Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, I. Semester, I. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

fiel sein Bruder, um ihn zu rächen, im August zu entsetzlichem Verwüstungs¬
zuge ins Sundgau ein; aber dies trug wieder nur dazu bei, das Bündniß
der niederen Vereinigung gegen Burgund zu festigen, zu welchem nun auch
noch Herzog Rene' von Lothringen und der Graf von Würtemberg für sein
ebenfalls von Burgund besetztes Mömpelgarder Land hinzutraten.

Bern, derjenige Ort der Eidgenossenschaft, welcher vorzugsweise eine
große Politik verfolgte und voraussah, daß es früher oder später doch zum
Zusammenstoß mit Burgund kommen müsse, drängte nun dazu, einen Prä-
ventionskrieg zu beginnen, da gerade jetzt die Abwesenheit des Herzogs vor
dem sich hartnäckig wehrenden Neuß günstige Chancen bot. -- So erklärten
denn im October 1474 die "Burgermeister, Schultum, Ammänner, Ratte
und ganz Gemeinden des großen Pundes Ober-Tütschen Landen, uff hoch und
treffentlich Gebot und Vermahnen des allerdurchlüchtigsten, unüberwindlichsten,
hochmechtigsten Herrn, Herrn Fridrichen, Römischen Kaisers, unsers aller-
gnädigsten Herrn" den Krieg an Burgund. --

Anfangs November zogen die eidgenössischen Kriegshaufen, 8000 Mann
unter dem Berner Schultheißen von Scharnachthal, durch den Jura über
Pruntrut nach Hochburgund, um die Festung He'ricourt, wo die burgundischen
Feldhauptleute nach der Verwüstung des Elsaß eine gesicherte Stellung ge¬
nommen, in ihre Gewalt zu bringen. Vor He'ricourt stießen die Eidgenossen
mit ihren Verbündeten zusammen, etwa 10.000 Mann, unter denen 400
österreichische Reisige. Den Oberbefehl über das ganze, also ungefähr 18,000
Mann starke Heer, sowie die Leitung der Belagerung übernahm der Haupt¬
mann des Herzogs von Oesterreich, Wilhelm Herder von Tübingen, ein aus¬
gezeichneter Kriegsmann, der sofort mit großer Energie gegen den Platz vor¬
ging.*) Der Statthalter der burgundischen Freigrafschaft, Henri de NeuctMel,
Graf von Blamont, sammelte in Verbindung mit dem Marschall von Bur¬
gund. Grafen von Romont, alle Lehnsmannschaften des Landes und zog
von Norden, von Passavant her, zum Entsatz von He'ricourt heran. Sein
Heer, das etwa 23,000 Mann stark war und neben den Vassallen aus be¬
rittenen lombardischen Söldnern und niederländischen Fußvolk und zwar vor¬
zugsweise aus Cavallerie bestand, erschien am 13. November, dem 10. Tage
der Belagerung, ziemlich überraschend vor der Stadt. Wilhelm Herder war
aber auf dem Posten. Er ließ He'ricourt nur schwach beobachten und zog mit der
Hauptmasse und dem Feldgeschütz dem Feinde an den Luzine-Fluß entgegen.



Schweizern, welche namentlich Mühlhausen bestärkten, ihm zu trotzen, war er besonders Gram
und drohte den Bernern, er wollte ihrem Bären das Fell abziehen und sich einen Pelz daraus
machen lassen.
") Diebold Schilling: Beschreibung der burgundischen Kriegen. Und einiger anderer
in der Schwettz und sonderlich zu Bern um selbige Zeit vorgefallenen merkwürdigen Begeben¬
heiten (1468--1484) Ausg. Bern. 1743; abgefaßt um 1485.
Grenzboten I. 187ii. 3

fiel sein Bruder, um ihn zu rächen, im August zu entsetzlichem Verwüstungs¬
zuge ins Sundgau ein; aber dies trug wieder nur dazu bei, das Bündniß
der niederen Vereinigung gegen Burgund zu festigen, zu welchem nun auch
noch Herzog Rene' von Lothringen und der Graf von Würtemberg für sein
ebenfalls von Burgund besetztes Mömpelgarder Land hinzutraten.

