Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, II. Semester. I. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

Petri angeboten haben. Als Majolus dem von ihm selbst bezeichneten Nach¬
folger Odilo --1048 die Regierung des Klosters überließ, beherrschte der
Orden bereits fast die ganze Klostergeistlichkeit Frankreichs und Burgunds
und hatte er auf den meisten Thronen mächtige Gönner und Beschützer und
die Cluniacenser gingen jetzt auch schon über den ursprünglichen Zweck:
Reform des Mönchthums hinaus und wollten das kanonische Leben
auch in der Weltgeistlichkeit wieder zur Geltung bringen, auch in
dieser eine Hierarchie wie im Orden aufrichten, in welchem alle Kirchen
unter die Macht des Stuhles Petri, dem sie selbst als Eigenthum an¬
gehörten, gebeugt würden. Sie wollten die pseudoisid orisehen Dekre¬
tale n, welche die Päpste seit geraumer Zeit nicht mehr durchgreifend hatten
zur Anwendung bringen können, durchführen.




Wie ist das nun dem Orden von Cluny gelungen? Zuerst unter
Otto I. kam es wieder zu furchtbaren Verwickelungen für das neudeutsche
Reich. Schon die Beendigung des ersten großen Aufstandes der Großen hatte
Otto I. Einbußen gekostet, welche der Einheit des Regimentes den entschieden¬
sten Eintrag thaten. Sie kostete dem neuen König die Anerkennung des
Herzogthums, welche namentlich nicht dadurch gemildert wurde, daß er das¬
selbe nächsten Verwandten, dem Bruder in Bayern, dem Schwiegersohn in
Lothringen, dem eignen Sohne in Schwaben, dem treuesten Kriegsmanne in
Sachsen gab. Die Verwandtschaft verstärkte eher die Selbständigkeit als daß
es sie schwächte und erleichterte die Erblichkeit des Amts. Jetzt wie die
neue Gemahlin an den Hof kam, brachte sie zugleich an denselben eine ganz
andere Jnteressenverbindung, und diese wieder eine Feindschaft wider schon
bestehende Interessenkreise. Otto hatte aus seiner ersten Ehe mit Prinzessin
Editha von England zwei Kinder, Liudolf und Liutgarde. Jenem gab er
das Herzogthum Schwaben, dieser zum Gemahl den mit dem Herzogthum
Lothringen beliehenen Konrad den Rothen von Franken. Sehr bald nach
Otto's Wiederverheirathung hatte, nach Allem zu schließen -- denn die un¬
mittelbaren Mittheilungen darüber sind nicht vorhanden -- ein natürliches
Mißtrauen des Sohnes erster Ehe gegen die Stiefmutter Anhalt dafür ge"
Wonnen, daß die Nachkommenschaft der zweiten Königin Adelheid der
Anwartschaft Liudolf's schädlich werden dürfte. Es drängte sich dann sehr
bald auch Heinrich von Baiern, der alte Ränkeschmied, wie ihn Giesebrecht
charakterisirt, an die neue Königin schmeichelnd heran und dies beschleunigte
eine innigere Verbindung zwischen Liudolf mit seinem Schwestermann Konrad
von Lothringen, welche einen neuen Aufstand gegen Otto's des Vaters und
Schwiegervaters Regiment entflammte, der wieder erst nach mehrjährigem Kampfe
gedämpft wurde und auch die Ungarn von Neuem in das Reich rief. Ehe


Petri angeboten haben. Als Majolus dem von ihm selbst bezeichneten Nach¬
folger Odilo —1048 die Regierung des Klosters überließ, beherrschte der
Orden bereits fast die ganze Klostergeistlichkeit Frankreichs und Burgunds
und hatte er auf den meisten Thronen mächtige Gönner und Beschützer und
die Cluniacenser gingen jetzt auch schon über den ursprünglichen Zweck:
Reform des Mönchthums hinaus und wollten das kanonische Leben
auch in der Weltgeistlichkeit wieder zur Geltung bringen, auch in
dieser eine Hierarchie wie im Orden aufrichten, in welchem alle Kirchen
unter die Macht des Stuhles Petri, dem sie selbst als Eigenthum an¬
gehörten, gebeugt würden. Sie wollten die pseudoisid orisehen Dekre¬
tale n, welche die Päpste seit geraumer Zeit nicht mehr durchgreifend hatten
zur Anwendung bringen können, durchführen.




