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Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, I. Semester, I. Band.

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Mangel an Einheit dem Herzoge nicht nur die Mittel gelassen, kurz nach der
Niederlage mit schwacher Kraft ungestraft in die Waal zu ziehn, sondern
bei Lausanne auch eine neue Macht zu sammeln, von der doch unzweifelhaft
war, daß sie abermals gegen den Bund gewendet werden würde. Hier zeigt
sich recht deutlich das Fehlerhafte der eidgenössischen Kriegsverfassung, bei der
das Meiste lediglich vom guten Willen der Glieder abhtng.

Die Grenzhut der Schweizer war in folgender Weise geordnet: Zu¬
wachse bedroht schien Freiburg, welches außer seiner Bürgerschaft elsässische
Bundestruppen, und 1000 Mann der acht alten Orte unter Hans Waldmann
hüteten. -- Murten war von bernischen und freiburgischen Mannschaften be¬
sehe und dabei die Vorsicht gebraucht, immer von zwei nahen Blutsver¬
wandten den einen in diese Vorburg Beruf, den andern ins künftige Kriegs¬
heer zu befehligen, um dies desto sicherer für die Erhaltung Murtens zu inter-
esstren. Adrian v. Bubenberg übernahm am 8. April das Kommando
^eher Stadt. -- Das Sanethal deckte Graf Ludwig von Greyers (Gruyöres);
Pässe am Bernhardsberge und Se. Maurice beobachteten die Walliser. --
>M Westen, an der Grenze von Burgund, hatten die Berner Grandson wie¬
der besetzt, und ebenso deckten sie den Verriörepaß sowie Neuenburg. Einigen
Entsendungen dieser Grenzhuttruppen glückten gelegentliche Streifzüge in der
Achtung auf den Lemar und den großen Se. Bernhard sehr wol.

Seit Karl der Kühne nach Lausanne gezogen, schien es den Eidgenossen
aber doch geboten, ernstere Gegenmaßregeln zu treffen, und sie kamen am
^- März nach Luzern zur Tagsatzung. Man rief die Niedere Vereinigung
wieder zur Hilfe auf, und Bern erläuterte, in wiefern es Murten als eine
^orrnauer zu seinem eigenen Schutz betrachte, und wie es nöthig sei, diese
^labt unter allen Umständen zu halten. Doch gerade über diesen wichtigen
Punkt vermochte man sich nicht zu einigen, und noch weniger gelangte man
dazu, sich jetzt, wo doch immer noch der günstigste Augenblick gewesen wäre,
ZU einer Angriffsunternehmung aufzuraffen. Nur Freiburg und Bern wagten
Mer Handstreich gegen die in burgundischen Besitz befindliche, ihnen höchst
unbequeme Feste Romont, die, nur 3 Meilen von Freiburg entfernt, gerade¬
zu wie eine Etappe von Lausanne her erschien. Der mit zu geringen Kräften
ins Werk gesetzte Streifzug mislang jedoch.

Da Karl nun erkannte, daß er eine größere offensive Unternehmung
ducht mehr zu besorgen hätte, so blieb er bei Lausanne stehn, um sein Heer
zu verstärken. Im Lager dauerten die alten Zustände fort; zwischen den
^uglischen und italienischen Söldnern kam es zu blutigen Auftritten in voller
Schlachtordnung, die der Fürst kaum zu stillen vermochte, und noch Ende
^prit war es ihm nicht gelungen, alle Truppen in das Lager zu ziehn. Nicht
^nig Schuld bei dieser schlechten Mannszucht trug das Zurückhalten des

Grenzboten I. 187". 13


Mangel an Einheit dem Herzoge nicht nur die Mittel gelassen, kurz nach der
Niederlage mit schwacher Kraft ungestraft in die Waal zu ziehn, sondern
bei Lausanne auch eine neue Macht zu sammeln, von der doch unzweifelhaft
war, daß sie abermals gegen den Bund gewendet werden würde. Hier zeigt
sich recht deutlich das Fehlerhafte der eidgenössischen Kriegsverfassung, bei der
das Meiste lediglich vom guten Willen der Glieder abhtng.

Die Grenzhut der Schweizer war in folgender Weise geordnet: Zu¬
wachse bedroht schien Freiburg, welches außer seiner Bürgerschaft elsässische
Bundestruppen, und 1000 Mann der acht alten Orte unter Hans Waldmann
hüteten. — Murten war von bernischen und freiburgischen Mannschaften be¬
sehe und dabei die Vorsicht gebraucht, immer von zwei nahen Blutsver¬
wandten den einen in diese Vorburg Beruf, den andern ins künftige Kriegs¬
heer zu befehligen, um dies desto sicherer für die Erhaltung Murtens zu inter-
esstren. Adrian v. Bubenberg übernahm am 8. April das Kommando
^eher Stadt. — Das Sanethal deckte Graf Ludwig von Greyers (Gruyöres);
Pässe am Bernhardsberge und Se. Maurice beobachteten die Walliser. —
>M Westen, an der Grenze von Burgund, hatten die Berner Grandson wie¬
der besetzt, und ebenso deckten sie den Verriörepaß sowie Neuenburg. Einigen
Entsendungen dieser Grenzhuttruppen glückten gelegentliche Streifzüge in der
Achtung auf den Lemar und den großen Se. Bernhard sehr wol.

