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Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, I. Semester, I. Band.

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Mitte, Zu beiden Seiten kamen die Bogenschützen zu stehen. Die Gens-
darmen mit ihren Knechten bildeten die äußersten Flügel. Wenn die Stärke
des Heeres es gestattete, wurden drei Treffen gebildet: Vorhut (avantgaräe),
Mitteltreffen (b-Mille) und Nachhut (arriöreMrä"), die sich hintereinander
aufstellen und im Gefecht ablösen sollten. Da diese Ordre-de-Bataille
aber ganz ohne Rücksicht auf Flankirung und seitwärtige Unterstützung der
einzelnen Theile durchgeführt ward, so wurden die vom Feinde gedrängten
Treffen leicht auf einander geworfen, woraus dann unheilbare Verwirrung
entstand. Das französische Vorbild war also auch hier wie bei der Heeres¬
organisation, aber unverständig copirt; denn die traurigen Erfahrungen von
Courtray, Crecy und Agincourt hätten wohl darüber belehren können, daß
eine so unorganische Treffenanordnung unter allen Umständen nutzlos, meist
aber auch überaus gefährlich sei.

Unverhältnißmäßig stark und in vielen Dingen vorgeschritten war
die Artillerie des burgundischen Heeres. Nicht umsonst versichert
Olivier de la Marche von dem Herzoge, er sei xuissg,vt et toi-t pour
pg^ör ig, Ms glAlläs bombarÄs an monäs*). Zum eigentlichen Feldge¬
schütz sind jedoch nur die Falken (kaueons) und Falkonetten (Mconn<zg,ux),
die Feldschlangen (Serpentins") und die Hakenbüchsen (lis,re<iuödu,K86K), zu
rechnen, letztere ein Mittelding zwischen dem groben und dem Handgeschütze.
In den Schlachten wurde das Geschütz batterieweise, theils vor der Front
des Fußvolkes, theils seitwärts, aufgestellt. -- Zu den Posttionsgeschützen
(für den Gebrauch hinter Schanzen und anderen Schutzwehren) gehörten die
großen Schlangen (serpsutiriss, eouIsuvrinöL), von 6 bis 13 Fuß Rohrlänge,
welche zuweilen an den Mündungen mit Löwen- oder Drachenköpfen verziert
waren und eiserne Kugeln schössen. Als eigentliches Belagerungs- und
Festungsgeschütz gebrauchte man die Bombarden, welche 10 bis 11' lang
waren, auf Gestellen ohne Räder ruhten und Steinkugeln schössen. Bedient
wurde die Bombarde von einem Büchsenmeister (dombaräier) außerdem aber
gehörte zu jeder einzelnen als Befehlshaber ein gentilnommk av l'noswl, so-
daß die Aufsicht über eine dieser großen Geschütze als ein besonderer Ehren¬
dienst erscheint^). Zur Belagerungsartillerie zählen ferner die Mörser, aus
welchen noch nicht hohle, sondern massive Steinkugeln geworfen wurden.
Auch eine Art von Haubitzen, kurze Stücke mit Kammern (eourtoaults), 4'/s
Fuß lang und auf Rädern ruhend, erscheint unter den Belagerungsgeschützen
der burgundischen Armee. Was das Kaliber betrifft, so erwähnt dasselbe ein




-) Olivier as I^s, "rai-vio: IZstitt as I" waison Sö IZourgogns (1474.) Veröffentlicht
in der vlroix -Zeh olu'oriiciUös <ze möraoires sur 1'Kistoirs als ^r-rnee von Buchon. Paris, 1836.
") Edda.

Mitte, Zu beiden Seiten kamen die Bogenschützen zu stehen. Die Gens-
darmen mit ihren Knechten bildeten die äußersten Flügel. Wenn die Stärke
des Heeres es gestattete, wurden drei Treffen gebildet: Vorhut (avantgaräe),
Mitteltreffen (b-Mille) und Nachhut (arriöreMrä«), die sich hintereinander
aufstellen und im Gefecht ablösen sollten. Da diese Ordre-de-Bataille
aber ganz ohne Rücksicht auf Flankirung und seitwärtige Unterstützung der
einzelnen Theile durchgeführt ward, so wurden die vom Feinde gedrängten
Treffen leicht auf einander geworfen, woraus dann unheilbare Verwirrung
entstand. Das französische Vorbild war also auch hier wie bei der Heeres¬
organisation, aber unverständig copirt; denn die traurigen Erfahrungen von
Courtray, Crecy und Agincourt hätten wohl darüber belehren können, daß
eine so unorganische Treffenanordnung unter allen Umständen nutzlos, meist
aber auch überaus gefährlich sei.