Wie ist das nun dem Orden von Cluny gelungen? Zuerst unter
Otto I. kam es wieder zu furchtbaren Verwickelungen für das neudeutsche
Reich. Schon die Beendigung des ersten großen Aufstandes der Großen hatte
Otto I. Einbußen gekostet, welche der Einheit des Regimentes den entschieden¬
sten Eintrag thaten. Sie kostete dem neuen König die Anerkennung des
Herzogthums, welche namentlich nicht dadurch gemildert wurde, daß er das¬
selbe nächsten Verwandten, dem Bruder in Bayern, dem Schwiegersohn in
Lothringen, dem eignen Sohne in Schwaben, dem treuesten Kriegsmanne in
Sachsen gab. Die Verwandtschaft verstärkte eher die Selbständigkeit als daß
es sie schwächte und erleichterte die Erblichkeit des Amts. Jetzt wie die
neue Gemahlin an den Hof kam, brachte sie zugleich an denselben eine ganz
andere Jnteressenverbindung, und diese wieder eine Feindschaft wider schon
bestehende Interessenkreise. Otto hatte aus seiner ersten Ehe mit Prinzessin
Editha von England zwei Kinder, Liudolf und Liutgarde. Jenem gab er
das Herzogthum Schwaben, dieser zum Gemahl den mit dem Herzogthum
Lothringen beliehenen Konrad den Rothen von Franken. Sehr bald nach
Otto's Wiederverheirathung hatte, nach Allem zu schließen — denn die un¬
mittelbaren Mittheilungen darüber sind nicht vorhanden — ein natürliches
Mißtrauen des Sohnes erster Ehe gegen die Stiefmutter Anhalt dafür ge»
Wonnen, daß die Nachkommenschaft der zweiten Königin Adelheid der
Anwartschaft Liudolf's schädlich werden dürfte. Es drängte sich dann sehr
bald auch Heinrich von Baiern, der alte Ränkeschmied, wie ihn Giesebrecht
charakterisirt, an die neue Königin schmeichelnd heran und dies beschleunigte
eine innigere Verbindung zwischen Liudolf mit seinem Schwestermann Konrad
von Lothringen, welche einen neuen Aufstand gegen Otto's des Vaters und
Schwiegervaters Regiment entflammte, der wieder erst nach mehrjährigem Kampfe
gedämpft wurde und auch die Ungarn von Neuem in das Reich rief. Ehe