Seit Karl der Kühne nach Lausanne gezogen, schien es den Eidgenossen
aber doch geboten, ernstere Gegenmaßregeln zu treffen, und sie kamen am
^- März nach Luzern zur Tagsatzung. Man rief die Niedere Vereinigung
wieder zur Hilfe auf, und Bern erläuterte, in wiefern es Murten als eine
^orrnauer zu seinem eigenen Schutz betrachte, und wie es nöthig sei, diese
^labt unter allen Umständen zu halten. Doch gerade über diesen wichtigen
Punkt vermochte man sich nicht zu einigen, und noch weniger gelangte man
dazu, sich jetzt, wo doch immer noch der günstigste Augenblick gewesen wäre,
ZU einer Angriffsunternehmung aufzuraffen. Nur Freiburg und Bern wagten
Mer Handstreich gegen die in burgundischen Besitz befindliche, ihnen höchst
unbequeme Feste Romont, die, nur 3 Meilen von Freiburg entfernt, gerade¬
zu wie eine Etappe von Lausanne her erschien. Der mit zu geringen Kräften
ins Werk gesetzte Streifzug mislang jedoch.

Da Karl nun erkannte, daß er eine größere offensive Unternehmung
ducht mehr zu besorgen hätte, so blieb er bei Lausanne stehn, um sein Heer
zu verstärken. Im Lager dauerten die alten Zustände fort; zwischen den
^uglischen und italienischen Söldnern kam es zu blutigen Auftritten in voller
Schlachtordnung, die der Fürst kaum zu stillen vermochte, und noch Ende
^prit war es ihm nicht gelungen, alle Truppen in das Lager zu ziehn. Nicht
^nig Schuld bei dieser schlechten Mannszucht trug das Zurückhalten des

Grenzboten I. 187». 13


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[0105] Mangel an Einheit dem Herzoge nicht nur die Mittel gelassen, kurz nach der Niederlage mit schwacher Kraft ungestraft in die Waal zu ziehn, sondern bei Lausanne auch eine neue Macht zu sammeln, von der doch unzweifelhaft war, daß sie abermals gegen den Bund gewendet werden würde. Hier zeigt sich recht deutlich das Fehlerhafte der eidgenössischen Kriegsverfassung, bei der das Meiste lediglich vom guten Willen der Glieder abhtng. Die Grenzhut der Schweizer war in folgender Weise geordnet: Zu¬ wachse bedroht schien Freiburg, welches außer seiner Bürgerschaft elsässische Bundestruppen, und 1000 Mann der acht alten Orte unter Hans Waldmann hüteten. — Murten war von bernischen und freiburgischen Mannschaften be¬ sehe und dabei die Vorsicht gebraucht, immer von zwei nahen Blutsver¬ wandten den einen in diese Vorburg Beruf, den andern ins künftige Kriegs¬ heer zu befehligen, um dies desto sicherer für die Erhaltung Murtens zu inter- esstren. Adrian v. Bubenberg übernahm am 8. April das Kommando ^eher Stadt. — Das Sanethal deckte Graf Ludwig von Greyers (Gruyöres); Pässe am Bernhardsberge und Se. Maurice beobachteten die Walliser. — >M Westen, an der Grenze von Burgund, hatten die Berner Grandson wie¬ der besetzt, und ebenso deckten sie den Verriörepaß sowie Neuenburg. Einigen Entsendungen dieser Grenzhuttruppen glückten gelegentliche Streifzüge in der Achtung auf den Lemar und den großen Se. Bernhard sehr wol. Seit Karl der Kühne nach Lausanne gezogen, schien es den Eidgenossen aber doch geboten, ernstere Gegenmaßregeln zu treffen, und sie kamen am ^- März nach Luzern zur Tagsatzung. Man rief die Niedere Vereinigung wieder zur Hilfe auf, und Bern erläuterte, in wiefern es Murten als eine ^orrnauer zu seinem eigenen Schutz betrachte, und wie es nöthig sei, diese ^labt unter allen Umständen zu halten. Doch gerade über diesen wichtigen Punkt vermochte man sich nicht zu einigen, und noch weniger gelangte man dazu, sich jetzt, wo doch immer noch der günstigste Augenblick gewesen wäre, ZU einer Angriffsunternehmung aufzuraffen. Nur Freiburg und Bern wagten Mer Handstreich gegen die in burgundischen Besitz befindliche, ihnen höchst unbequeme Feste Romont, die, nur 3 Meilen von Freiburg entfernt, gerade¬ zu wie eine Etappe von Lausanne her erschien. Der mit zu geringen Kräften ins Werk gesetzte Streifzug mislang jedoch. Da Karl nun erkannte, daß er eine größere offensive Unternehmung ducht mehr zu besorgen hätte, so blieb er bei Lausanne stehn, um sein Heer zu verstärken. Im Lager dauerten die alten Zustände fort; zwischen den ^uglischen und italienischen Söldnern kam es zu blutigen Auftritten in voller Schlachtordnung, die der Fürst kaum zu stillen vermochte, und noch Ende ^prit war es ihm nicht gelungen, alle Truppen in das Lager zu ziehn. Nicht ^nig Schuld bei dieser schlechten Mannszucht trug das Zurückhalten des Grenzboten I. 187». 13

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, I. Semester, I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341823_157636/105>, abgerufen am 23.07.2024.