auf
die er einiges Kapital zu verwenden gedachte, und wegen der einige londoner
Bankiers herübergekommen waren, um sich mit ihm zu berathen, und bald
baute er glitzernde Pyramiden von Goldstücken auf, und Washington fing
sofort an, unter dem Zauber seiner Beredsamkeit ein wohlhabender Mann
zu werden. Zu gleicher Zeit aber war er nicht im Stande, die im Zimmer
herrschende Kälte völlig zu ignoriren. Er saß fast so nahe am Ofen, als er


das Land, wo sich Reichthümer zusammenhäufen lassen, hier ist's, wo die
Dynastie Tellers' gedeiht! — Leg' es auf die Thürstufe, Jerry — es ist der
schwärzeste Nigger im ganzen Staate. Washington, aber ein gutes Herz,
ganz ungeheuer netter Junge, dieser Jerry — Und jetzt, Jerry, wirst Du,
denk ich, zehn Cents haben wollen. Das ist ganz richtig — wenn Jemand
für mich arbeitet — wenn jemand — el zum Teufel, wo ist denn^das Porte¬
monnaie? — wenn, ah! — na das ist doch sonderbar — o, jetzt erinnere
ich mich, muß es in der Bank liegen gelassen haben. Und bei Gott, mein
Checkbuch hab ich auch zurückgelassen! Gieb mir mal ein Zehncentstück,
Washington, wenn Du eins hast. Ah, danke. Und nun schied ab, Jerry,
Deine Gesichtsfarbe hat es eine halbe Stunde vor der Zeit dämmern lassen.
Ziemlich hübscher Witz — ziemlich hübsch. — Hier haben wir ihn. Polly!
Washington ist angekommen, Kinder. Kommt jetzt, freßt mir ihn nicht —
freßt ihn drin im Hause auf" u. s. w.

Alles im Hause ist ärmlich, die Kleider, die Wäsche, die Möbeln, aber
Alles will das Gegentheil von Dürftigkeit sein. „Der Hut des Obersten war
abgeschabt und glänzend von vielem Glattbürsten, aber demungeachtet hatte
er einen fast überzeugenden Ausdruck an sich, nach welchem er eben erst neu
gekauft worden zu sein schien. Auch seine übrigen Kleidungsstücke waren ab¬
geschabt und glänzend, aber sie sahen aus, als ob sie völlig zufrieden mit
sich selbst und nur zärtlich bekümmert um andrer Leute Kleider wären." Es
wird Licht, angezündet, und Washington muß sich setzen und sich's bequem
machen. Der Oberst schiebt, fortwährend plaudernd, ein angezündetes Schwefel¬
hölzchen in den Ofen. Dann befestigt er die Ofenthür, indem er das Schür¬
eisen dagegen lehnt; denn die Haspen haben sich von den Geschäften zurück¬
gezogen. Diese Thür rahnt ein kleines Viereck von Hausenblase ein, welches
jetzt von einer matten Gluth warm wird. Die ganze Gesellschaft sammelt
sich um den Ofen, und der Oberst fährt in seinem Schwadroniren und Renom-
miren fort, während die Kinder an ihm herumklettern, ihn liebkosen und
von ihm geliebkost werden und seine wie ein Kätzchen schnurrende kleine Frau,
fleißig mit dem Strickstrumpf beschäftigt, nahe zur Hand sitzt und glücklich,
stolz und dankbar aussieht. Da passirt, als Tellers eben im besten Zuge ist,
ein Unglück, und es giebt eine Entdeckung.

„Der Oberst begann von einer ungeheuren Speculation zu sprechen, auf
die er einiges Kapital zu verwenden gedachte, und wegen der einige londoner
Bankiers herübergekommen waren, um sich mit ihm zu berathen, und bald
baute er glitzernde Pyramiden von Goldstücken auf, und Washington fing
sofort an, unter dem Zauber seiner Beredsamkeit ein wohlhabender Mann
zu werden. Zu gleicher Zeit aber war er nicht im Stande, die im Zimmer
herrschende Kälte völlig zu ignoriren. Er saß fast so nahe am Ofen, als er


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, I. Semester, I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341823_157636/342>, abgerufen am 25.08.2024.