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Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, I. Semester, I. Band.

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Erzbischof von Köln ernannt; das Kapitel aber lehnte ihn ab und wählte
den Landgrafen Hermann von Hessen zum Administrator. Da rief Ruprecht
unter Beistimmung des Papstes Karl den Kühnen zu Hilfe. Dieser forderte
Köln und die übrigen Städte des Erzstiftes auf, sich Ruprecht zu unterwerfen,
ihn selbst aber als Schirmvogt anzuerkennen. Zurückgewiesen zog Karl bei
Mastricht ein Heer von 60,000 Mann zusammen, welches aus 12,000 lom¬
bardischen Söldnern, 6000 englischen Reisigen und Schützen und mehr als
40,000 Burgundern bestand und rückte mit dieser bedeutenden Macht gegen
Ende Juli in das Erzstift ein. Er hoffte, leichtes Spiel zu haben. Aber er
hatte sich sehr verrechnet; denn Landgraf Hermann leistete ihm in dem festen
Neuß tapferen Widerstand. Eine Besatzung von 3000 M. z. F. und 500
Reitern war durch viele Ritter aus Hessen, Westfalen und andern deutschen
Landen unterstützt, die sich freiwillig mit hatten einschließen lassen und nun
eine Vertheidigung von außerordentlicher Energie führten. So ward der
Herzog zu einem sehr ausgedehnten zeitraubenden, förmlichen Angriff ge¬
nöthigt, welcher ganz eigenthümliche Erscheinungen des Belagerungskrieges
mit sich brachte, die ihn für die Zeit des Uebergangsstyles besonders charakte¬
ristisch machen.*)

Während Herzog Karl vor den Wällen des festen Neuß sich in Träumen
von einer Herrschaft bis zum Rheine wiegte, trafen ihn bereits im Süden
empfindliche Schläge.

Der niedere Verein hatte nämlich dem Herzoge Sigmund von Oesterreich
den Pfandschilling zur Lösung seiner an Burgund verpfändeten Besitzungen
vorgeschossen; Karl hatte aber diese Kündigung nicht angenommen, vielmehr
Straßburg, Basel und andere Städte aufgefordert, burgundische Besatzung
aufzunehmen. Dies Verhalten zeigte, daß der Herzog die Lande behalten
wollte, und trug sehr dazu bei, die Verbündeten zur That zu drängen. Im
Elsaß und im Breisgau aber hatte man kaum die geschehene Aufkündigung
des Pfandgeldes vernommen, als sich ein Aufstand gegen die burgundische
Herrschaft erhob und der grausame ausschweifende Statthalter Peter von
Hagenbach zu Breisach gefangen genommen und hingerichtet wurde.**) Zwar




*) Näheres darüber vergl. bei lVloIWst,: OIirouiciuiZL cisMis 1476-- 1S06 (volleot.
Luedon. 7) und ?düiii>v<z, cluo <to vlövLs: Instrui-tioll us toutss MÄlliüi-hö alö Lllörro^gx
Wut xar teirs gro p-rr rühr. N. L. der Pariser Bibl. No. 7452 bei Aaxolöoo. III. 2.
p. 109.
") Hagenbach ist die rechte Verkörperung jener wüsten Edelleute, denen der wahre
Adel abhanden gekommen und die, von dem fürstlichen Schilde ihres Herrn gedeckt, sich jedes
Frevels erstechen zu dürsen glaubten. Er hatte sich in bitterem Hohn drei Würfel ins Wap¬
pen gesetzt und praßte, von einer welschen Leibwache umgeben, auf der Burg von Breisach
mit dem bestimmten Willen das Volk Schlute". Er war so schamlos, daß er einmal eine
Nonne, die seinen Gewaltthätigkeiten entsprungen war, öffentlich aufrufen ließ und im Dom
zu Breisach am Altar eine Dirne umarmte, nachdem er den Meßpriester davon gejagt. -- Den

