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Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, I. Semester, I. Band.

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scheiterten. Wir verloren dabey nichts als unsern Reisepaß, den die Wellen
verschlangen. Ein zu Hülfe gekommenes Boot rettete uns mit unserer Habe.
Der Eindruck, den der Augenblick der größten Todesgefahr auf mich machte,
ist unauslöschlich tief in meine Seele gegraben, und ich danke Gott eben so
sehr dafür, als für unsere Erhaltung. Wir konnten nachher erst ein paar
Tage später zum zweitenmale von Otranto ausschiffen, wo wir den Eng¬
ländern nur beinahe entkamen und am dritten Tage glücklich in Korfu an¬
kamen. Hier mußten wir verschiedene Umstände, und vorzüglich wegen der
Krankheit unsers Freundes Stackelberg, einige Wochen bleiben. Corfu ist
eine außerordentlich mahlerische Insel, und die Lage der Stadt mit ihrem
in das Meer ragende Castell vortrefflich. Wir machten daselbst sehr gute
Bekanntschaften, worunter ich die mit dem Gouverneur General Dongelat,
der ein vortrefflicher Mann ist, oben ansetze. Ich besuchte daselbst die franz.
und ltalien. ^ wo ich sehr gut aufgenommen wurde. Von Corfu schifften
wir nach Previsa. Von da aus besuchte ich die weitläufigen Ruinen der
Nicopolis des Augusts, das Denkmal der Schlacht bey Allium. In einer
Bucht des ambracischen Meerbusens stiegen wir ans Land, und reisten durch
Acarnanien nach Messalonga, von wo aus wir wieder zu Schiff und nach
Patraß gingen. Hier blieben wir einige Tage und schifften dann durch den
Golf von Lepanto Corinth zu. Wir mußten in die Bey von Salon" ein¬
laufen, und wegen ungünstiger Stürme mehrere Tage vor Crissa liegen
bleiben. Von da aus machten wir eine Tour nach Delphi. Noch nie habe
ich die Natur mehr in ihrer Großheit als hier gesehen. Man fühlt es recht
tief, daß hier der Aufenthalt der rechten Gottheit Griechenlands war. Ich
hoffte noch einmal nach Delphi und seinen Gegenden zu kommen, um es ge¬
nauer mit seinen Musen und dem Parnaß kennen zu lernen.

Was mag unser bester Br. Fritz machen? Mit bangen Sorgen denkeich
immer seiner. Ermuntre ihn zur Ausdauer. Wenn meine Pläne gelingen,
kann ich vielleicht ihm manches erleichtern helfen.


Theuerer Bruder.

31. Xbr. 1810.

Es sind mir leider nur noch wenige Minuten gegönnt, meine neulich
angefangene Unterhaltung mit Dir zu schließen, da meine Gefährten heute
abreisen und ich fahre fort mit wenigen Worten zu sagen, wir wir unsere
Reise von dem Fort v. Crissa aus Hieher fortsetzen. -- Als wir wieder
günstigen Wind bekommen gehabt hatten, lichteten wir den Anker, und kamen
nach einer Tag- und Nachtfahrt vor Corinth an. Ich kann Dir nicht sagen,
wie herrlich die Aussichten sind, die man auf die links und Rechts den ein¬
schließenden Länder hat. Von Patraß aus passirten wir die beiden gegen¬
überliegenden Vestungen Rhium und Artichium, denn Naupactus, das heutige


scheiterten. Wir verloren dabey nichts als unsern Reisepaß, den die Wellen
verschlangen. Ein zu Hülfe gekommenes Boot rettete uns mit unserer Habe.
Der Eindruck, den der Augenblick der größten Todesgefahr auf mich machte,
ist unauslöschlich tief in meine Seele gegraben, und ich danke Gott eben so
sehr dafür, als für unsere Erhaltung. Wir konnten nachher erst ein paar
Tage später zum zweitenmale von Otranto ausschiffen, wo wir den Eng¬
ländern nur beinahe entkamen und am dritten Tage glücklich in Korfu an¬
kamen. Hier mußten wir verschiedene Umstände, und vorzüglich wegen der
Krankheit unsers Freundes Stackelberg, einige Wochen bleiben. Corfu ist
eine außerordentlich mahlerische Insel, und die Lage der Stadt mit ihrem
in das Meer ragende Castell vortrefflich. Wir machten daselbst sehr gute
Bekanntschaften, worunter ich die mit dem Gouverneur General Dongelat,
der ein vortrefflicher Mann ist, oben ansetze. Ich besuchte daselbst die franz.
und ltalien. ^ wo ich sehr gut aufgenommen wurde. Von Corfu schifften
wir nach Previsa. Von da aus besuchte ich die weitläufigen Ruinen der
Nicopolis des Augusts, das Denkmal der Schlacht bey Allium. In einer
Bucht des ambracischen Meerbusens stiegen wir ans Land, und reisten durch
Acarnanien nach Messalonga, von wo aus wir wieder zu Schiff und nach
Patraß gingen. Hier blieben wir einige Tage und schifften dann durch den
Golf von Lepanto Corinth zu. Wir mußten in die Bey von Salon« ein¬
laufen, und wegen ungünstiger Stürme mehrere Tage vor Crissa liegen
bleiben. Von da aus machten wir eine Tour nach Delphi. Noch nie habe
ich die Natur mehr in ihrer Großheit als hier gesehen. Man fühlt es recht
tief, daß hier der Aufenthalt der rechten Gottheit Griechenlands war. Ich
hoffte noch einmal nach Delphi und seinen Gegenden zu kommen, um es ge¬
nauer mit seinen Musen und dem Parnaß kennen zu lernen.

Was mag unser bester Br. Fritz machen? Mit bangen Sorgen denkeich
immer seiner. Ermuntre ihn zur Ausdauer. Wenn meine Pläne gelingen,
kann ich vielleicht ihm manches erleichtern helfen.


Theuerer Bruder.

31. Xbr. 1810.

Es sind mir leider nur noch wenige Minuten gegönnt, meine neulich
angefangene Unterhaltung mit Dir zu schließen, da meine Gefährten heute
abreisen und ich fahre fort mit wenigen Worten zu sagen, wir wir unsere
Reise von dem Fort v. Crissa aus Hieher fortsetzen. — Als wir wieder
günstigen Wind bekommen gehabt hatten, lichteten wir den Anker, und kamen
nach einer Tag- und Nachtfahrt vor Corinth an. Ich kann Dir nicht sagen,
wie herrlich die Aussichten sind, die man auf die links und Rechts den ein¬
schließenden Länder hat. Von Patraß aus passirten wir die beiden gegen¬
überliegenden Vestungen Rhium und Artichium, denn Naupactus, das heutige


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, I. Semester, I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341823_157636/293>, abgerufen am 19.10.2024.