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Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, I. Semester, I. Band.

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gute Nacht; es ist Mitternacht vorbei, und ich möchte morgen bei Zeit wieder
an die Arbeit kommen.

Den 27. Xbris.

Ich fahre heute fort Dir einige Schilderungen meiner Reise im Allge¬
meinen zu geben, da ich hoffe in Zukunft Dich durch meine Tagebücher im
Detail damit bekannt zu machen. -- Mit Baron v. Stackelberg und Links
reihte ich von Rom nach Neapel, wo ich mich ein paar Wochen aufhielt, und
das Merkwürdigste der Stadt und der Gegend kennen lernte. -- Der Vesuv,
Pompeji, Hereulanum, Portici, Puzuoli, Bajcie, und vorzüglich Paestum und
die Reise dahin über Salerno, waren die vorzüglichsten Gegenstände, die meine
Aufmerksamkeit beschäftigten, und eine reiche Quelle der schönsten und er¬
hebendsten Genüße für mich. Leider konnte ich in Paestum nur ein paar
Stunden bleiben, da man von Salerno in einem Tage hin- und zurückreisen
muß. Sollte ich so glücklich werden, noch einmal nach Neapel zu kommen,
worauf ich sehr rechne, da ich noch Vieles theils gar nicht, theils nur ober¬
flächlich kennen lernen konnte, so werde ich es suchen "möglich zu machen mich
in Paestum länger aufhalten zu können. Unter den dastgen herrl. Monu¬
menten griech. B. K. hat der gr. Tempel den Vorzug. Ich habe seitdem nicht
wieder ein ähnliches so imposantes Geb. gesehen. Er macht durch seine ernst¬
hafte Architektur eine ganz außerordentliche Wirkung, welche durch das schönste
Farbenspiel seiner Tufstein-Massen erhöht wird. Das Schauspiel, das ich
auf dem Vesuv genoß, läßt sich durchaus gar nicht beschreiben. Wir blieben
die ganze Nacht oben in dem Krater. Wir hatten das Glück ihn sehr un¬
ruhig zu sehen, so daß öfters große Steine in die Luft über uns weg gesprengt
wurden. Der Anblick von dem Rand des Trichters hinab in die ungeheure
Feuer speyende Esse ergreift einen außerordentlich. Ein weiß glühender Schaum
kocht und zischt darinnen, und wühlt die feurigen Klumpen herum, bis immer
von Zeit mit einem anfänglich fürchterlich dumpfen Geraßel eine Explosion
kommt, die die zur Weiß-glühhitze gekommenen Steine emporschleudert, und
mit einem Aschen-Regen begleitet. Im Herabsteigen traf ich bey dem Eremiten,
wo ich mir die Lacrimae Christi köstlich schmecken ließ, den Dir. Großi aus
Dresden, den Du kennst, an. --

Nachdem wir uns mit den beyden Dänen Dr. Koch und Brönstedt ver¬
eint hatten, machten wir von Neapel aus eine sehr interessante Reise durch
Apulien, über Barletta, an der Küste des adriatischen Meeres hinab, über
Nvlg, al Lari, Lrumwsium, nach Otranto, wo wir einige Zeit liegen bleiben
mußten, um nach Corfu überschiffen zu können, wozu man wegen der engl.
Schiffe immer einen sehr günstigen Augenblick ablauern muß. Mein erster
Versuch des Seefahrers wäre mir beinahe theuer zu stehen gekommen, da wir
bald, nachdem wir aus dem Hafen ausgelaufen waren, an einer Klippe


gute Nacht; es ist Mitternacht vorbei, und ich möchte morgen bei Zeit wieder
an die Arbeit kommen.

Den 27. Xbris.

Ich fahre heute fort Dir einige Schilderungen meiner Reise im Allge¬
meinen zu geben, da ich hoffe in Zukunft Dich durch meine Tagebücher im
Detail damit bekannt zu machen. — Mit Baron v. Stackelberg und Links
reihte ich von Rom nach Neapel, wo ich mich ein paar Wochen aufhielt, und
das Merkwürdigste der Stadt und der Gegend kennen lernte. — Der Vesuv,
Pompeji, Hereulanum, Portici, Puzuoli, Bajcie, und vorzüglich Paestum und
die Reise dahin über Salerno, waren die vorzüglichsten Gegenstände, die meine
Aufmerksamkeit beschäftigten, und eine reiche Quelle der schönsten und er¬
hebendsten Genüße für mich. Leider konnte ich in Paestum nur ein paar
Stunden bleiben, da man von Salerno in einem Tage hin- und zurückreisen
muß. Sollte ich so glücklich werden, noch einmal nach Neapel zu kommen,
worauf ich sehr rechne, da ich noch Vieles theils gar nicht, theils nur ober¬
flächlich kennen lernen konnte, so werde ich es suchen "möglich zu machen mich
in Paestum länger aufhalten zu können. Unter den dastgen herrl. Monu¬
menten griech. B. K. hat der gr. Tempel den Vorzug. Ich habe seitdem nicht
wieder ein ähnliches so imposantes Geb. gesehen. Er macht durch seine ernst¬
hafte Architektur eine ganz außerordentliche Wirkung, welche durch das schönste
Farbenspiel seiner Tufstein-Massen erhöht wird. Das Schauspiel, das ich
auf dem Vesuv genoß, läßt sich durchaus gar nicht beschreiben. Wir blieben
die ganze Nacht oben in dem Krater. Wir hatten das Glück ihn sehr un¬
ruhig zu sehen, so daß öfters große Steine in die Luft über uns weg gesprengt
wurden. Der Anblick von dem Rand des Trichters hinab in die ungeheure
Feuer speyende Esse ergreift einen außerordentlich. Ein weiß glühender Schaum
kocht und zischt darinnen, und wühlt die feurigen Klumpen herum, bis immer
von Zeit mit einem anfänglich fürchterlich dumpfen Geraßel eine Explosion
kommt, die die zur Weiß-glühhitze gekommenen Steine emporschleudert, und
mit einem Aschen-Regen begleitet. Im Herabsteigen traf ich bey dem Eremiten,
wo ich mir die Lacrimae Christi köstlich schmecken ließ, den Dir. Großi aus
Dresden, den Du kennst, an. —

Nachdem wir uns mit den beyden Dänen Dr. Koch und Brönstedt ver¬
eint hatten, machten wir von Neapel aus eine sehr interessante Reise durch
Apulien, über Barletta, an der Küste des adriatischen Meeres hinab, über
Nvlg, al Lari, Lrumwsium, nach Otranto, wo wir einige Zeit liegen bleiben
mußten, um nach Corfu überschiffen zu können, wozu man wegen der engl.
Schiffe immer einen sehr günstigen Augenblick ablauern muß. Mein erster
Versuch des Seefahrers wäre mir beinahe theuer zu stehen gekommen, da wir
bald, nachdem wir aus dem Hafen ausgelaufen waren, an einer Klippe


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, I. Semester, I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341823_157636/292>, abgerufen am 27.09.2024.