Unverhältnißmäßig stark und in vielen Dingen vorgeschritten war
die Artillerie des burgundischen Heeres. Nicht umsonst versichert
Olivier de la Marche von dem Herzoge, er sei xuissg,vt et toi-t pour
pg^ör ig, Ms glAlläs bombarÄs an monäs*). Zum eigentlichen Feldge¬
schütz sind jedoch nur die Falken (kaueons) und Falkonetten (Mconn<zg,ux),
die Feldschlangen (Serpentins«) und die Hakenbüchsen (lis,re<iuödu,K86K), zu
rechnen, letztere ein Mittelding zwischen dem groben und dem Handgeschütze.
In den Schlachten wurde das Geschütz batterieweise, theils vor der Front
des Fußvolkes, theils seitwärts, aufgestellt. — Zu den Posttionsgeschützen
(für den Gebrauch hinter Schanzen und anderen Schutzwehren) gehörten die
großen Schlangen (serpsutiriss, eouIsuvrinöL), von 6 bis 13 Fuß Rohrlänge,
welche zuweilen an den Mündungen mit Löwen- oder Drachenköpfen verziert
waren und eiserne Kugeln schössen. Als eigentliches Belagerungs- und
Festungsgeschütz gebrauchte man die Bombarden, welche 10 bis 11' lang
waren, auf Gestellen ohne Räder ruhten und Steinkugeln schössen. Bedient
wurde die Bombarde von einem Büchsenmeister (dombaräier) außerdem aber
gehörte zu jeder einzelnen als Befehlshaber ein gentilnommk av l'noswl, so-
daß die Aufsicht über eine dieser großen Geschütze als ein besonderer Ehren¬
dienst erscheint^). Zur Belagerungsartillerie zählen ferner die Mörser, aus
welchen noch nicht hohle, sondern massive Steinkugeln geworfen wurden.
Auch eine Art von Haubitzen, kurze Stücke mit Kammern (eourtoaults), 4'/s
Fuß lang und auf Rädern ruhend, erscheint unter den Belagerungsgeschützen
der burgundischen Armee. Was das Kaliber betrifft, so erwähnt dasselbe ein




-) Olivier as I^s, «rai-vio: IZstitt as I» waison Sö IZourgogns (1474.) Veröffentlicht
in der vlroix -Zeh olu'oriiciUös <ze möraoires sur 1'Kistoirs als ^r-rnee von Buchon. Paris, 1836.
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[0019] Mitte, Zu beiden Seiten kamen die Bogenschützen zu stehen. Die Gens- darmen mit ihren Knechten bildeten die äußersten Flügel. Wenn die Stärke des Heeres es gestattete, wurden drei Treffen gebildet: Vorhut (avantgaräe), Mitteltreffen (b-Mille) und Nachhut (arriöreMrä«), die sich hintereinander aufstellen und im Gefecht ablösen sollten. Da diese Ordre-de-Bataille aber ganz ohne Rücksicht auf Flankirung und seitwärtige Unterstützung der einzelnen Theile durchgeführt ward, so wurden die vom Feinde gedrängten Treffen leicht auf einander geworfen, woraus dann unheilbare Verwirrung entstand. Das französische Vorbild war also auch hier wie bei der Heeres¬ organisation, aber unverständig copirt; denn die traurigen Erfahrungen von Courtray, Crecy und Agincourt hätten wohl darüber belehren können, daß eine so unorganische Treffenanordnung unter allen Umständen nutzlos, meist aber auch überaus gefährlich sei. Unverhältnißmäßig stark und in vielen Dingen vorgeschritten war die Artillerie des burgundischen Heeres. Nicht umsonst versichert Olivier de la Marche von dem Herzoge, er sei xuissg,vt et toi-t pour pg^ör ig, Ms glAlläs bombarÄs an monäs*). Zum eigentlichen Feldge¬ schütz sind jedoch nur die Falken (kaueons) und Falkonetten (Mconn<zg,ux), die Feldschlangen (Serpentins«) und die Hakenbüchsen (lis,re<iuödu,K86K), zu rechnen, letztere ein Mittelding zwischen dem groben und dem Handgeschütze. In den Schlachten wurde das Geschütz batterieweise, theils vor der Front des Fußvolkes, theils seitwärts, aufgestellt. — Zu den Posttionsgeschützen (für den Gebrauch hinter Schanzen und anderen Schutzwehren) gehörten die großen Schlangen (serpsutiriss, eouIsuvrinöL), von 6 bis 13 Fuß Rohrlänge, welche zuweilen an den Mündungen mit Löwen- oder Drachenköpfen verziert waren und eiserne Kugeln schössen. Als eigentliches Belagerungs- und Festungsgeschütz gebrauchte man die Bombarden, welche 10 bis 11' lang waren, auf Gestellen ohne Räder ruhten und Steinkugeln schössen. Bedient wurde die Bombarde von einem Büchsenmeister (dombaräier) außerdem aber gehörte zu jeder einzelnen als Befehlshaber ein gentilnommk av l'noswl, so- daß die Aufsicht über eine dieser großen Geschütze als ein besonderer Ehren¬ dienst erscheint^). Zur Belagerungsartillerie zählen ferner die Mörser, aus welchen noch nicht hohle, sondern massive Steinkugeln geworfen wurden. Auch eine Art von Haubitzen, kurze Stücke mit Kammern (eourtoaults), 4'/s Fuß lang und auf Rädern ruhend, erscheint unter den Belagerungsgeschützen der burgundischen Armee. Was das Kaliber betrifft, so erwähnt dasselbe ein -) Olivier as I^s, «rai-vio: IZstitt as I» waison Sö IZourgogns (1474.) Veröffentlicht in der vlroix -Zeh olu'oriiciUös <ze möraoires sur 1'Kistoirs als ^r-rnee von Buchon. Paris, 1836. «) Edda.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, I. Semester, I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341823_157636/19>, abgerufen am 26.09.2024.