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Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, II. Semester. I. Band.

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aber einer etwas auf diesen gegenwärtigen Ziegenschurz, so soll derselbe nicht
so würdig und werth gehalten werden, daß er von mir oder von einem ehr¬
samen ganzen Handwerk zu einem Gesellen gemacht werden soll. Weiß aber
einer etwas auf seinen Lehrmeister, so wird derselbige sich auch willig strafen
lassen.... So aber keiner nichts weiß, so wollen wir etwas Anderes an¬
sahen, der Tag wartet unser nicht, viel weniger Zeit und Stunde. So mit
Gunst, Meister und Gesellen, daß der Ziegenschurz mag auf den Tisch steigen.
So mit Gunst, daß der Ziegenschurz mag auf dem Schemel sitzen. So
mit Gunst, daß ich mag um den Tisch rum gehen und sehen, ob der Tisch
auch wohl verleitet ist, damit ich und mein Ziegenschurz nicht herunterfallen.
Ich sage mit Gunst, Meister und Gesellen, daß ich mag aus den Tisch steigen.
Ich sage mit Gunst, daß ich mag dem Ziegenschurz in die Haare greisen, ich
in die seinen und er nicht in die meinen; denn so würden wir der Sache nicht
lange eins bleiben, es würde uns der Tisch zu schmal, die Stube zu enge, die
Thüre und Fenster viel zu wenig sein."

Der Candidat zur Gesellenwürde, der einen Schemel auf der Schulter
mitgebracht hat, setzt nun diesen auf den Tisch und sich auf den Schemel,
und jeder von den anwesenden Gesellen zieht ihm diesen dreimal weg, sodaß
er auf den Tisch fällt. Der Schleifpfaffe aber zerrt ihn bei den Haaren wie¬
der in die Höhe, was "Schleifen" genannt wird, und begießt ihn dabei mit
Bier, worauf er fortfährt:

"Nun wohlan, das Haupt, aus das ich greife, das ist hohl wie eine
Pfeife, darunter ist ein rother Mund, darein schickt sich ein guter Bissen wie
ein guter Trunk. Nun, mein lieber N. N., wenn ich dich schleifen und segnen
soll, so ist hier und anderswo mehr Handwerksgewohnheit, daß neben dem
Schleifpfaffen man auch muß zwei Schleifgöttinnen haben. So sieh' Dich um
allhier unter den Gesellen, lies Dir einen oder zwei aus, die neben mir Deine
Schleifgöttinnen seien."

Sobald dies geschehen, fragt der Redner:

"Nachdem Du nun einen Schleifpfaffen und zwei Schleifgöttinnen hast,
so will ich Dich gefragt haben: wie willst Du mit Deinem Schleifnamen
heißen? Erwähle Dir einen seinen, der kurzweilig ist, und der den Jung¬
frauen wohl gefällt. Denn wenn einer einen kurzweiligen Namen hat, so
trinkt ihm jedermann eher ein Glas Bier oder Wein zu, deß er sonst wohl
darben müßte. Sage nun, wie willst Du heißen? Hans Springinsfeld oder
Hans Saufaus oder Hans Frißumsonst oder Hans Seltenfrühlich oder Urvan,
mache Leim warm oder Velten Stemshorn oder was sonst der Namen mehr
sein? Nun, Du sollst bei Deinem Taufnamen bleiben.

So mit Gunst, günstige liebe Meister und Gesellen: er will mit seinem
Schleifnamen N. heißen. Ist einer oder der andere da, der also heißet, so


aber einer etwas auf diesen gegenwärtigen Ziegenschurz, so soll derselbe nicht
so würdig und werth gehalten werden, daß er von mir oder von einem ehr¬
samen ganzen Handwerk zu einem Gesellen gemacht werden soll. Weiß aber
einer etwas auf seinen Lehrmeister, so wird derselbige sich auch willig strafen
lassen.... So aber keiner nichts weiß, so wollen wir etwas Anderes an¬
sahen, der Tag wartet unser nicht, viel weniger Zeit und Stunde. So mit
Gunst, Meister und Gesellen, daß der Ziegenschurz mag auf den Tisch steigen.
So mit Gunst, daß der Ziegenschurz mag auf dem Schemel sitzen. So
mit Gunst, daß ich mag um den Tisch rum gehen und sehen, ob der Tisch
auch wohl verleitet ist, damit ich und mein Ziegenschurz nicht herunterfallen.
Ich sage mit Gunst, Meister und Gesellen, daß ich mag aus den Tisch steigen.
Ich sage mit Gunst, daß ich mag dem Ziegenschurz in die Haare greisen, ich
in die seinen und er nicht in die meinen; denn so würden wir der Sache nicht
lange eins bleiben, es würde uns der Tisch zu schmal, die Stube zu enge, die
Thüre und Fenster viel zu wenig sein."

