Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, I. Semester, I. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

Die oberste Verwaltung des burgundischen Kriegswesens war in der
Hand eines sogenannten Hofkriegsrathes, unter dem persönlichen Präsidium
des Herzogs, dem die dahingehörigen Gegenstände durch vier, diesem Departe¬
ment zugetheilte Ritter vorgetragen wurden. Auch der Oberhofmeister, der
Feldzeugmeister und der Wappenkönig des burgundischen Hausordens vom
goldenen Vließe (loison ä'or) wohnten den Sitzungen des Kriegsrathes bei.
Die schriftlichen Ausfertigungen dieser Behörden besorgten zwei Sekretäre der
Kriegsgeschäfte (gMires et<z Auvri'"). Ein Mitglied des Hofkriegsrathes war
Kriegsschatzmeister (tiesorier nie la guerrs), welchem vom Finanzdepartement
die für das Kriegswesen bestimmten Summen zugeschieden wurden und welcher
diese durch den Kriegszahlmeister verwenden und verrechnen ließ. -- Als
höchste Commandostelle galt die des Marschalls von Burgund, der in
Abwesenheit des Herzogs für ihn den Oberbefehl zu führen hatte, mit Befug¬
nissen wie in Frankreich der Connetable. Führte dagegen der Herzog selbst
den Oberbefehl, so stand dem Marschälle das Commando der Vorhut zu.
Als Stellvertreter (lisutenimt) des Marschalls fungirte der Heermarschall
oder Feldmarschall (NÄr6oua,1 l'llvst). Die höchste richterliche Gewalt
bei dem Heer übte der Ober- oder Marschallsprofos (grana xrävüt). Einige
Provinzen hatten eigene Marschälle, die dann an der Spitze ihres Wehrwesens
standen.

Im Frieden waren die stehenden Truppen so viel als möglich in Gast¬
häusern und Schenken untergebracht. Für Berköstigung hatte die Mannschaft
zu bezahlen. Der Sold wurde alle 3 Monate gezahlt. Er betrug im Jahre
l473 monatlich für den Gendarmen 18 Francs, für den berittenen Schützen
5 Francs, für den Fußsoldaten 4 Francs. Das Gehalt der Compagnieführer
scheint gering gewesen und von diesen, welche meist große Herren waren, ge¬
wöhnlich ihren Lieutenants überlassen worden zu sein."*) -- Bei keiner
Compagnie sollten mehr als 30 Weiber geduldet werden und kein einzelner
Kriegsmann sollte das Recht haben, eine davon als Ehefrau zu unterhalten.
-- Fluchen und Spielen war verboten; das Verlassen der Fahne
auf dem Marsche wurde mit achttägigen Soldabzug, vor dem Feinde mit
dem Tode am Strange bestraft. -- Auf Märschen erhielt die Mannschaft
Quartierbillets. Streu und Heu mußte der Gastwirth unentgeltlich liefern,
die Lebensmittel, sowie auch den Hafer für die Pferde, nach einer bestimmten
Taxe. Der Tagmarsch sollte S bis 8 Stunden betragen, und je den dritten
Tag durfte gerastet werden. Es waren eigene Marschcommissäre aufgestellt,
welche die Befolgung dieser Vorschriften und die Abrechnung zu überwachen




") Gollut a. a. O.
") v. Henker bei Note.
Grenzboten I. 1876. 2

Die oberste Verwaltung des burgundischen Kriegswesens war in der
Hand eines sogenannten Hofkriegsrathes, unter dem persönlichen Präsidium
des Herzogs, dem die dahingehörigen Gegenstände durch vier, diesem Departe¬
ment zugetheilte Ritter vorgetragen wurden. Auch der Oberhofmeister, der
Feldzeugmeister und der Wappenkönig des burgundischen Hausordens vom
goldenen Vließe (loison ä'or) wohnten den Sitzungen des Kriegsrathes bei.
Die schriftlichen Ausfertigungen dieser Behörden besorgten zwei Sekretäre der
Kriegsgeschäfte (gMires et<z Auvri'«). Ein Mitglied des Hofkriegsrathes war
Kriegsschatzmeister (tiesorier nie la guerrs), welchem vom Finanzdepartement
die für das Kriegswesen bestimmten Summen zugeschieden wurden und welcher
diese durch den Kriegszahlmeister verwenden und verrechnen ließ. — Als
höchste Commandostelle galt die des Marschalls von Burgund, der in
Abwesenheit des Herzogs für ihn den Oberbefehl zu führen hatte, mit Befug¬
nissen wie in Frankreich der Connetable. Führte dagegen der Herzog selbst
den Oberbefehl, so stand dem Marschälle das Commando der Vorhut zu.
Als Stellvertreter (lisutenimt) des Marschalls fungirte der Heermarschall
oder Feldmarschall (NÄr6oua,1 l'llvst). Die höchste richterliche Gewalt
bei dem Heer übte der Ober- oder Marschallsprofos (grana xrävüt). Einige
Provinzen hatten eigene Marschälle, die dann an der Spitze ihres Wehrwesens
standen.

