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Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, I. Semester, I. Band.

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General Grant wirft diese Theorien mitten unter die bestehenden politischen
Parteien, ungeachtet, wie manche versichern, ihrer Wirkung auf die be¬
vorstehende Präsidentschaft-Campagne/ oder in kluger und weitsehender Be¬
rechnung, wie Andere glauben, um die öffentliche Meinung zu beeinflussen.
Nicht mißtrauische Leute, welche eine große Gefahr für das republikanische
Regierungssystem in dem Umstände erblicken, daß die Menge unwissender
Stimmabgeber vornehmlich in großen Städten und im Süden der Union
wächst, sind zunächst geneigt, in dem von Grant empfohlenen Amendement
zur Konstitution, welches das Stimmrecht von einem gewissen Bildungsgrade
abhängig machen will, eine gute und staatsmännische Proposttton zu begrüßen;
allein es giebt auch andere Leute, und zwar solche, die wohlbewandert sind
mit den Kreuz- und Querzügen der Prästdentenmacherkunst, und diese sehen
in dem von Grant proponirten Amendement einen Schachzug für den dritten
Präsidentschaftstermin und meinen, daß er damit auf die Unterstützung des
Südens rechne. Der Süden der Union, welcher gegenwärtig schwer unter
dem Stimmrecht der unwissenden Neger zu leiden hat, würde vielleicht solch
ein Amendement als ein unmittelbares Befreiungsmittel von allen seinen
Uebeln freudig begrüßen. Anderseits darf nicht übersehen werden, daß eine
Maßregel, welche die Einzelstaaten zur Erziehung der unwissenden Massen
von Seiten der Bundesregierung zw in ge, alle Vertheidiger der sogenannten
Staaten-Rechte (LtAte riglits) frappirt, während eben diese Maßregel einer
großen Anzahl von Bürgern, die man als Nationalisten (Xg-tionkIiLts)
bezeichnen könnte und die von dem Bundesregimente alle Reformen und jeden
wirklichen Fortschritt erhoffen, sehr gefällt.*) Bor wenigen Jahren wurde
im Repräsentantenhause des Kongresses ein Gesetzentwurf berathen, welcher
der Unionsregierung die Macht und das Recht verlieh, in denjenigen Etnzel-
staaten der Union Volksschulen (Lowinon sekools) zu errichten, welche die
Errichtung solcher Schulen vernachlässigten oder verweigerten. Dieser Gesetz¬
entwurf fiel aber gewaltig durch, obschon die Partei der Republikaner da¬
mals eine entscheidende Majorität hatte und die Centralisationsbestrebungen
mächtiger waren, als sie es jetzt sind. Der Haupteinwand gegen die Bill
ging damals, ganz abgesehen von der gefürchteten Stärkung der föderalen
Exekutive, dahin, daß Schulen und Bildungsanstalten wenig Werth haben
würden, wenn sie nicht von der lokalen öffentlichen Meinung (Ioeg.1 publie
söntimtint) unterstützt und gepflegt würden. -- Die Bemerkungen, welche der
Präsident über den Ausschluß des religiösen Sektenwesens von den



*) Das Obige erinnert lebhaft an die Diskussion, welche vor einiger Zeit in der deut¬
schen Presse über die Frage stattfand, ob es nicht zweckmäßig sei, alle Unterrichts- und Bil-
dungsanstolten, kurz das Schulwesen in Deutschland, der Competenz des deutschen Reiches zu
überweisen.

General Grant wirft diese Theorien mitten unter die bestehenden politischen
Parteien, ungeachtet, wie manche versichern, ihrer Wirkung auf die be¬
vorstehende Präsidentschaft-Campagne/ oder in kluger und weitsehender Be¬
rechnung, wie Andere glauben, um die öffentliche Meinung zu beeinflussen.
Nicht mißtrauische Leute, welche eine große Gefahr für das republikanische
Regierungssystem in dem Umstände erblicken, daß die Menge unwissender
Stimmabgeber vornehmlich in großen Städten und im Süden der Union
wächst, sind zunächst geneigt, in dem von Grant empfohlenen Amendement
zur Konstitution, welches das Stimmrecht von einem gewissen Bildungsgrade
abhängig machen will, eine gute und staatsmännische Proposttton zu begrüßen;
allein es giebt auch andere Leute, und zwar solche, die wohlbewandert sind
mit den Kreuz- und Querzügen der Prästdentenmacherkunst, und diese sehen
in dem von Grant proponirten Amendement einen Schachzug für den dritten
Präsidentschaftstermin und meinen, daß er damit auf die Unterstützung des
Südens rechne. Der Süden der Union, welcher gegenwärtig schwer unter
dem Stimmrecht der unwissenden Neger zu leiden hat, würde vielleicht solch
ein Amendement als ein unmittelbares Befreiungsmittel von allen seinen
Uebeln freudig begrüßen. Anderseits darf nicht übersehen werden, daß eine
Maßregel, welche die Einzelstaaten zur Erziehung der unwissenden Massen
von Seiten der Bundesregierung zw in ge, alle Vertheidiger der sogenannten
Staaten-Rechte (LtAte riglits) frappirt, während eben diese Maßregel einer
großen Anzahl von Bürgern, die man als Nationalisten (Xg-tionkIiLts)
bezeichnen könnte und die von dem Bundesregimente alle Reformen und jeden
wirklichen Fortschritt erhoffen, sehr gefällt.*) Bor wenigen Jahren wurde
im Repräsentantenhause des Kongresses ein Gesetzentwurf berathen, welcher
der Unionsregierung die Macht und das Recht verlieh, in denjenigen Etnzel-
staaten der Union Volksschulen (Lowinon sekools) zu errichten, welche die
Errichtung solcher Schulen vernachlässigten oder verweigerten. Dieser Gesetz¬
entwurf fiel aber gewaltig durch, obschon die Partei der Republikaner da¬
mals eine entscheidende Majorität hatte und die Centralisationsbestrebungen
mächtiger waren, als sie es jetzt sind. Der Haupteinwand gegen die Bill
ging damals, ganz abgesehen von der gefürchteten Stärkung der föderalen
Exekutive, dahin, daß Schulen und Bildungsanstalten wenig Werth haben
würden, wenn sie nicht von der lokalen öffentlichen Meinung (Ioeg.1 publie
söntimtint) unterstützt und gepflegt würden. — Die Bemerkungen, welche der
Präsident über den Ausschluß des religiösen Sektenwesens von den



