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Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, I. Semester, I. Band.

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alter Bericht*) mit folgenden sehr naiven Annäherungs-Angaben: "An
mehren Orten fielen Steinkugeln nieder: einige so groß wie der Umfang eines
Härtngsfäßchens, andere von der Größe eines Napfes, andere von Gußeisen
20 bis 30 Pfund schwer, und endlich welche von Blei oder Eisen von der
Größe einer Faust oder eines Spielballs." -- Der Schuß mußte sehr unsicher
sein, da die Seele der Geschütze weit von genauer Cylindergestalt entfernt
blieb und die Ntchtvorrichtungen fast ganz mangelten^).

Die Artillerie stand unter einem Ritter, der den Titel eines meüstre ä"
1'in-tiIIm'lL führte und eine so große Autorität hatte, daß ihm in seinem
Ressort wie dem Fürsten selbst gehorcht wurde. Unter ihm stand ein Zahl¬
meister sreoeveur), durch dessen Hände jährlich eine Summe von 60,000 üorms
ging und ein besonderer eontrollsur. --- Die Zahl der Feld-Geschütze (bouekes)
des burgundischen Heeres stieg bis auf 300, welchen 2000 große Karren (les
iveiUsurs et plus puisLlms <Me I'vo xeut trouvsr en?1lwäre,8 se on Lra.baut)
die Munition nachführten. Zu der Artilleriemannschaft gehörten, außer den
Kanonieren, technische Arbeiter der verschiedensten Art: earpontiers, eng-riscii^ux
torgeurs et tout-os wimiöi'öZ Ah gens.

Zu der technischen Ausrüstung des burgundischen Heeres gehörte überdies
ein Brückenzug, welcher gestattete, Ströme von 1000 Fuß Breite zu über¬
schreiten, und ein Zeltlager, das auf 400 Wagen nachgeführt wurde. In
Folge dessen nahm der Fuhrpark meist einen außerordentlich großen Raum
ein; auf dem Marsch nach Dinan z. B. im Jahre 1466 war er
3 Meilen lang.

Eine große Rolle in der burgundischen Armee spielten die gewordenen
Soldtruppen verschiedener Nationen: Engländer, Lombarden und andere
Italiener, Deutsche aller Stämme, ja sogar Schweizer. Diese Truppen kosteten
ihrer hohen Löhnung wegen sehr viel Geld; empfing doch z.B. die italienische
Reiterbande unter dem Grafen von Campo-Basso, welche nicht mehr als 576
Köpfe zählte, allein vierteljährlich 13,789 Thaler -- Sehr störend wirkte
übrigens die Verschiedenheit des Nationalcharakters dieser Soldtruppen, und
namentlich zwischen den Engländern und Italienern kam es oft zu hart¬
näckigen und heftigen Kämpfen.

Die jährlichen Kosten des burgundischen Kriegsstaates stiegen bis auf
2 Millionen Livres, zu deren Bestreitung nach und nach die Steuern verhält-







") Oiseours an sIsAS als Ssanviüs su 1472 Mr VKsrlsg as Loursogmz. Ausgabe von
Louvet. Beauvais. 1622.'
--) Naxolüoii III: IZtuäös sur le passö se I'A,VLnir as l^rtillsne.
Olivisr c>s I^A NareKs a. a. O.
1') NÄvolrss an ^lues Lters (1448 - 1488) lip. V., el,. 18. (OoUsot. LuvKou
37--39.)
55) Näheres über diese SoldverMnisse bei v. Rott a. a. O. it. Seite 7".

alter Bericht*) mit folgenden sehr naiven Annäherungs-Angaben: „An
mehren Orten fielen Steinkugeln nieder: einige so groß wie der Umfang eines
Härtngsfäßchens, andere von der Größe eines Napfes, andere von Gußeisen
20 bis 30 Pfund schwer, und endlich welche von Blei oder Eisen von der
Größe einer Faust oder eines Spielballs." — Der Schuß mußte sehr unsicher
sein, da die Seele der Geschütze weit von genauer Cylindergestalt entfernt
blieb und die Ntchtvorrichtungen fast ganz mangelten^).

Die Artillerie stand unter einem Ritter, der den Titel eines meüstre ä«
1'in-tiIIm'lL führte und eine so große Autorität hatte, daß ihm in seinem
Ressort wie dem Fürsten selbst gehorcht wurde. Unter ihm stand ein Zahl¬
meister sreoeveur), durch dessen Hände jährlich eine Summe von 60,000 üorms
ging und ein besonderer eontrollsur. —- Die Zahl der Feld-Geschütze (bouekes)
des burgundischen Heeres stieg bis auf 300, welchen 2000 große Karren (les
iveiUsurs et plus puisLlms <Me I'vo xeut trouvsr en?1lwäre,8 se on Lra.baut)
die Munition nachführten. Zu der Artilleriemannschaft gehörten, außer den
Kanonieren, technische Arbeiter der verschiedensten Art: earpontiers, eng-riscii^ux
torgeurs et tout-os wimiöi'öZ Ah gens.