Im Frieden waren die stehenden Truppen so viel als möglich in Gast¬
häusern und Schenken untergebracht. Für Berköstigung hatte die Mannschaft
zu bezahlen. Der Sold wurde alle 3 Monate gezahlt. Er betrug im Jahre
l473 monatlich für den Gendarmen 18 Francs, für den berittenen Schützen
5 Francs, für den Fußsoldaten 4 Francs. Das Gehalt der Compagnieführer
scheint gering gewesen und von diesen, welche meist große Herren waren, ge¬
wöhnlich ihren Lieutenants überlassen worden zu sein."*) — Bei keiner
Compagnie sollten mehr als 30 Weiber geduldet werden und kein einzelner
Kriegsmann sollte das Recht haben, eine davon als Ehefrau zu unterhalten.
— Fluchen und Spielen war verboten; das Verlassen der Fahne
auf dem Marsche wurde mit achttägigen Soldabzug, vor dem Feinde mit
dem Tode am Strange bestraft. — Auf Märschen erhielt die Mannschaft
Quartierbillets. Streu und Heu mußte der Gastwirth unentgeltlich liefern,
die Lebensmittel, sowie auch den Hafer für die Pferde, nach einer bestimmten
Taxe. Der Tagmarsch sollte S bis 8 Stunden betragen, und je den dritten
Tag durfte gerastet werden. Es waren eigene Marschcommissäre aufgestellt,
welche die Befolgung dieser Vorschriften und die Abrechnung zu überwachen




