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Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, II. Semester. I. Band.

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in Adalbert, dem in Dunkel gehüllten "Irrlehrer", der den Ausdruck natio¬
nalen Widerwillens "gegen das Fremde, welches ein Angelsachse aus Rom"
brachte, darstellt*). Und zerfiel doch schließlich sogar Bonifacius selbst mit
Rom, indem man annimmt, er sei nicht mit der Entthronung der ange¬
stammten Merowinger durch Pipin und den Papst einverstanden gewesen und
habe deshalb, sein Erzbisthum Mainz wieder aufgebend, die Mission unter
den Friesen, unter denen er bereits 734 den Märtyrertod fand, von Neuem
aufgenommen. Die so lange allgemein geltend gewesene Angabe wenigstens,
daß Bonifacius zu Soissons Pipin gesalbt habe, ist nicht genugsam erwiesen.
Eine ganze Reihe Annalen weiß nichts von der Sache und nur die erst nach
7L8 begonnenen kleinen Lorscher Annalen und Eginhard erwähnen wahrschein¬
lich als eine im Interesse des Karolinger liegende Thatsache die Salbung
Pipin's durch Bonifacius**).

Unverkennbar geht also aus der frühzeitigen engen, in der Natur der
beiderseitigen Interessen liegenden Verbindung zwischen der Pipinenherrschaft
und dem Papstthum die Grundlage hervor, auf welcher die Abhängigkeit des
einen Theils vom andern einmal erwachsen mußte. Und wie mit der Be¬
kehrung Germaniens durch Bonifacius und Gewinnung auch dieses Theils
Frankens für den päpstlichen Stuhl, mit der Errichtung des Erzbisthums
Mainz über den ostfränkischen Sprengel der Anspruch des Papstes als Ober¬
herrn auf diese Gebiete im untersten Grunde zusammenhängt, wie "I'ippinus ***)
1>(ir ^uetoritiitem LtexlitM xontilieis liomuiii . . . ox praotvctv Mlutii rvx
cunLtituws est (Annal. Sa. Gall. Sect. I. p. 63 und ähnlich in andern
Quellen), so ward Arnulph gewählt und die Wahl Ludwig des Kindes vom
Papste gebilligt, die wohl jedenfalls vom Erzbischof Hatto von Mainz ihm zur
Billigung angezeigt wurde. Wenn wir nicht aus nächster Zeit Zeichen solchen
Anspruches vorlegen können, so waren daran die wilden Wirren Schuld, in
welchen die weitest gehenden Fehden unter den ostfränkischen Großen die
furchtbar verheerenden Einfälle der Magyaren vermehrten, so daß es gleich¬
gültig war, ob Erzbischof Hatto nach Ludwig's Tod wieder eine seine Krea¬
turen in der Person des Grafen Konrad auf den Königstuhl erhob. Auch
dieser konnte nicht helfen, und während in Rom selbst der Papststuhl die
Beute des unsittlichsten und sittenlosesten Weiber-, kräftiger ausgedrückt Buh¬
lerinnen, Metzen, Hurer-Herrschaft, wie ganz Italien des Parteikampfes wurde.





Vgl. L. Oelsncr, Jahrbücher des fränkischen Reichs unter König Pipin. Leipzig 1801.
Duncker Ä Humvlot.
Hauser, Bonifacius und der Staatsstreich Pipin's im Jahr 752. Ostcrprogramm der
Realschule zu Kassel, 1ÄI!>.
"Pipin durch den Ausspruch des römischen Pontifex Stephan vom Palast-Vorstand,
Vorsteher des Hausgutes, zum König eingesetzt worden ist."

in Adalbert, dem in Dunkel gehüllten „Irrlehrer", der den Ausdruck natio¬
nalen Widerwillens „gegen das Fremde, welches ein Angelsachse aus Rom"
brachte, darstellt*). Und zerfiel doch schließlich sogar Bonifacius selbst mit
Rom, indem man annimmt, er sei nicht mit der Entthronung der ange¬
stammten Merowinger durch Pipin und den Papst einverstanden gewesen und
habe deshalb, sein Erzbisthum Mainz wieder aufgebend, die Mission unter
den Friesen, unter denen er bereits 734 den Märtyrertod fand, von Neuem
aufgenommen. Die so lange allgemein geltend gewesene Angabe wenigstens,
daß Bonifacius zu Soissons Pipin gesalbt habe, ist nicht genugsam erwiesen.
Eine ganze Reihe Annalen weiß nichts von der Sache und nur die erst nach
7L8 begonnenen kleinen Lorscher Annalen und Eginhard erwähnen wahrschein¬
lich als eine im Interesse des Karolinger liegende Thatsache die Salbung
Pipin's durch Bonifacius**).