Zu der technischen Ausrüstung des burgundischen Heeres gehörte überdies
ein Brückenzug, welcher gestattete, Ströme von 1000 Fuß Breite zu über¬
schreiten, und ein Zeltlager, das auf 400 Wagen nachgeführt wurde. In
Folge dessen nahm der Fuhrpark meist einen außerordentlich großen Raum
ein; auf dem Marsch nach Dinan z. B. im Jahre 1466 war er
3 Meilen lang.

Eine große Rolle in der burgundischen Armee spielten die gewordenen
Soldtruppen verschiedener Nationen: Engländer, Lombarden und andere
Italiener, Deutsche aller Stämme, ja sogar Schweizer. Diese Truppen kosteten
ihrer hohen Löhnung wegen sehr viel Geld; empfing doch z.B. die italienische
Reiterbande unter dem Grafen von Campo-Basso, welche nicht mehr als 576
Köpfe zählte, allein vierteljährlich 13,789 Thaler — Sehr störend wirkte
übrigens die Verschiedenheit des Nationalcharakters dieser Soldtruppen, und
namentlich zwischen den Engländern und Italienern kam es oft zu hart¬
näckigen und heftigen Kämpfen.

Die jährlichen Kosten des burgundischen Kriegsstaates stiegen bis auf
2 Millionen Livres, zu deren Bestreitung nach und nach die Steuern verhält-







") Oiseours an sIsAS als Ssanviüs su 1472 Mr VKsrlsg as Loursogmz. Ausgabe von
Louvet. Beauvais. 1622.'
—) Naxolüoii III: IZtuäös sur le passö se I'A,VLnir as l^rtillsne.
Olivisr c>s I^A NareKs a. a. O.
1') NÄvolrss an ^lues Lters (1448 - 1488) lip. V., el,. 18. (OoUsot. LuvKou
37—39.)
55) Näheres über diese SoldverMnisse bei v. Rott a. a. O. it. Seite 7».
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[0020] alter Bericht*) mit folgenden sehr naiven Annäherungs-Angaben: „An mehren Orten fielen Steinkugeln nieder: einige so groß wie der Umfang eines Härtngsfäßchens, andere von der Größe eines Napfes, andere von Gußeisen 20 bis 30 Pfund schwer, und endlich welche von Blei oder Eisen von der Größe einer Faust oder eines Spielballs." — Der Schuß mußte sehr unsicher sein, da die Seele der Geschütze weit von genauer Cylindergestalt entfernt blieb und die Ntchtvorrichtungen fast ganz mangelten^). Die Artillerie stand unter einem Ritter, der den Titel eines meüstre ä« 1'in-tiIIm'lL führte und eine so große Autorität hatte, daß ihm in seinem Ressort wie dem Fürsten selbst gehorcht wurde. Unter ihm stand ein Zahl¬ meister sreoeveur), durch dessen Hände jährlich eine Summe von 60,000 üorms ging und ein besonderer eontrollsur. —- Die Zahl der Feld-Geschütze (bouekes) des burgundischen Heeres stieg bis auf 300, welchen 2000 große Karren (les iveiUsurs et plus puisLlms <Me I'vo xeut trouvsr en?1lwäre,8 se on Lra.baut) die Munition nachführten. Zu der Artilleriemannschaft gehörten, außer den Kanonieren, technische Arbeiter der verschiedensten Art: earpontiers, eng-riscii^ux torgeurs et tout-os wimiöi'öZ Ah gens. Zu der technischen Ausrüstung des burgundischen Heeres gehörte überdies ein Brückenzug, welcher gestattete, Ströme von 1000 Fuß Breite zu über¬ schreiten, und ein Zeltlager, das auf 400 Wagen nachgeführt wurde. In Folge dessen nahm der Fuhrpark meist einen außerordentlich großen Raum ein; auf dem Marsch nach Dinan z. B. im Jahre 1466 war er 3 Meilen lang. Eine große Rolle in der burgundischen Armee spielten die gewordenen Soldtruppen verschiedener Nationen: Engländer, Lombarden und andere Italiener, Deutsche aller Stämme, ja sogar Schweizer. Diese Truppen kosteten ihrer hohen Löhnung wegen sehr viel Geld; empfing doch z.B. die italienische Reiterbande unter dem Grafen von Campo-Basso, welche nicht mehr als 576 Köpfe zählte, allein vierteljährlich 13,789 Thaler — Sehr störend wirkte übrigens die Verschiedenheit des Nationalcharakters dieser Soldtruppen, und namentlich zwischen den Engländern und Italienern kam es oft zu hart¬ näckigen und heftigen Kämpfen. Die jährlichen Kosten des burgundischen Kriegsstaates stiegen bis auf 2 Millionen Livres, zu deren Bestreitung nach und nach die Steuern verhält- ") Oiseours an sIsAS als Ssanviüs su 1472 Mr VKsrlsg as Loursogmz. Ausgabe von Louvet. Beauvais. 1622.' —) Naxolüoii III: IZtuäös sur le passö se I'A,VLnir as l^rtillsne. Olivisr c>s I^A NareKs a. a. O. 1') NÄvolrss an ^lues Lters (1448 - 1488) lip. V., el,. 18. (OoUsot. LuvKou 37—39.) 55) Näheres über diese SoldverMnisse bei v. Rott a. a. O. it. Seite 7».

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, I. Semester, I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341823_157636/20>, abgerufen am 26.09.2024.