") Gollut a. a. O.
") v. Henker bei Note.
Grenzboten I. 1876. 2
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <div n="2">
            <div n="3">
              <pb facs="#f0017" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/135070"/>
              <p xml:id="ID_29"> Die oberste Verwaltung des burgundischen Kriegswesens war in der<lb/>
Hand eines sogenannten Hofkriegsrathes, unter dem persönlichen Präsidium<lb/>
des Herzogs, dem die dahingehörigen Gegenstände durch vier, diesem Departe¬<lb/>
ment zugetheilte Ritter vorgetragen wurden. Auch der Oberhofmeister, der<lb/>
Feldzeugmeister und der Wappenkönig des burgundischen Hausordens vom<lb/>
goldenen Vließe (loison ä'or) wohnten den Sitzungen des Kriegsrathes bei.<lb/>
Die schriftlichen Ausfertigungen dieser Behörden besorgten zwei Sekretäre der<lb/>
Kriegsgeschäfte (gMires et&lt;z Auvri'«). Ein Mitglied des Hofkriegsrathes war<lb/>
Kriegsschatzmeister (tiesorier nie la guerrs), welchem vom Finanzdepartement<lb/>
die für das Kriegswesen bestimmten Summen zugeschieden wurden und welcher<lb/>
diese durch den Kriegszahlmeister verwenden und verrechnen ließ. &#x2014; Als<lb/>
höchste Commandostelle galt die des Marschalls von Burgund, der in<lb/>
Abwesenheit des Herzogs für ihn den Oberbefehl zu führen hatte, mit Befug¬<lb/>
nissen wie in Frankreich der Connetable. Führte dagegen der Herzog selbst<lb/>
den Oberbefehl, so stand dem Marschälle das Commando der Vorhut zu.<lb/>
Als Stellvertreter (lisutenimt) des Marschalls fungirte der Heermarschall<lb/>
oder Feldmarschall (NÄr6oua,1 l'llvst). Die höchste richterliche Gewalt<lb/>
bei dem Heer übte der Ober- oder Marschallsprofos (grana xrävüt). Einige<lb/>
Provinzen hatten eigene Marschälle, die dann an der Spitze ihres Wehrwesens<lb/>
standen.</p><lb/>
              <p xml:id="ID_30" next="#ID_31"> Im Frieden waren die stehenden Truppen so viel als möglich in Gast¬<lb/>
häusern und Schenken untergebracht. Für Berköstigung hatte die Mannschaft<lb/>
zu bezahlen. Der Sold wurde alle 3 Monate gezahlt. Er betrug im Jahre<lb/>
l473 monatlich für den Gendarmen 18 Francs, für den berittenen Schützen<lb/>
5 Francs, für den Fußsoldaten 4 Francs. Das Gehalt der Compagnieführer<lb/>
scheint gering gewesen und von diesen, welche meist große Herren waren, ge¬<lb/>
wöhnlich ihren Lieutenants überlassen worden zu sein."*) &#x2014; Bei keiner<lb/>
Compagnie sollten mehr als 30 Weiber geduldet werden und kein einzelner<lb/>
Kriegsmann sollte das Recht haben, eine davon als Ehefrau zu unterhalten.<lb/>
&#x2014; Fluchen und Spielen war verboten; das Verlassen der Fahne<lb/>
auf dem Marsche wurde mit achttägigen Soldabzug, vor dem Feinde mit<lb/>
dem Tode am Strange bestraft. &#x2014; Auf Märschen erhielt die Mannschaft<lb/>
Quartierbillets. Streu und Heu mußte der Gastwirth unentgeltlich liefern,<lb/>
die Lebensmittel, sowie auch den Hafer für die Pferde, nach einer bestimmten<lb/>
Taxe. Der Tagmarsch sollte S bis 8 Stunden betragen, und je den dritten<lb/>
Tag durfte gerastet werden. Es waren eigene Marschcommissäre aufgestellt,<lb/>
welche die Befolgung dieser Vorschriften und die Abrechnung zu überwachen</p><lb/>
              <note xml:id="FID_5" place="foot"> ") Gollut a. a. O.</note><lb/>
              <note xml:id="FID_6" place="foot"> ") v. Henker bei Note.</note><lb/>
              <fw type="sig" place="bottom"> Grenzboten I. 1876. 2</fw><lb/>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0017] Die oberste Verwaltung des burgundischen Kriegswesens war in der Hand eines sogenannten Hofkriegsrathes, unter dem persönlichen Präsidium des Herzogs, dem die dahingehörigen Gegenstände durch vier, diesem Departe¬ ment zugetheilte Ritter vorgetragen wurden. Auch der Oberhofmeister, der Feldzeugmeister und der Wappenkönig des burgundischen Hausordens vom goldenen Vließe (loison ä'or) wohnten den Sitzungen des Kriegsrathes bei. Die schriftlichen Ausfertigungen dieser Behörden besorgten zwei Sekretäre der Kriegsgeschäfte (gMires et<z Auvri'«). Ein Mitglied des Hofkriegsrathes war Kriegsschatzmeister (tiesorier nie la guerrs), welchem vom Finanzdepartement die für das Kriegswesen bestimmten Summen zugeschieden wurden und welcher diese durch den Kriegszahlmeister verwenden und verrechnen ließ. — Als höchste Commandostelle galt die des Marschalls von Burgund, der in Abwesenheit des Herzogs für ihn den Oberbefehl zu führen hatte, mit Befug¬ nissen wie in Frankreich der Connetable. Führte dagegen der Herzog selbst den Oberbefehl, so stand dem Marschälle das Commando der Vorhut zu. Als Stellvertreter (lisutenimt) des Marschalls fungirte der Heermarschall oder Feldmarschall (NÄr6oua,1 l'llvst). Die höchste richterliche Gewalt bei dem Heer übte der Ober- oder Marschallsprofos (grana xrävüt). Einige Provinzen hatten eigene Marschälle, die dann an der Spitze ihres Wehrwesens standen. Im Frieden waren die stehenden Truppen so viel als möglich in Gast¬ häusern und Schenken untergebracht. Für Berköstigung hatte die Mannschaft zu bezahlen. Der Sold wurde alle 3 Monate gezahlt. Er betrug im Jahre l473 monatlich für den Gendarmen 18 Francs, für den berittenen Schützen 5 Francs, für den Fußsoldaten 4 Francs. Das Gehalt der Compagnieführer scheint gering gewesen und von diesen, welche meist große Herren waren, ge¬ wöhnlich ihren Lieutenants überlassen worden zu sein."*) — Bei keiner Compagnie sollten mehr als 30 Weiber geduldet werden und kein einzelner Kriegsmann sollte das Recht haben, eine davon als Ehefrau zu unterhalten. — Fluchen und Spielen war verboten; das Verlassen der Fahne auf dem Marsche wurde mit achttägigen Soldabzug, vor dem Feinde mit dem Tode am Strange bestraft. — Auf Märschen erhielt die Mannschaft Quartierbillets. Streu und Heu mußte der Gastwirth unentgeltlich liefern, die Lebensmittel, sowie auch den Hafer für die Pferde, nach einer bestimmten Taxe. Der Tagmarsch sollte S bis 8 Stunden betragen, und je den dritten Tag durfte gerastet werden. Es waren eigene Marschcommissäre aufgestellt, welche die Befolgung dieser Vorschriften und die Abrechnung zu überwachen ") Gollut a. a. O. ") v. Henker bei Note. Grenzboten I. 1876. 2

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341823_157636
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341823_157636/17
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, I. Semester, I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341823_157636/17>, abgerufen am 26.09.2024.