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Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, I. Semester, I. Band.

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Auch das Junge Italien hat nicht viel mehr ausgerichtet, obwohl es eine
außerordentliche Thätigkeit in Verschwörungstiften, Wühlen und Auskund¬
schafter entwickelte und Mazzint, der leitende Geist, der Ueberall und Nirgends,
der unermüdliche Schürer, sich als ein wahres Genie im Agitiren und Plan-
macher erwies. In allen Theilen Italiens wurden Comites errichtet. Die
Presse in der Schweiz, in London und Marseille wurde im reichsten Maße
mit dem Aussäen der Meinungen und Zwecke der Verschworenen beschäftigt.
Die Polizei war, obwohl es keineswegs an Spionen in der Mitte des Bun¬
des fehlte, und so bisweilen zuverlässige Informationen erlangt wurden, bei
Verfolgung der Maulwurfsgänge des Vereins stets auf der falschen Spur.
So ging z. B. Livio Zambeccari, eins der leitenden Mitglieder, von Bologna
nach Neapel und von dort nach Sieilien, hatte Besprechungen mit den dor¬
tigen Verschwörern, berief Versammlungen und kehrte nach Bologna zurück
ohne daß die Polizei das Geringste von seinem Treiben erfuhr. So begab
sich ferner General Antonini unter einem fremden Namen nach Sieilien,
spielte dort den Daguerreotypisten, hielt insgeheim Zusammenkünfte mit
den dortigen Theilnehmern des Bundes ab und kundschaftete die Zustände
aus, indem er sich das Vertrauen der von seiner Mission nicht das Mindeste
ahnenden königlichen und städtischen Beamten zu erwerben verstand. Ein
piemontesischer Officier, der in den spanischen und portugiesischen Revolutions¬
kriegen mitgefochten hatte, kam in Messina mit einem spanischen Passe an
und brachte Empfehlungsschreiben von einem neapolitanischen Generale mit,
welche ihn in den Stand setzten, den Zweck seines Besuches, eine genaue Be¬
sichtigung der Festungswerke, auf das Vollständigste zu erreichen. Briefe, aus
Malta an die Verschwornen gerichtet, wurden von der Polizei aufgefangen,
aber bevor sie von derselben gelesen waren, durch das Geschick und die Dreistig¬
keit gewisser Mitglieder des Jungen Italiens bei Seite geschafft und den
Adressaten zugestellt. Tausend Exemplare eines revolutionären Programms,
das zu Marseille gedruckt war, wurden in Neapel eingeschmuggelt und zwar
in einem Sacke mit Depeschen an den dortigen Minister Delcaretto. Eine
revolutionäre Correspondenz wurde vermittelst Beilagen zu den offiziellen
Briefen unterhalten, die dem Minister Santangelo in Palermo von gewisser
Seite zugingen , wobei natürlich die Secretäre desselben mit den Verschwornen
im Einvernehmen handelten. Ein wohlbekannter spanischer General, der
Mitglied des Bundes war, ging, nachdem die französischen Zeitungen seine
Abreise und das Ziel derselben gemeldet hatten, von Marseille nach Neapel
und führte dort seine Absichten aus, und die Polizei bemühte sich vergeblich,
ihn zu finden und zur Haft zu bringen.

So war das Land nach Mazzini's Meinung glänzend vorbereitet, um.
als Papst Gregor der Sechzehnte starb, losbrechen zu können. Aber als


Auch das Junge Italien hat nicht viel mehr ausgerichtet, obwohl es eine
außerordentliche Thätigkeit in Verschwörungstiften, Wühlen und Auskund¬
schafter entwickelte und Mazzint, der leitende Geist, der Ueberall und Nirgends,
der unermüdliche Schürer, sich als ein wahres Genie im Agitiren und Plan-
macher erwies. In allen Theilen Italiens wurden Comites errichtet. Die
Presse in der Schweiz, in London und Marseille wurde im reichsten Maße
mit dem Aussäen der Meinungen und Zwecke der Verschworenen beschäftigt.
Die Polizei war, obwohl es keineswegs an Spionen in der Mitte des Bun¬
des fehlte, und so bisweilen zuverlässige Informationen erlangt wurden, bei
Verfolgung der Maulwurfsgänge des Vereins stets auf der falschen Spur.
So ging z. B. Livio Zambeccari, eins der leitenden Mitglieder, von Bologna
nach Neapel und von dort nach Sieilien, hatte Besprechungen mit den dor¬
tigen Verschwörern, berief Versammlungen und kehrte nach Bologna zurück
ohne daß die Polizei das Geringste von seinem Treiben erfuhr. So begab
sich ferner General Antonini unter einem fremden Namen nach Sieilien,
spielte dort den Daguerreotypisten, hielt insgeheim Zusammenkünfte mit
den dortigen Theilnehmern des Bundes ab und kundschaftete die Zustände
aus, indem er sich das Vertrauen der von seiner Mission nicht das Mindeste
ahnenden königlichen und städtischen Beamten zu erwerben verstand. Ein
piemontesischer Officier, der in den spanischen und portugiesischen Revolutions¬
kriegen mitgefochten hatte, kam in Messina mit einem spanischen Passe an
und brachte Empfehlungsschreiben von einem neapolitanischen Generale mit,
welche ihn in den Stand setzten, den Zweck seines Besuches, eine genaue Be¬
sichtigung der Festungswerke, auf das Vollständigste zu erreichen. Briefe, aus
Malta an die Verschwornen gerichtet, wurden von der Polizei aufgefangen,
aber bevor sie von derselben gelesen waren, durch das Geschick und die Dreistig¬
keit gewisser Mitglieder des Jungen Italiens bei Seite geschafft und den
Adressaten zugestellt. Tausend Exemplare eines revolutionären Programms,
das zu Marseille gedruckt war, wurden in Neapel eingeschmuggelt und zwar
in einem Sacke mit Depeschen an den dortigen Minister Delcaretto. Eine
revolutionäre Correspondenz wurde vermittelst Beilagen zu den offiziellen
Briefen unterhalten, die dem Minister Santangelo in Palermo von gewisser
Seite zugingen , wobei natürlich die Secretäre desselben mit den Verschwornen
im Einvernehmen handelten. Ein wohlbekannter spanischer General, der
Mitglied des Bundes war, ging, nachdem die französischen Zeitungen seine
Abreise und das Ziel derselben gemeldet hatten, von Marseille nach Neapel
und führte dort seine Absichten aus, und die Polizei bemühte sich vergeblich,
ihn zu finden und zur Haft zu bringen.

