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Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, II. Semester. I. Band.

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wollen wir eine Weile diesen unter die Bank stecken und jenen schleifen, ist
aber keiner da, so wollen wir den behalten und schleifen." ^

Die Versammlung schweigt, und der Schleifpfaffe fährt, zu dem Candi-
daten gewendet, fort:

"Wohlan denn, mein lieber N.. so will ich Dich nun fragen, was Du
zum Namengelde giebst. Verehre denen Gesellen eine Kuh und ein Kalb, da¬
zu ein fettes Schwein und ein paar Hühner und Gänse, ein Faß Bier und
ein Faß Wein, das liegt Alles zu Köln am Rhein. Nun hast du aber weder
Roß noch Wagen und kannst solches auf Deinem Buckel nicht selbst hertragen.
Was gedenkst Du denn zu geben?"

Der Ziegenschurz nennt die Summe, und der Redner fragt nun dessen
Lehrherrn:

"Mit Gunst. Meister N. N., habt Ihr Euren Jungen auf diesmal aus¬
gelernt? Hat er Euch auch viel Holz und Reisen zerweicht und zerbrochen?
Ist er oft bei Bier und Wein gewest und schönen Jungfrauen nachgelaufen?
Hat er gerne gespielet und wacker geturnieret? Hat er gerne lange geschlafen
und wenig gearbeitet, oft gegessen und zeitig Feierabend gemacht? Hat er
auch seine Lehrjahre ausgestanden, wie es einem ehrlichen Jungen gebührt?"

Antwort: "Ja."

"Hast Du denn nun ganz ausgelernt?"

Antwort: "Ja."

"El Du kannst gar nicht ausgelernt haben; denn schau Dich ein wenig
um hier unter den Meistern und Gesellen, wie so feine alte Meister und Ge¬
sellen hier sein. Doch hat noch keiner ausgelernt, und Du willst schon aus¬
gelernt haben? Das ist noch weit gefehlt. Gedenkst Du auch Meister zu
werden?"

Antwort: "Ja."

"El Du mußt zu vor Geselle werden?" Gedenkst Du auch zu
wandern?"

Antwort: "Ja."

"Wo willst Du hinausziehen? Du kannst nicht gleich zum Thore hinaus¬
wandern, sondern Du mußt zuvörderst aus Deines Meisters Thür hinaus,
und so machst Du kein Loch durch die Mauer, es fällt Dir auch kein Stein
oder Ziegel auf den Kopf; denn wenn Du ein Loch durch die Mauer machtest
so würden die Herren (vom Rathe) nicht mit Dir zufrieden sein, Du müßtest
es wieder machen lassen." . .. Hier ist eine Lücke, in der wahrscheinlich früher
ungefähr das stand, was die Schmiede an dieser Stelle der Aufnahmeceremonie
sagen, also etwa: "So nimm einen ehrlichen Abschied von dem Meister,
Sonntags zu Mittag nach dem Essen, nicht in der Woche, und sprich: Lehr¬
meister, ich sage Euch Dank, daß Ihr mir zu einem ehrlichen Handwerk habt


wollen wir eine Weile diesen unter die Bank stecken und jenen schleifen, ist
aber keiner da, so wollen wir den behalten und schleifen." ^

Die Versammlung schweigt, und der Schleifpfaffe fährt, zu dem Candi-
daten gewendet, fort:

„Wohlan denn, mein lieber N.. so will ich Dich nun fragen, was Du
zum Namengelde giebst. Verehre denen Gesellen eine Kuh und ein Kalb, da¬
zu ein fettes Schwein und ein paar Hühner und Gänse, ein Faß Bier und
ein Faß Wein, das liegt Alles zu Köln am Rhein. Nun hast du aber weder
Roß noch Wagen und kannst solches auf Deinem Buckel nicht selbst hertragen.
Was gedenkst Du denn zu geben?"

Der Ziegenschurz nennt die Summe, und der Redner fragt nun dessen
Lehrherrn:

„Mit Gunst. Meister N. N., habt Ihr Euren Jungen auf diesmal aus¬
gelernt? Hat er Euch auch viel Holz und Reisen zerweicht und zerbrochen?
Ist er oft bei Bier und Wein gewest und schönen Jungfrauen nachgelaufen?
Hat er gerne gespielet und wacker geturnieret? Hat er gerne lange geschlafen
und wenig gearbeitet, oft gegessen und zeitig Feierabend gemacht? Hat er
auch seine Lehrjahre ausgestanden, wie es einem ehrlichen Jungen gebührt?"

Antwort: „Ja."

„Hast Du denn nun ganz ausgelernt?"

Antwort: „Ja."

„El Du kannst gar nicht ausgelernt haben; denn schau Dich ein wenig
um hier unter den Meistern und Gesellen, wie so feine alte Meister und Ge¬
sellen hier sein. Doch hat noch keiner ausgelernt, und Du willst schon aus¬
gelernt haben? Das ist noch weit gefehlt. Gedenkst Du auch Meister zu
werden?"

Antwort: „Ja."

„El Du mußt zu vor Geselle werden?" Gedenkst Du auch zu
wandern?"

Antwort: „Ja."

„Wo willst Du hinausziehen? Du kannst nicht gleich zum Thore hinaus¬
wandern, sondern Du mußt zuvörderst aus Deines Meisters Thür hinaus,
und so machst Du kein Loch durch die Mauer, es fällt Dir auch kein Stein
oder Ziegel auf den Kopf; denn wenn Du ein Loch durch die Mauer machtest
so würden die Herren (vom Rathe) nicht mit Dir zufrieden sein, Du müßtest
es wieder machen lassen." . .. Hier ist eine Lücke, in der wahrscheinlich früher
ungefähr das stand, was die Schmiede an dieser Stelle der Aufnahmeceremonie
sagen, also etwa: „So nimm einen ehrlichen Abschied von dem Meister,
Sonntags zu Mittag nach dem Essen, nicht in der Woche, und sprich: Lehr¬
meister, ich sage Euch Dank, daß Ihr mir zu einem ehrlichen Handwerk habt


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341821_148602/93>, abgerufen am 29.06.2024.