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Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, II. Semester. I. Band.

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gefährdeten Fehden und Magyaren schließlich die ostfränkischen Bisthümer
selbst und die ganze kirchliche Organisation hier so, daß in der äußersten Noth
zur Wahl des Sachsenherzogs Heinrich gegriffen wurde, dem Hatto vorher nach
dem Leben gestrebt hatte und der nun in natürlichem Abneigungsgefühl gegen
die ihm so feindlich gewesene Pfafferei die Salbung durch die hohe Geistlichkeit
entschieden von sich wies. Das war aber nur eine vorübergehende Schwäche
des römischen Papstthums. Schon unter Heinrich's Sohne holte er wieder
ein, was eine Zeitlang verloren schien. Es ist dabei allerdings zu constatiren,
daß das Papstthum so wenig wie irgend eine andere zu großer Machtent¬
wickelung gelangte weltliche Anstalt, ohne zeitweiliges starkes Zurücksinken,
seinen Weg zu der Macht zurückgelegt hat.

Welcher Sinn bereits frühe in der römischen Priester-Republik lebte, ist
zum Theil bereits angedeutet, zum andern Theil wirft einen grellen Lichtstrahl
gleich auf die ersten Anfänge des Hochmuthes ein allerdings bereits in die
Zeiten Friedrich I. des Rothbart fallendes päpstliches Schreiben, ein Brief
des Papstes Hadrian IV. 1158 geschrieben an die deutschen Bischöfe (Hadrian
war ein Engländer; Höfler, die avignonesischen Päpste Seite 4) folgenden
Inhalts: Der Kaiser stellt seine Macht der unsrigen gleich, als wäre diese
auf einen Winkel wie Deutschland beschränkt, auf Deutschland, welches,
wie die Päpste es erhoben, für das geringste aller Reiche gegolten (!).
Fuhren die Frankenkönige nicht auf Ochsenwagen wie Philosophen, ehe
Karl von Zacharias geweiht wurde? besaßen die Armen etwas anderes, als
was ihnen ihr Hausmeier aus Gnaden bewilligte? Haben sie nicht ihren
Sitz zu Aachen im Gallischen Walde"), wir aber in Rom? So wie Rom
über Aachen erhaben ist, so sind wir über jenen König erhaben, welcher
und Weltherrschaft prahlt, während er kaum einen ungehorsamen
Fürsten im Zaume halten oder auch nur den rohen und unverständigen
Stamm der Friesen bezwingen kann. Das Kaiserthum endlich besitzt er durch
uns, und wir haben das Recht zurückzunehmen, was wir nur unter Bor¬
aussetzung der Dankbarkeit verliehen."

Dieser Inhalt des bezeichneten Briefes stellt so recht den Sinn des hoch-
müthigen, übermüthigen Priesterthums Roms dar; es hat sich nur in stür¬
mischen, unfruchtbaren Zeiten geduckt, um zu günstiger Frist um so unver-
hohlener und anmaßender hervorzutreten.




In der Zeit äußerster Ruchlosigkeit im ostfränkischen Reiche und in Rom



*) Und doch legte schon Gregor von Tours (5t>U --60") von der Herrschaft der Geistlich¬
keit in diesem Gallischen "Walde" dem König Chelpcrich, Chlodwig's Enkel, die Klage in den
Mund (VI, 4<>) ecvv üiviti-uz no"er!rv ii.it viicIoLiÄ" i-unt trÄuslirt^v: nulli planus nisi soll
evisvvpi rv^uÄiit. Dazu war Gallien gut; von Gallien trug sich dann das Verhältniß nach
Germanien über.

gefährdeten Fehden und Magyaren schließlich die ostfränkischen Bisthümer
selbst und die ganze kirchliche Organisation hier so, daß in der äußersten Noth
zur Wahl des Sachsenherzogs Heinrich gegriffen wurde, dem Hatto vorher nach
dem Leben gestrebt hatte und der nun in natürlichem Abneigungsgefühl gegen
die ihm so feindlich gewesene Pfafferei die Salbung durch die hohe Geistlichkeit
entschieden von sich wies. Das war aber nur eine vorübergehende Schwäche
des römischen Papstthums. Schon unter Heinrich's Sohne holte er wieder
ein, was eine Zeitlang verloren schien. Es ist dabei allerdings zu constatiren,
daß das Papstthum so wenig wie irgend eine andere zu großer Machtent¬
wickelung gelangte weltliche Anstalt, ohne zeitweiliges starkes Zurücksinken,
seinen Weg zu der Macht zurückgelegt hat.

Welcher Sinn bereits frühe in der römischen Priester-Republik lebte, ist
zum Theil bereits angedeutet, zum andern Theil wirft einen grellen Lichtstrahl
gleich auf die ersten Anfänge des Hochmuthes ein allerdings bereits in die
Zeiten Friedrich I. des Rothbart fallendes päpstliches Schreiben, ein Brief
des Papstes Hadrian IV. 1158 geschrieben an die deutschen Bischöfe (Hadrian
war ein Engländer; Höfler, die avignonesischen Päpste Seite 4) folgenden
Inhalts: Der Kaiser stellt seine Macht der unsrigen gleich, als wäre diese
auf einen Winkel wie Deutschland beschränkt, auf Deutschland, welches,
wie die Päpste es erhoben, für das geringste aller Reiche gegolten (!).
Fuhren die Frankenkönige nicht auf Ochsenwagen wie Philosophen, ehe
Karl von Zacharias geweiht wurde? besaßen die Armen etwas anderes, als
was ihnen ihr Hausmeier aus Gnaden bewilligte? Haben sie nicht ihren
Sitz zu Aachen im Gallischen Walde"), wir aber in Rom? So wie Rom
über Aachen erhaben ist, so sind wir über jenen König erhaben, welcher
und Weltherrschaft prahlt, während er kaum einen ungehorsamen
Fürsten im Zaume halten oder auch nur den rohen und unverständigen
Stamm der Friesen bezwingen kann. Das Kaiserthum endlich besitzt er durch
uns, und wir haben das Recht zurückzunehmen, was wir nur unter Bor¬
aussetzung der Dankbarkeit verliehen."

Dieser Inhalt des bezeichneten Briefes stellt so recht den Sinn des hoch-
müthigen, übermüthigen Priesterthums Roms dar; es hat sich nur in stür¬
mischen, unfruchtbaren Zeiten geduckt, um zu günstiger Frist um so unver-
hohlener und anmaßender hervorzutreten.




In der Zeit äußerster Ruchlosigkeit im ostfränkischen Reiche und in Rom



*) Und doch legte schon Gregor von Tours (5t>U —60») von der Herrschaft der Geistlich¬
keit in diesem Gallischen „Walde" dem König Chelpcrich, Chlodwig's Enkel, die Klage in den
Mund (VI, 4<>) ecvv üiviti-uz no»er!rv ii.it viicIoLiÄ« i-unt trÄuslirt^v: nulli planus nisi soll
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341821_148602/53>, abgerufen am 29.06.2024.