Bern, derjenige Ort der Eidgenossenschaft, welcher vorzugsweise eine
große Politik verfolgte und voraussah, daß es früher oder später doch zum
Zusammenstoß mit Burgund kommen müsse, drängte nun dazu, einen Prä-
ventionskrieg zu beginnen, da gerade jetzt die Abwesenheit des Herzogs vor
dem sich hartnäckig wehrenden Neuß günstige Chancen bot. — So erklärten
denn im October 1474 die „Burgermeister, Schultum, Ammänner, Ratte
und ganz Gemeinden des großen Pundes Ober-Tütschen Landen, uff hoch und
treffentlich Gebot und Vermahnen des allerdurchlüchtigsten, unüberwindlichsten,
hochmechtigsten Herrn, Herrn Fridrichen, Römischen Kaisers, unsers aller-
gnädigsten Herrn" den Krieg an Burgund. —

Anfangs November zogen die eidgenössischen Kriegshaufen, 8000 Mann
unter dem Berner Schultheißen von Scharnachthal, durch den Jura über
Pruntrut nach Hochburgund, um die Festung He'ricourt, wo die burgundischen
Feldhauptleute nach der Verwüstung des Elsaß eine gesicherte Stellung ge¬
nommen, in ihre Gewalt zu bringen. Vor He'ricourt stießen die Eidgenossen
mit ihren Verbündeten zusammen, etwa 10.000 Mann, unter denen 400
österreichische Reisige. Den Oberbefehl über das ganze, also ungefähr 18,000
Mann starke Heer, sowie die Leitung der Belagerung übernahm der Haupt¬
mann des Herzogs von Oesterreich, Wilhelm Herder von Tübingen, ein aus¬
gezeichneter Kriegsmann, der sofort mit großer Energie gegen den Platz vor¬
ging.*) Der Statthalter der burgundischen Freigrafschaft, Henri de NeuctMel,
Graf von Blamont, sammelte in Verbindung mit dem Marschall von Bur¬
gund. Grafen von Romont, alle Lehnsmannschaften des Landes und zog
von Norden, von Passavant her, zum Entsatz von He'ricourt heran. Sein
Heer, das etwa 23,000 Mann stark war und neben den Vassallen aus be¬
rittenen lombardischen Söldnern und niederländischen Fußvolk und zwar vor¬
zugsweise aus Cavallerie bestand, erschien am 13. November, dem 10. Tage
der Belagerung, ziemlich überraschend vor der Stadt. Wilhelm Herder war
aber auf dem Posten. Er ließ He'ricourt nur schwach beobachten und zog mit der
Hauptmasse und dem Feldgeschütz dem Feinde an den Luzine-Fluß entgegen.



