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Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, I. Semester, I. Band.

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öffentlichen Schulen, macht, werden ebenfalls nach zwei Seiten hin interpretirt.
Von Einigen werden sie als Zeichen seiner Klugheit und Unabhängigkeit an¬
gesehen, von Anderen als ein Versuch, Herrn Blaine in der Bewerbung
um das Präsidentenamt den Rang abzulaufen. Ohne allen Zweifel haben
die Vorschläge Grant's eine viel größere Tragweite, als das von Blaine
proponirte konstitutionelle Amendement. Der Ex-Sprecher wurde heute dieser-
halb von Mitgliedern des Repräsentantenhauses mit Fragen bestürmt und
soll darauf erwidert haben, General Grant wolle ihm vielleicht den Wind
aus den Segeln nehmen, aber er (Blaine) trage kein Verlangen, dem ganzen
religiösen Gefühl der Union ins Gesicht zu schlagen. Blaine bezog sich mit
diesen Worten wahrscheinlich auf die Stelle in Grant's Botschaft, der gemäß
"religiöse, atheistische und heidnische Grundsätze" in gleicher Weise von den
Volksschulen ausgeschlossen werden sollen und die Besteuerung des Kirchen¬
vermögens empfohlen wird. Diesen letzten Punkt in Grant's neuer Platform
halten Manche für einen nur gegen die Katholiken gerichteten Schlag;
allein dieser Schlag trifft auch Andere, er trifft viele protestantische
Sekten, die außer den kirchlichen Gebäuden noch Eigenthum besitzen. In der
kurzen Recapitulation seiner Ansichten am Schlüsse der Botschaft nimmt
Grant auch die Kirchengebäude nicht von der Besteuerung aus. Der Präsi¬
dent stellt sich in dieser Beziehung auf einen Boden, den nur wenige radikale
Vereine und einige scharf und weit denkende Volkswirthe mit ihm theilen,
er empfiehlt eine Maßregel, von der man in den Vereinigten Staaten allge¬
mein annahm, daß sie erst innerhalb eines Zeitraums von 26 bis 30 Jahren
eine Frage der praktischen Politik werden würde."

So der Washingtoner Correspondent der "New-Aork Tribüne". Hören
wir dem gegenüber den Wortlaut der Stellen in Grant's Botschaft, in welchen
er die wichtige Schul- und Kirchenfrage behandelt. Da heißt es: "Da
wir im Begriff stehen, das zweite Jahrhundert unserer nationalen Existenz
und damit das Mannesalter als Nation anzutreten, so ist es angebracht,
einen Rückblick auf die Vergangenheit zu thun und zu erforschen, auf welche
Weise wir die künftige Größe des Landes herbeiführen und sicher stellen können.
Vom Sündenfalle Adam's bis auf diesen Tag ist die Prosperität und das
Glück keiner Nation jemals ganz ungefährdet gewesen. Wir sollten daher
unser Augenmerk aus die drohenden Gefahren richten und gegen dieselben,
so wett dies in unserer Macht liegt, Vorkehrungen treffen. Wir leben in
einer Republik, in welcher vor dem Gesetze der Eine so viel gilt, wie der
Andere. Bei einer solchen Regierungsform ist es von größter Wichtigkeit,
daß Alle genügende Kenntnisse und hinreichende Bildung haben, um mit
vollem Verständniß der Sache das politische Stimmrecht auszuüben. Eine
große Masse unwissender Menschen vermag nicht auf längere Zeit den


Grenzboten I. 187V. 20

öffentlichen Schulen, macht, werden ebenfalls nach zwei Seiten hin interpretirt.
Von Einigen werden sie als Zeichen seiner Klugheit und Unabhängigkeit an¬
gesehen, von Anderen als ein Versuch, Herrn Blaine in der Bewerbung
um das Präsidentenamt den Rang abzulaufen. Ohne allen Zweifel haben
die Vorschläge Grant's eine viel größere Tragweite, als das von Blaine
proponirte konstitutionelle Amendement. Der Ex-Sprecher wurde heute dieser-
halb von Mitgliedern des Repräsentantenhauses mit Fragen bestürmt und
soll darauf erwidert haben, General Grant wolle ihm vielleicht den Wind
aus den Segeln nehmen, aber er (Blaine) trage kein Verlangen, dem ganzen
religiösen Gefühl der Union ins Gesicht zu schlagen. Blaine bezog sich mit
diesen Worten wahrscheinlich auf die Stelle in Grant's Botschaft, der gemäß
„religiöse, atheistische und heidnische Grundsätze" in gleicher Weise von den
Volksschulen ausgeschlossen werden sollen und die Besteuerung des Kirchen¬
vermögens empfohlen wird. Diesen letzten Punkt in Grant's neuer Platform
halten Manche für einen nur gegen die Katholiken gerichteten Schlag;
allein dieser Schlag trifft auch Andere, er trifft viele protestantische
Sekten, die außer den kirchlichen Gebäuden noch Eigenthum besitzen. In der
kurzen Recapitulation seiner Ansichten am Schlüsse der Botschaft nimmt
Grant auch die Kirchengebäude nicht von der Besteuerung aus. Der Präsi¬
dent stellt sich in dieser Beziehung auf einen Boden, den nur wenige radikale
Vereine und einige scharf und weit denkende Volkswirthe mit ihm theilen,
er empfiehlt eine Maßregel, von der man in den Vereinigten Staaten allge¬
mein annahm, daß sie erst innerhalb eines Zeitraums von 26 bis 30 Jahren
eine Frage der praktischen Politik werden würde."

So der Washingtoner Correspondent der „New-Aork Tribüne". Hören
wir dem gegenüber den Wortlaut der Stellen in Grant's Botschaft, in welchen
er die wichtige Schul- und Kirchenfrage behandelt. Da heißt es: „Da
wir im Begriff stehen, das zweite Jahrhundert unserer nationalen Existenz
und damit das Mannesalter als Nation anzutreten, so ist es angebracht,
einen Rückblick auf die Vergangenheit zu thun und zu erforschen, auf welche
Weise wir die künftige Größe des Landes herbeiführen und sicher stellen können.
Vom Sündenfalle Adam's bis auf diesen Tag ist die Prosperität und das
Glück keiner Nation jemals ganz ungefährdet gewesen. Wir sollten daher
unser Augenmerk aus die drohenden Gefahren richten und gegen dieselben,
so wett dies in unserer Macht liegt, Vorkehrungen treffen. Wir leben in
einer Republik, in welcher vor dem Gesetze der Eine so viel gilt, wie der
Andere. Bei einer solchen Regierungsform ist es von größter Wichtigkeit,
daß Alle genügende Kenntnisse und hinreichende Bildung haben, um mit
vollem Verständniß der Sache das politische Stimmrecht auszuüben. Eine
große Masse unwissender Menschen vermag nicht auf längere Zeit den


Grenzboten I. 187V. 20
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, I. Semester, I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341823_157636/161>, abgerufen am 02.07.2024.