Der Candidat zur Gesellenwürde, der einen Schemel auf der Schulter
mitgebracht hat, setzt nun diesen auf den Tisch und sich auf den Schemel,
und jeder von den anwesenden Gesellen zieht ihm diesen dreimal weg, sodaß
er auf den Tisch fällt. Der Schleifpfaffe aber zerrt ihn bei den Haaren wie¬
der in die Höhe, was „Schleifen" genannt wird, und begießt ihn dabei mit
Bier, worauf er fortfährt:

„Nun wohlan, das Haupt, aus das ich greife, das ist hohl wie eine
Pfeife, darunter ist ein rother Mund, darein schickt sich ein guter Bissen wie
ein guter Trunk. Nun, mein lieber N. N., wenn ich dich schleifen und segnen
soll, so ist hier und anderswo mehr Handwerksgewohnheit, daß neben dem
Schleifpfaffen man auch muß zwei Schleifgöttinnen haben. So sieh' Dich um
allhier unter den Gesellen, lies Dir einen oder zwei aus, die neben mir Deine
Schleifgöttinnen seien."

Sobald dies geschehen, fragt der Redner:

„Nachdem Du nun einen Schleifpfaffen und zwei Schleifgöttinnen hast,
so will ich Dich gefragt haben: wie willst Du mit Deinem Schleifnamen
heißen? Erwähle Dir einen seinen, der kurzweilig ist, und der den Jung¬
frauen wohl gefällt. Denn wenn einer einen kurzweiligen Namen hat, so
trinkt ihm jedermann eher ein Glas Bier oder Wein zu, deß er sonst wohl
darben müßte. Sage nun, wie willst Du heißen? Hans Springinsfeld oder
Hans Saufaus oder Hans Frißumsonst oder Hans Seltenfrühlich oder Urvan,
mache Leim warm oder Velten Stemshorn oder was sonst der Namen mehr
sein? Nun, Du sollst bei Deinem Taufnamen bleiben.

So mit Gunst, günstige liebe Meister und Gesellen: er will mit seinem
Schleifnamen N. heißen. Ist einer oder der andere da, der also heißet, so


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[0092] aber einer etwas auf diesen gegenwärtigen Ziegenschurz, so soll derselbe nicht so würdig und werth gehalten werden, daß er von mir oder von einem ehr¬ samen ganzen Handwerk zu einem Gesellen gemacht werden soll. Weiß aber einer etwas auf seinen Lehrmeister, so wird derselbige sich auch willig strafen lassen.... So aber keiner nichts weiß, so wollen wir etwas Anderes an¬ sahen, der Tag wartet unser nicht, viel weniger Zeit und Stunde. So mit Gunst, Meister und Gesellen, daß der Ziegenschurz mag auf den Tisch steigen. So mit Gunst, daß der Ziegenschurz mag auf dem Schemel sitzen. So mit Gunst, daß ich mag um den Tisch rum gehen und sehen, ob der Tisch auch wohl verleitet ist, damit ich und mein Ziegenschurz nicht herunterfallen. Ich sage mit Gunst, Meister und Gesellen, daß ich mag aus den Tisch steigen. Ich sage mit Gunst, daß ich mag dem Ziegenschurz in die Haare greisen, ich in die seinen und er nicht in die meinen; denn so würden wir der Sache nicht lange eins bleiben, es würde uns der Tisch zu schmal, die Stube zu enge, die Thüre und Fenster viel zu wenig sein." Der Candidat zur Gesellenwürde, der einen Schemel auf der Schulter mitgebracht hat, setzt nun diesen auf den Tisch und sich auf den Schemel, und jeder von den anwesenden Gesellen zieht ihm diesen dreimal weg, sodaß er auf den Tisch fällt. Der Schleifpfaffe aber zerrt ihn bei den Haaren wie¬ der in die Höhe, was „Schleifen" genannt wird, und begießt ihn dabei mit Bier, worauf er fortfährt: „Nun wohlan, das Haupt, aus das ich greife, das ist hohl wie eine Pfeife, darunter ist ein rother Mund, darein schickt sich ein guter Bissen wie ein guter Trunk. Nun, mein lieber N. N., wenn ich dich schleifen und segnen soll, so ist hier und anderswo mehr Handwerksgewohnheit, daß neben dem Schleifpfaffen man auch muß zwei Schleifgöttinnen haben. So sieh' Dich um allhier unter den Gesellen, lies Dir einen oder zwei aus, die neben mir Deine Schleifgöttinnen seien." Sobald dies geschehen, fragt der Redner: „Nachdem Du nun einen Schleifpfaffen und zwei Schleifgöttinnen hast, so will ich Dich gefragt haben: wie willst Du mit Deinem Schleifnamen heißen? Erwähle Dir einen seinen, der kurzweilig ist, und der den Jung¬ frauen wohl gefällt. Denn wenn einer einen kurzweiligen Namen hat, so trinkt ihm jedermann eher ein Glas Bier oder Wein zu, deß er sonst wohl darben müßte. Sage nun, wie willst Du heißen? Hans Springinsfeld oder Hans Saufaus oder Hans Frißumsonst oder Hans Seltenfrühlich oder Urvan, mache Leim warm oder Velten Stemshorn oder was sonst der Namen mehr sein? Nun, Du sollst bei Deinem Taufnamen bleiben. So mit Gunst, günstige liebe Meister und Gesellen: er will mit seinem Schleifnamen N. heißen. Ist einer oder der andere da, der also heißet, so

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341821_148602/92>, abgerufen am 28.09.2024.