*) Das Obige erinnert lebhaft an die Diskussion, welche vor einiger Zeit in der deut¬
schen Presse über die Frage stattfand, ob es nicht zweckmäßig sei, alle Unterrichts- und Bil-
dungsanstolten, kurz das Schulwesen in Deutschland, der Competenz des deutschen Reiches zu
überweisen.
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[0160] General Grant wirft diese Theorien mitten unter die bestehenden politischen Parteien, ungeachtet, wie manche versichern, ihrer Wirkung auf die be¬ vorstehende Präsidentschaft-Campagne/ oder in kluger und weitsehender Be¬ rechnung, wie Andere glauben, um die öffentliche Meinung zu beeinflussen. Nicht mißtrauische Leute, welche eine große Gefahr für das republikanische Regierungssystem in dem Umstände erblicken, daß die Menge unwissender Stimmabgeber vornehmlich in großen Städten und im Süden der Union wächst, sind zunächst geneigt, in dem von Grant empfohlenen Amendement zur Konstitution, welches das Stimmrecht von einem gewissen Bildungsgrade abhängig machen will, eine gute und staatsmännische Proposttton zu begrüßen; allein es giebt auch andere Leute, und zwar solche, die wohlbewandert sind mit den Kreuz- und Querzügen der Prästdentenmacherkunst, und diese sehen in dem von Grant proponirten Amendement einen Schachzug für den dritten Präsidentschaftstermin und meinen, daß er damit auf die Unterstützung des Südens rechne. Der Süden der Union, welcher gegenwärtig schwer unter dem Stimmrecht der unwissenden Neger zu leiden hat, würde vielleicht solch ein Amendement als ein unmittelbares Befreiungsmittel von allen seinen Uebeln freudig begrüßen. Anderseits darf nicht übersehen werden, daß eine Maßregel, welche die Einzelstaaten zur Erziehung der unwissenden Massen von Seiten der Bundesregierung zw in ge, alle Vertheidiger der sogenannten Staaten-Rechte (LtAte riglits) frappirt, während eben diese Maßregel einer großen Anzahl von Bürgern, die man als Nationalisten (Xg-tionkIiLts) bezeichnen könnte und die von dem Bundesregimente alle Reformen und jeden wirklichen Fortschritt erhoffen, sehr gefällt.*) Bor wenigen Jahren wurde im Repräsentantenhause des Kongresses ein Gesetzentwurf berathen, welcher der Unionsregierung die Macht und das Recht verlieh, in denjenigen Etnzel- staaten der Union Volksschulen (Lowinon sekools) zu errichten, welche die Errichtung solcher Schulen vernachlässigten oder verweigerten. Dieser Gesetz¬ entwurf fiel aber gewaltig durch, obschon die Partei der Republikaner da¬ mals eine entscheidende Majorität hatte und die Centralisationsbestrebungen mächtiger waren, als sie es jetzt sind. Der Haupteinwand gegen die Bill ging damals, ganz abgesehen von der gefürchteten Stärkung der föderalen Exekutive, dahin, daß Schulen und Bildungsanstalten wenig Werth haben würden, wenn sie nicht von der lokalen öffentlichen Meinung (Ioeg.1 publie söntimtint) unterstützt und gepflegt würden. — Die Bemerkungen, welche der Präsident über den Ausschluß des religiösen Sektenwesens von den *) Das Obige erinnert lebhaft an die Diskussion, welche vor einiger Zeit in der deut¬ schen Presse über die Frage stattfand, ob es nicht zweckmäßig sei, alle Unterrichts- und Bil- dungsanstolten, kurz das Schulwesen in Deutschland, der Competenz des deutschen Reiches zu überweisen.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, I. Semester, I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341823_157636/160>, abgerufen am 01.07.2024.