So war das Land nach Mazzini's Meinung glänzend vorbereitet, um.
als Papst Gregor der Sechzehnte starb, losbrechen zu können. Aber als


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[0032] Auch das Junge Italien hat nicht viel mehr ausgerichtet, obwohl es eine außerordentliche Thätigkeit in Verschwörungstiften, Wühlen und Auskund¬ schafter entwickelte und Mazzint, der leitende Geist, der Ueberall und Nirgends, der unermüdliche Schürer, sich als ein wahres Genie im Agitiren und Plan- macher erwies. In allen Theilen Italiens wurden Comites errichtet. Die Presse in der Schweiz, in London und Marseille wurde im reichsten Maße mit dem Aussäen der Meinungen und Zwecke der Verschworenen beschäftigt. Die Polizei war, obwohl es keineswegs an Spionen in der Mitte des Bun¬ des fehlte, und so bisweilen zuverlässige Informationen erlangt wurden, bei Verfolgung der Maulwurfsgänge des Vereins stets auf der falschen Spur. So ging z. B. Livio Zambeccari, eins der leitenden Mitglieder, von Bologna nach Neapel und von dort nach Sieilien, hatte Besprechungen mit den dor¬ tigen Verschwörern, berief Versammlungen und kehrte nach Bologna zurück ohne daß die Polizei das Geringste von seinem Treiben erfuhr. So begab sich ferner General Antonini unter einem fremden Namen nach Sieilien, spielte dort den Daguerreotypisten, hielt insgeheim Zusammenkünfte mit den dortigen Theilnehmern des Bundes ab und kundschaftete die Zustände aus, indem er sich das Vertrauen der von seiner Mission nicht das Mindeste ahnenden königlichen und städtischen Beamten zu erwerben verstand. Ein piemontesischer Officier, der in den spanischen und portugiesischen Revolutions¬ kriegen mitgefochten hatte, kam in Messina mit einem spanischen Passe an und brachte Empfehlungsschreiben von einem neapolitanischen Generale mit, welche ihn in den Stand setzten, den Zweck seines Besuches, eine genaue Be¬ sichtigung der Festungswerke, auf das Vollständigste zu erreichen. Briefe, aus Malta an die Verschwornen gerichtet, wurden von der Polizei aufgefangen, aber bevor sie von derselben gelesen waren, durch das Geschick und die Dreistig¬ keit gewisser Mitglieder des Jungen Italiens bei Seite geschafft und den Adressaten zugestellt. Tausend Exemplare eines revolutionären Programms, das zu Marseille gedruckt war, wurden in Neapel eingeschmuggelt und zwar in einem Sacke mit Depeschen an den dortigen Minister Delcaretto. Eine revolutionäre Correspondenz wurde vermittelst Beilagen zu den offiziellen Briefen unterhalten, die dem Minister Santangelo in Palermo von gewisser Seite zugingen , wobei natürlich die Secretäre desselben mit den Verschwornen im Einvernehmen handelten. Ein wohlbekannter spanischer General, der Mitglied des Bundes war, ging, nachdem die französischen Zeitungen seine Abreise und das Ziel derselben gemeldet hatten, von Marseille nach Neapel und führte dort seine Absichten aus, und die Polizei bemühte sich vergeblich, ihn zu finden und zur Haft zu bringen. So war das Land nach Mazzini's Meinung glänzend vorbereitet, um. als Papst Gregor der Sechzehnte starb, losbrechen zu können. Aber als

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, I. Semester, I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341823_157636/32>, abgerufen am 26.09.2024.