Erzbischof von Köln ernannt; das Kapitel aber lehnte ihn ab und wählte
den Landgrafen Hermann von Hessen zum Administrator. Da rief Ruprecht
unter Beistimmung des Papstes Karl den Kühnen zu Hilfe. Dieser forderte
Köln und die übrigen Städte des Erzstiftes auf, sich Ruprecht zu unterwerfen,
ihn selbst aber als Schirmvogt anzuerkennen. Zurückgewiesen zog Karl bei
Mastricht ein Heer von 60,000 Mann zusammen, welches aus 12,000 lom¬
bardischen Söldnern, 6000 englischen Reisigen und Schützen und mehr als
40,000 Burgundern bestand und rückte mit dieser bedeutenden Macht gegen
Ende Juli in das Erzstift ein. Er hoffte, leichtes Spiel zu haben. Aber er
hatte sich sehr verrechnet; denn Landgraf Hermann leistete ihm in dem festen
Neuß tapferen Widerstand. Eine Besatzung von 3000 M. z. F. und 500
Reitern war durch viele Ritter aus Hessen, Westfalen und andern deutschen
Landen unterstützt, die sich freiwillig mit hatten einschließen lassen und nun
eine Vertheidigung von außerordentlicher Energie führten. So ward der
Herzog zu einem sehr ausgedehnten zeitraubenden, förmlichen Angriff ge¬
nöthigt, welcher ganz eigenthümliche Erscheinungen des Belagerungskrieges
mit sich brachte, die ihn für die Zeit des Uebergangsstyles besonders charakte¬
ristisch machen.*)

Während Herzog Karl vor den Wällen des festen Neuß sich in Träumen
von einer Herrschaft bis zum Rheine wiegte, trafen ihn bereits im Süden
empfindliche Schläge.

Der niedere Verein hatte nämlich dem Herzoge Sigmund von Oesterreich
den Pfandschilling zur Lösung seiner an Burgund verpfändeten Besitzungen
vorgeschossen; Karl hatte aber diese Kündigung nicht angenommen, vielmehr
Straßburg, Basel und andere Städte aufgefordert, burgundische Besatzung
aufzunehmen. Dies Verhalten zeigte, daß der Herzog die Lande behalten
wollte, und trug sehr dazu bei, die Verbündeten zur That zu drängen. Im
Elsaß und im Breisgau aber hatte man kaum die geschehene Aufkündigung
des Pfandgeldes vernommen, als sich ein Aufstand gegen die burgundische
Herrschaft erhob und der grausame ausschweifende Statthalter Peter von
Hagenbach zu Breisach gefangen genommen und hingerichtet wurde.**) Zwar