Schweizern, welche namentlich Mühlhausen bestärkten, ihm zu trotzen, war er besonders Gram
und drohte den Bernern, er wollte ihrem Bären das Fell abziehen und sich einen Pelz daraus
machen lassen.
") Diebold Schilling: Beschreibung der burgundischen Kriegen. Und einiger anderer
in der Schwettz und sonderlich zu Bern um selbige Zeit vorgefallenen merkwürdigen Begeben¬
heiten (1468—1484) Ausg. Bern. 1743; abgefaßt um 1485.
Grenzboten I. 187ii. 3
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <div n="2">
            <div n="3">
              <pb facs="#f0025" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/135078"/>
              <p xml:id="ID_56" prev="#ID_55"> fiel sein Bruder, um ihn zu rächen, im August zu entsetzlichem Verwüstungs¬<lb/>
zuge ins Sundgau ein; aber dies trug wieder nur dazu bei, das Bündniß<lb/>
der niederen Vereinigung gegen Burgund zu festigen, zu welchem nun auch<lb/>
noch Herzog Rene' von Lothringen und der Graf von Würtemberg für sein<lb/>
ebenfalls von Burgund besetztes Mömpelgarder Land hinzutraten.</p><lb/>
              <p xml:id="ID_57"> Bern, derjenige Ort der Eidgenossenschaft, welcher vorzugsweise eine<lb/>
große Politik verfolgte und voraussah, daß es früher oder später doch zum<lb/>
Zusammenstoß mit Burgund kommen müsse, drängte nun dazu, einen Prä-<lb/>
ventionskrieg zu beginnen, da gerade jetzt die Abwesenheit des Herzogs vor<lb/>
dem sich hartnäckig wehrenden Neuß günstige Chancen bot. &#x2014; So erklärten<lb/>
denn im October 1474 die &#x201E;Burgermeister, Schultum, Ammänner, Ratte<lb/>
und ganz Gemeinden des großen Pundes Ober-Tütschen Landen, uff hoch und<lb/>
treffentlich Gebot und Vermahnen des allerdurchlüchtigsten, unüberwindlichsten,<lb/>
hochmechtigsten Herrn, Herrn Fridrichen, Römischen Kaisers, unsers aller-<lb/>
gnädigsten Herrn" den Krieg an Burgund. &#x2014;</p><lb/>
              <p xml:id="ID_58"> Anfangs November zogen die eidgenössischen Kriegshaufen, 8000 Mann<lb/>
unter dem Berner Schultheißen von Scharnachthal, durch den Jura über<lb/>
Pruntrut nach Hochburgund, um die Festung He'ricourt, wo die burgundischen<lb/>
Feldhauptleute nach der Verwüstung des Elsaß eine gesicherte Stellung ge¬<lb/>
nommen, in ihre Gewalt zu bringen. Vor He'ricourt stießen die Eidgenossen<lb/>
mit ihren Verbündeten zusammen, etwa 10.000 Mann, unter denen 400<lb/>
österreichische Reisige. Den Oberbefehl über das ganze, also ungefähr 18,000<lb/>
Mann starke Heer, sowie die Leitung der Belagerung übernahm der Haupt¬<lb/>
mann des Herzogs von Oesterreich, Wilhelm Herder von Tübingen, ein aus¬<lb/>
gezeichneter Kriegsmann, der sofort mit großer Energie gegen den Platz vor¬<lb/>
ging.*) Der Statthalter der burgundischen Freigrafschaft, Henri de NeuctMel,<lb/>
Graf von Blamont, sammelte in Verbindung mit dem Marschall von Bur¬<lb/>
gund. Grafen von Romont, alle Lehnsmannschaften des Landes und zog<lb/>
von Norden, von Passavant her, zum Entsatz von He'ricourt heran. Sein<lb/>
Heer, das etwa 23,000 Mann stark war und neben den Vassallen aus be¬<lb/>
rittenen lombardischen Söldnern und niederländischen Fußvolk und zwar vor¬<lb/>
zugsweise aus Cavallerie bestand, erschien am 13. November, dem 10. Tage<lb/>
der Belagerung, ziemlich überraschend vor der Stadt. Wilhelm Herder war<lb/>
aber auf dem Posten. Er ließ He'ricourt nur schwach beobachten und zog mit der<lb/>
Hauptmasse und dem Feldgeschütz dem Feinde an den Luzine-Fluß entgegen.</p><lb/>
              <note xml:id="FID_25" prev="#FID_24" place="foot"> Schweizern, welche namentlich Mühlhausen bestärkten, ihm zu trotzen, war er besonders Gram<lb/>
und drohte den Bernern, er wollte ihrem Bären das Fell abziehen und sich einen Pelz daraus<lb/>
