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Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, II. Semester. I. Band.

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Male. Frisch auf und habe einen guten Muth, es giebt Kegel und Hut,
Mantel und Röcke, Ziegen und Böcke, Messer und Schwert, Spieße und
Stangen, mein Ziegenschurz thut verlangen, daß er bald möchte eines ehr¬
lichen Gesellen würdig werden. So sei doch nun unverzagt, siehest Du doch
schon wie ein halber Geselle. Nun mit Gunst, Meister und Gesellen, stillet
euch ein wenig , so will ich Handwerksgewohnheit erzählen, damit er sich aus
der Wanderschaft recht weiß zu verhalten. So höre nun fleißig darauf; denn
alles dasjenige, was ich Dir jetzt erzähle, das sind eitel Handwerkssachen,
darnach Du Dich mußt richten und achten." . . .

Der Schleifpfaffe tritt nun aus dem märchenhaften Gebiet, aus dem sich
seine Unterweisung und Ermahnung bisher bewegt hat, in das Bereich des
practischen Lebens und giebt dem Ziegenschurz allerlei Regeln, die er beim
Einzug in eine Stadt, aus der Herberge, beim Aufsuchen von Arbeit, beim
Abholen des Geschenkes und im Verkehr mit der Gesellenschaft fremder Orte
zu beobachten hat. Ich theile davon nur das mit, was dem Aspiranten in
Betreff seines Verhaltens am Stadtthore gerathen wird. Der Redner sagt
in*dieser Beziehung:

"Wenn Du weiter gehest, so wirst Du kommen vor eine Stadt. Wenn
Du nahe hinzu bist, so setze Dich eine Weile nieder, lege ein paar gute Schuhe
und Strümpfe an, thue einen weißen Ueberschlag um und gehe hernach in
die Stadt hinein. Wenn Du nun wirst zum Thore hineingehen, so wird
Dich der Thorwärter anschreien und sagen: Woher, Junggeselle? Denn die
Thorwärter sein zuweilen auch spitzfindig, sie wollen immer gerne was Neues
erfahren. So thue Du, als wenn Du es nicht hörtest, und gehe immer fort.
Schreit er Dich alsdann wieder an, so schreie zurück und sprich zu ihm: Da
komme ich aus dem Lande, das nicht mein ist. So werden ihn die Andern
auslachen, und wird ihm ein großer Spott sein, daß er Dich gefragt hat.
Willst Du das thun?"

Antwort: "Ja."

"El das sollst Du nicht thun, sondern, wenn Dich jemand fragt, so
unterrichte ihn und sprich: da und da komme ich her; denn es ist an manchen
Orten der Gebrauch, daß man den Handwerksburschen nicht pfleget einzulassen,
er muß zuvor den Namen von sich geben, oder er muß sein Bündel unter
dem Thore ablegen und das Zeichen holen (das aus der Herberge lag und
dem Reisenden zu seiner Legitimation beim Thorschreiber übergeben wurde,
nachdem er sich beim Herbergsvater als zu dem betreffenden Handwerke ge¬
hörig zu erkennen gegeben hatte), so wird Dir es der Thorwärter schon sagen
und sprechen: Gesellschaft, wie heißt Ihr mit Eurem Namen? Den sage ihm
willig und dann frage ihn: Mein guter Freund, berichtet mich doch, bei


Male. Frisch auf und habe einen guten Muth, es giebt Kegel und Hut,
Mantel und Röcke, Ziegen und Böcke, Messer und Schwert, Spieße und
Stangen, mein Ziegenschurz thut verlangen, daß er bald möchte eines ehr¬
lichen Gesellen würdig werden. So sei doch nun unverzagt, siehest Du doch
schon wie ein halber Geselle. Nun mit Gunst, Meister und Gesellen, stillet
euch ein wenig , so will ich Handwerksgewohnheit erzählen, damit er sich aus
der Wanderschaft recht weiß zu verhalten. So höre nun fleißig darauf; denn
alles dasjenige, was ich Dir jetzt erzähle, das sind eitel Handwerkssachen,
darnach Du Dich mußt richten und achten." . . .

Der Schleifpfaffe tritt nun aus dem märchenhaften Gebiet, aus dem sich
seine Unterweisung und Ermahnung bisher bewegt hat, in das Bereich des
practischen Lebens und giebt dem Ziegenschurz allerlei Regeln, die er beim
Einzug in eine Stadt, aus der Herberge, beim Aufsuchen von Arbeit, beim
Abholen des Geschenkes und im Verkehr mit der Gesellenschaft fremder Orte
zu beobachten hat. Ich theile davon nur das mit, was dem Aspiranten in
Betreff seines Verhaltens am Stadtthore gerathen wird. Der Redner sagt
in*dieser Beziehung:

„Wenn Du weiter gehest, so wirst Du kommen vor eine Stadt. Wenn
Du nahe hinzu bist, so setze Dich eine Weile nieder, lege ein paar gute Schuhe
und Strümpfe an, thue einen weißen Ueberschlag um und gehe hernach in
die Stadt hinein. Wenn Du nun wirst zum Thore hineingehen, so wird
Dich der Thorwärter anschreien und sagen: Woher, Junggeselle? Denn die
Thorwärter sein zuweilen auch spitzfindig, sie wollen immer gerne was Neues
erfahren. So thue Du, als wenn Du es nicht hörtest, und gehe immer fort.
Schreit er Dich alsdann wieder an, so schreie zurück und sprich zu ihm: Da
komme ich aus dem Lande, das nicht mein ist. So werden ihn die Andern
auslachen, und wird ihm ein großer Spott sein, daß er Dich gefragt hat.
Willst Du das thun?"

Antwort: „Ja."

„El das sollst Du nicht thun, sondern, wenn Dich jemand fragt, so
unterrichte ihn und sprich: da und da komme ich her; denn es ist an manchen
Orten der Gebrauch, daß man den Handwerksburschen nicht pfleget einzulassen,
er muß zuvor den Namen von sich geben, oder er muß sein Bündel unter
dem Thore ablegen und das Zeichen holen (das aus der Herberge lag und
dem Reisenden zu seiner Legitimation beim Thorschreiber übergeben wurde,
nachdem er sich beim Herbergsvater als zu dem betreffenden Handwerke ge¬
hörig zu erkennen gegeben hatte), so wird Dir es der Thorwärter schon sagen
und sprechen: Gesellschaft, wie heißt Ihr mit Eurem Namen? Den sage ihm
willig und dann frage ihn: Mein guter Freund, berichtet mich doch, bei


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341821_148602/96>, abgerufen am 29.06.2024.