*) Näheres darüber vergl. bei lVloIWst,: OIirouiciuiZL cisMis 1476— 1S06 (volleot.
Luedon. 7) und ?düiii>v<z, cluo <to vlövLs: Instrui-tioll us toutss MÄlliüi-hö alö Lllörro^gx
Wut xar teirs gro p-rr rühr. N. L. der Pariser Bibl. No. 7452 bei Aaxolöoo. III. 2.
p. 109.
") Hagenbach ist die rechte Verkörperung jener wüsten Edelleute, denen der wahre
Adel abhanden gekommen und die, von dem fürstlichen Schilde ihres Herrn gedeckt, sich jedes
Frevels erstechen zu dürsen glaubten. Er hatte sich in bitterem Hohn drei Würfel ins Wap¬
pen gesetzt und praßte, von einer welschen Leibwache umgeben, auf der Burg von Breisach
mit dem bestimmten Willen das Volk Schlute». Er war so schamlos, daß er einmal eine
Nonne, die seinen Gewaltthätigkeiten entsprungen war, öffentlich aufrufen ließ und im Dom
zu Breisach am Altar eine Dirne umarmte, nachdem er den Meßpriester davon gejagt. — Den
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[0024] Erzbischof von Köln ernannt; das Kapitel aber lehnte ihn ab und wählte den Landgrafen Hermann von Hessen zum Administrator. Da rief Ruprecht unter Beistimmung des Papstes Karl den Kühnen zu Hilfe. Dieser forderte Köln und die übrigen Städte des Erzstiftes auf, sich Ruprecht zu unterwerfen, ihn selbst aber als Schirmvogt anzuerkennen. Zurückgewiesen zog Karl bei Mastricht ein Heer von 60,000 Mann zusammen, welches aus 12,000 lom¬ bardischen Söldnern, 6000 englischen Reisigen und Schützen und mehr als 40,000 Burgundern bestand und rückte mit dieser bedeutenden Macht gegen Ende Juli in das Erzstift ein. Er hoffte, leichtes Spiel zu haben. Aber er hatte sich sehr verrechnet; denn Landgraf Hermann leistete ihm in dem festen Neuß tapferen Widerstand. Eine Besatzung von 3000 M. z. F. und 500 Reitern war durch viele Ritter aus Hessen, Westfalen und andern deutschen Landen unterstützt, die sich freiwillig mit hatten einschließen lassen und nun eine Vertheidigung von außerordentlicher Energie führten. So ward der Herzog zu einem sehr ausgedehnten zeitraubenden, förmlichen Angriff ge¬ nöthigt, welcher ganz eigenthümliche Erscheinungen des Belagerungskrieges mit sich brachte, die ihn für die Zeit des Uebergangsstyles besonders charakte¬ ristisch machen.*) Während Herzog Karl vor den Wällen des festen Neuß sich in Träumen von einer Herrschaft bis zum Rheine wiegte, trafen ihn bereits im Süden empfindliche Schläge. Der niedere Verein hatte nämlich dem Herzoge Sigmund von Oesterreich den Pfandschilling zur Lösung seiner an Burgund verpfändeten Besitzungen vorgeschossen; Karl hatte aber diese Kündigung nicht angenommen, vielmehr Straßburg, Basel und andere Städte aufgefordert, burgundische Besatzung aufzunehmen. Dies Verhalten zeigte, daß der Herzog die Lande behalten wollte, und trug sehr dazu bei, die Verbündeten zur That zu drängen. Im Elsaß und im Breisgau aber hatte man kaum die geschehene Aufkündigung des Pfandgeldes vernommen, als sich ein Aufstand gegen die burgundische Herrschaft erhob und der grausame ausschweifende Statthalter Peter von Hagenbach zu Breisach gefangen genommen und hingerichtet wurde.**) Zwar *) Näheres darüber vergl. bei lVloIWst,: OIirouiciuiZL cisMis 1476— 1S06 (volleot. Luedon. 7) und ?düiii>v<z, cluo <to vlövLs: Instrui-tioll us toutss MÄlliüi-hö alö Lllörro^gx Wut xar teirs gro p-rr rühr. N. L. der Pariser Bibl. No. 7452 bei Aaxolöoo. III. 2. p. 109. ") Hagenbach ist die rechte Verkörperung jener wüsten Edelleute, denen der wahre Adel abhanden gekommen und die, von dem fürstlichen Schilde ihres Herrn gedeckt, sich jedes Frevels erstechen zu dürsen glaubten. Er hatte sich in bitterem Hohn drei Würfel ins Wap¬ pen gesetzt und praßte, von einer welschen Leibwache umgeben, auf der Burg von Breisach mit dem bestimmten Willen das Volk Schlute». Er war so schamlos, daß er einmal eine Nonne, die seinen Gewaltthätigkeiten entsprungen war, öffentlich aufrufen ließ und im Dom zu Breisach am Altar eine Dirne umarmte, nachdem er den Meßpriester davon gejagt. — Den

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, I. Semester, I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341823_157636/24>, abgerufen am 26.09.2024.