machen lassen.</note><lb/>
              <note xml:id="FID_26" place="foot"> ") Diebold Schilling: Beschreibung der burgundischen Kriegen. Und einiger anderer<lb/>
in der Schwettz und sonderlich zu Bern um selbige Zeit vorgefallenen merkwürdigen Begeben¬<lb/>
heiten (1468&#x2014;1484) Ausg. Bern. 1743; abgefaßt um 1485.</note><lb/>
              <fw type="sig" place="bottom"> Grenzboten I. 187ii. 3</fw><lb/>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0025] fiel sein Bruder, um ihn zu rächen, im August zu entsetzlichem Verwüstungs¬ zuge ins Sundgau ein; aber dies trug wieder nur dazu bei, das Bündniß der niederen Vereinigung gegen Burgund zu festigen, zu welchem nun auch noch Herzog Rene' von Lothringen und der Graf von Würtemberg für sein ebenfalls von Burgund besetztes Mömpelgarder Land hinzutraten. Bern, derjenige Ort der Eidgenossenschaft, welcher vorzugsweise eine große Politik verfolgte und voraussah, daß es früher oder später doch zum Zusammenstoß mit Burgund kommen müsse, drängte nun dazu, einen Prä- ventionskrieg zu beginnen, da gerade jetzt die Abwesenheit des Herzogs vor dem sich hartnäckig wehrenden Neuß günstige Chancen bot. — So erklärten denn im October 1474 die „Burgermeister, Schultum, Ammänner, Ratte und ganz Gemeinden des großen Pundes Ober-Tütschen Landen, uff hoch und treffentlich Gebot und Vermahnen des allerdurchlüchtigsten, unüberwindlichsten, hochmechtigsten Herrn, Herrn Fridrichen, Römischen Kaisers, unsers aller- gnädigsten Herrn" den Krieg an Burgund. — Anfangs November zogen die eidgenössischen Kriegshaufen, 8000 Mann unter dem Berner Schultheißen von Scharnachthal, durch den Jura über Pruntrut nach Hochburgund, um die Festung He'ricourt, wo die burgundischen Feldhauptleute nach der Verwüstung des Elsaß eine gesicherte Stellung ge¬ nommen, in ihre Gewalt zu bringen. Vor He'ricourt stießen die Eidgenossen mit ihren Verbündeten zusammen, etwa 10.000 Mann, unter denen 400 österreichische Reisige. Den Oberbefehl über das ganze, also ungefähr 18,000 Mann starke Heer, sowie die Leitung der Belagerung übernahm der Haupt¬ mann des Herzogs von Oesterreich, Wilhelm Herder von Tübingen, ein aus¬ gezeichneter Kriegsmann, der sofort mit großer Energie gegen den Platz vor¬ ging.*) Der Statthalter der burgundischen Freigrafschaft, Henri de NeuctMel, Graf von Blamont, sammelte in Verbindung mit dem Marschall von Bur¬ gund. Grafen von Romont, alle Lehnsmannschaften des Landes und zog von Norden, von Passavant her, zum Entsatz von He'ricourt heran. Sein Heer, das etwa 23,000 Mann stark war und neben den Vassallen aus be¬ rittenen lombardischen Söldnern und niederländischen Fußvolk und zwar vor¬ zugsweise aus Cavallerie bestand, erschien am 13. November, dem 10. Tage der Belagerung, ziemlich überraschend vor der Stadt. Wilhelm Herder war aber auf dem Posten. Er ließ He'ricourt nur schwach beobachten und zog mit der Hauptmasse und dem Feldgeschütz dem Feinde an den Luzine-Fluß entgegen. Schweizern, welche namentlich Mühlhausen bestärkten, ihm zu trotzen, war er besonders Gram und drohte den Bernern, er wollte ihrem Bären das Fell abziehen und sich einen Pelz daraus machen lassen. ") Diebold Schilling: Beschreibung der burgundischen Kriegen. Und einiger anderer in der Schwettz und sonderlich zu Bern um selbige Zeit vorgefallenen merkwürdigen Begeben¬ heiten (1468—1484) Ausg. Bern. 1743; abgefaßt um 1485. Grenzboten I. 187ii. 3

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341823_157636
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341823_157636/25
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, I. Semester, I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341823_157636/25>, abgerufen am 26.09.2024.