Unverkennbar geht also aus der frühzeitigen engen, in der Natur der
beiderseitigen Interessen liegenden Verbindung zwischen der Pipinenherrschaft
und dem Papstthum die Grundlage hervor, auf welcher die Abhängigkeit des
einen Theils vom andern einmal erwachsen mußte. Und wie mit der Be¬
kehrung Germaniens durch Bonifacius und Gewinnung auch dieses Theils
Frankens für den päpstlichen Stuhl, mit der Errichtung des Erzbisthums
Mainz über den ostfränkischen Sprengel der Anspruch des Papstes als Ober¬
herrn auf diese Gebiete im untersten Grunde zusammenhängt, wie „I'ippinus ***)
1>(ir ^uetoritiitem LtexlitM xontilieis liomuiii . . . ox praotvctv Mlutii rvx
cunLtituws est (Annal. Sa. Gall. Sect. I. p. 63 und ähnlich in andern
Quellen), so ward Arnulph gewählt und die Wahl Ludwig des Kindes vom
Papste gebilligt, die wohl jedenfalls vom Erzbischof Hatto von Mainz ihm zur
Billigung angezeigt wurde. Wenn wir nicht aus nächster Zeit Zeichen solchen
Anspruches vorlegen können, so waren daran die wilden Wirren Schuld, in
welchen die weitest gehenden Fehden unter den ostfränkischen Großen die
furchtbar verheerenden Einfälle der Magyaren vermehrten, so daß es gleich¬
gültig war, ob Erzbischof Hatto nach Ludwig's Tod wieder eine seine Krea¬
turen in der Person des Grafen Konrad auf den Königstuhl erhob. Auch
dieser konnte nicht helfen, und während in Rom selbst der Papststuhl die
Beute des unsittlichsten und sittenlosesten Weiber-, kräftiger ausgedrückt Buh¬
lerinnen, Metzen, Hurer-Herrschaft, wie ganz Italien des Parteikampfes wurde.





Vgl. L. Oelsncr, Jahrbücher des fränkischen Reichs unter König Pipin. Leipzig 1801.
Duncker Ä Humvlot.
Hauser, Bonifacius und der Staatsstreich Pipin's im Jahr 752. Ostcrprogramm der
Realschule zu Kassel, 1ÄI!>.
„Pipin durch den Ausspruch des römischen Pontifex Stephan vom Palast-Vorstand,
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[0052] in Adalbert, dem in Dunkel gehüllten „Irrlehrer", der den Ausdruck natio¬ nalen Widerwillens „gegen das Fremde, welches ein Angelsachse aus Rom" brachte, darstellt*). Und zerfiel doch schließlich sogar Bonifacius selbst mit Rom, indem man annimmt, er sei nicht mit der Entthronung der ange¬ stammten Merowinger durch Pipin und den Papst einverstanden gewesen und habe deshalb, sein Erzbisthum Mainz wieder aufgebend, die Mission unter den Friesen, unter denen er bereits 734 den Märtyrertod fand, von Neuem aufgenommen. Die so lange allgemein geltend gewesene Angabe wenigstens, daß Bonifacius zu Soissons Pipin gesalbt habe, ist nicht genugsam erwiesen. Eine ganze Reihe Annalen weiß nichts von der Sache und nur die erst nach 7L8 begonnenen kleinen Lorscher Annalen und Eginhard erwähnen wahrschein¬ lich als eine im Interesse des Karolinger liegende Thatsache die Salbung Pipin's durch Bonifacius**). Unverkennbar geht also aus der frühzeitigen engen, in der Natur der beiderseitigen Interessen liegenden Verbindung zwischen der Pipinenherrschaft und dem Papstthum die Grundlage hervor, auf welcher die Abhängigkeit des einen Theils vom andern einmal erwachsen mußte. Und wie mit der Be¬ kehrung Germaniens durch Bonifacius und Gewinnung auch dieses Theils Frankens für den päpstlichen Stuhl, mit der Errichtung des Erzbisthums Mainz über den ostfränkischen Sprengel der Anspruch des Papstes als Ober¬ herrn auf diese Gebiete im untersten Grunde zusammenhängt, wie „I'ippinus ***) 1>(ir ^uetoritiitem LtexlitM xontilieis liomuiii . . . ox praotvctv Mlutii rvx cunLtituws est (Annal. Sa. Gall. Sect. I. p. 63 und ähnlich in andern Quellen), so ward Arnulph gewählt und die Wahl Ludwig des Kindes vom Papste gebilligt, die wohl jedenfalls vom Erzbischof Hatto von Mainz ihm zur Billigung angezeigt wurde. Wenn wir nicht aus nächster Zeit Zeichen solchen Anspruches vorlegen können, so waren daran die wilden Wirren Schuld, in welchen die weitest gehenden Fehden unter den ostfränkischen Großen die furchtbar verheerenden Einfälle der Magyaren vermehrten, so daß es gleich¬ gültig war, ob Erzbischof Hatto nach Ludwig's Tod wieder eine seine Krea¬ turen in der Person des Grafen Konrad auf den Königstuhl erhob. Auch dieser konnte nicht helfen, und während in Rom selbst der Papststuhl die Beute des unsittlichsten und sittenlosesten Weiber-, kräftiger ausgedrückt Buh¬ lerinnen, Metzen, Hurer-Herrschaft, wie ganz Italien des Parteikampfes wurde. Vgl. L. Oelsncr, Jahrbücher des fränkischen Reichs unter König Pipin. Leipzig 1801. Duncker Ä Humvlot. Hauser, Bonifacius und der Staatsstreich Pipin's im Jahr 752. Ostcrprogramm der Realschule zu Kassel, 1ÄI!>. „Pipin durch den Ausspruch des römischen Pontifex Stephan vom Palast-Vorstand, Vorsteher des Hausgutes, zum König eingesetzt worden ist."

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341821_148602/52>, abgerufen am 29.06.2024.