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0055" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/133873"/>
          <p xml:id="ID_142" prev="#ID_141"> Petri angeboten haben. Als Majolus dem von ihm selbst bezeichneten Nach¬<lb/>
folger Odilo &#x2014;1048 die Regierung des Klosters überließ, beherrschte der<lb/>
Orden bereits fast die ganze Klostergeistlichkeit Frankreichs und Burgunds<lb/>
und hatte er auf den meisten Thronen mächtige Gönner und Beschützer und<lb/>
die Cluniacenser gingen jetzt auch schon über den ursprünglichen Zweck:<lb/>
Reform des Mönchthums hinaus und wollten das kanonische Leben<lb/>
auch in der Weltgeistlichkeit wieder zur Geltung bringen, auch in<lb/>
dieser eine Hierarchie wie im Orden aufrichten, in welchem alle Kirchen<lb/>
unter die Macht des Stuhles Petri, dem sie selbst als Eigenthum an¬<lb/>
gehörten, gebeugt würden. Sie wollten die pseudoisid orisehen Dekre¬<lb/>
tale n, welche die Päpste seit geraumer Zeit nicht mehr durchgreifend hatten<lb/>
zur Anwendung bringen können, durchführen.</p><lb/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
          <p xml:id="ID_143" next="#ID_144"> Wie ist das nun dem Orden von Cluny gelungen?  Zuerst unter<lb/>
Otto I. kam es wieder zu furchtbaren Verwickelungen für das neudeutsche<lb/>
Reich.  Schon die Beendigung des ersten großen Aufstandes der Großen hatte<lb/>
Otto I. Einbußen gekostet, welche der Einheit des Regimentes den entschieden¬<lb/>
sten Eintrag thaten.  Sie kostete dem neuen König die Anerkennung des<lb/>
Herzogthums, welche namentlich nicht dadurch gemildert wurde, daß er das¬<lb/>
selbe nächsten Verwandten, dem Bruder in Bayern, dem Schwiegersohn in<lb/>
Lothringen, dem eignen Sohne in Schwaben, dem treuesten Kriegsmanne in<lb/>
Sachsen gab.  Die Verwandtschaft verstärkte eher die Selbständigkeit als daß<lb/>
es sie schwächte und erleichterte die Erblichkeit des Amts.  Jetzt wie die<lb/>
neue Gemahlin an den Hof kam, brachte sie zugleich an denselben eine ganz<lb/>
andere Jnteressenverbindung, und diese wieder eine Feindschaft wider schon<lb/>
bestehende Interessenkreise.  Otto hatte aus seiner ersten Ehe mit Prinzessin<lb/>
Editha von England zwei Kinder, Liudolf und Liutgarde.  Jenem gab er<lb/>
das Herzogthum Schwaben, dieser zum Gemahl den mit dem Herzogthum<lb/>
Lothringen beliehenen Konrad den Rothen von Franken.  Sehr bald nach<lb/>
Otto's Wiederverheirathung hatte, nach Allem zu schließen &#x2014; denn die un¬<lb/>
mittelbaren Mittheilungen darüber sind nicht vorhanden &#x2014; ein natürliches<lb/>
Mißtrauen des Sohnes erster Ehe gegen die Stiefmutter Anhalt dafür ge»<lb/>
Wonnen,  daß  die Nachkommenschaft der zweiten Königin Adelheid der<lb/>
Anwartschaft Liudolf's schädlich werden dürfte.  Es drängte sich dann sehr<lb/>
bald auch Heinrich von Baiern, der alte Ränkeschmied, wie ihn Giesebrecht<lb/>
charakterisirt, an die neue Königin schmeichelnd heran und dies beschleunigte<lb/>
eine innigere Verbindung zwischen Liudolf mit seinem Schwestermann Konrad<lb/>
von Lothringen, welche einen neuen Aufstand gegen Otto's des Vaters und<lb/>
Schwiegervaters Regiment entflammte, der wieder erst nach mehrjährigem Kampfe<lb/>
gedämpft wurde und auch die Ungarn von Neuem in das Reich rief. Ehe</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0055] Petri angeboten haben. Als Majolus dem von ihm selbst bezeichneten Nach¬ folger Odilo —1048 die Regierung des Klosters überließ, beherrschte der Orden bereits fast die ganze Klostergeistlichkeit Frankreichs und Burgunds und hatte er auf den meisten Thronen mächtige Gönner und Beschützer und die Cluniacenser gingen jetzt auch schon über den ursprünglichen Zweck: Reform des Mönchthums hinaus und wollten das kanonische Leben auch in der Weltgeistlichkeit wieder zur Geltung bringen, auch in dieser eine Hierarchie wie im Orden aufrichten, in welchem alle Kirchen unter die Macht des Stuhles Petri, dem sie selbst als Eigenthum an¬ gehörten, gebeugt würden. Sie wollten die pseudoisid orisehen Dekre¬ tale n, welche die Päpste seit geraumer Zeit nicht mehr durchgreifend hatten zur Anwendung bringen können, durchführen. Wie ist das nun dem Orden von Cluny gelungen? Zuerst unter Otto I. kam es wieder zu furchtbaren Verwickelungen für das neudeutsche Reich. Schon die Beendigung des ersten großen Aufstandes der Großen hatte Otto I. Einbußen gekostet, welche der Einheit des Regimentes den entschieden¬ sten Eintrag thaten. Sie kostete dem neuen König die Anerkennung des Herzogthums, welche namentlich nicht dadurch gemildert wurde, daß er das¬ selbe nächsten Verwandten, dem Bruder in Bayern, dem Schwiegersohn in Lothringen, dem eignen Sohne in Schwaben, dem treuesten Kriegsmanne in Sachsen gab. Die Verwandtschaft verstärkte eher die Selbständigkeit als daß es sie schwächte und erleichterte die Erblichkeit des Amts. Jetzt wie die neue Gemahlin an den Hof kam, brachte sie zugleich an denselben eine ganz andere Jnteressenverbindung, und diese wieder eine Feindschaft wider schon bestehende Interessenkreise. Otto hatte aus seiner ersten Ehe mit Prinzessin Editha von England zwei Kinder, Liudolf und Liutgarde. Jenem gab er das Herzogthum Schwaben, dieser zum Gemahl den mit dem Herzogthum Lothringen beliehenen Konrad den Rothen von Franken. Sehr bald nach Otto's Wiederverheirathung hatte, nach Allem zu schließen — denn die un¬ mittelbaren Mittheilungen darüber sind nicht vorhanden — ein natürliches Mißtrauen des Sohnes erster Ehe gegen die Stiefmutter Anhalt dafür ge» Wonnen, daß die Nachkommenschaft der zweiten Königin Adelheid der Anwartschaft Liudolf's schädlich werden dürfte. Es drängte sich dann sehr bald auch Heinrich von Baiern, der alte Ränkeschmied, wie ihn Giesebrecht charakterisirt, an die neue Königin schmeichelnd heran und dies beschleunigte eine innigere Verbindung zwischen Liudolf mit seinem Schwestermann Konrad von Lothringen, welche einen neuen Aufstand gegen Otto's des Vaters und Schwiegervaters Regiment entflammte, der wieder erst nach mehrjährigem Kampfe gedämpft wurde und auch die Ungarn von Neuem in das Reich rief. Ehe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341821_148602
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341821_148602/55
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341821_148602/55>, abgerufen am 29.06.2024.