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Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, II. Semester. I. Band.

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1821 und 1823 die wichtigsten Gesetze gegeben, welche die Verwaltung der
Finanzen, der Justiz und des Innern wesentlich verbessern.

Unter fortwährendem Mühen und Schaffen naht der Tag der Feier der
funfzigjährigen Regierung (3. September 1825) heran. Jedem Gepränge
abhold, will der Großherzog sich der Feier entziehen, aber die lauten Wünsche
seines Volkes verwehren es. Welch ein Fest jubelnden Dankes, innigster
Rührung hätte er da erlebt, verherrlicht durch die ausgezeichnetste Theilnahme
des Auslandes!

Noch bleibt aber jenes Verdienst Karl August's zu erwähnen übrig, wel¬
ches ihm zum größten Ruhme gereicht und durch welches er unübertroffen
in der deutschen Geschichte dasteht, das Verdienst, welches er sich durch För¬
derung und Hebung der deutschen Kunst und Wissenschaft, um die Bildung
des deutschen Volkes erworben hat.

Die Herzogin Amalie hatte Wieland als Lehrer ihrer Söhne nach Wei¬
mar berufen. Auf die Einladung des Herzogs Karl August kam Goethe
nach Weimar, und Goethe setzte die Berufung Herder's nach Weimar durch.
Der Ruf welcher sich bereits von Weimar verbreitet hatte, und die Hoffnung
von dem Herzog eine Stellung zu erhalten, bestimmten Schiller nach Weimar
zu kommen. Er wurde in Jena als Professor der Geschichte angestellt und
siedelte später nach Weimar über. So vereinigte Karl August in Weimar
die vier großen Dichter und wußte sie festzuhalten, so daß keiner derselben,
obgleich sich jedem Gelegenheit dazu bot, den Herzog wieder zu verlassen gedachte.

Der Ruhm Weimars beruht aber nicht nur darauf, daß die größten
Dichter deutscher Nation in seinen Mauern gewohnt und von hier aus ihre
Werke in alle Welt verbreitet haben, sondern darauf, daß das Leben und
die Verhältnisse in Weimar den Dichtern die Möglichkeit bot, die Meister¬
schaft zu erringen. Goethe deutet das in den Worten an: "Der Herzog von
Weimar gab mir Gelegenheit mich zu entwickeln, welches unter keiner andern
vaterländischen Bedingung möglich gewesen wäre."

Das damalige Leben in Weimar war so unendlich reich und mannig¬
faltig, daß es jetzt schwer fällt, sich ein vollständiges Bild davon zu machen.
Auf dieses Leben übte Goethe den größten Einfluß, aber es gelang ihm das
nur, weil ihm der Herzog als Freund zur Seite stand. Goethe verstand es,
in der kleinen Stadt Weimar, welche bei seiner Ankunft mehr einem Dorfe
als einer Residenz ähnlich war, den Sinn für höhere Bildung, den Sinn für Kunst
und Wissenschaft, für die Literatur und Poesie so zu heben, daß er später sagen
konnte: "Weimar sei eine Stadt von 10,000 Poeten und einigen Einwohnern."

Goethe hatte von seinen Knabenjahren an die Gewohnheit, das, was er aus¬
gearbeitet hatte, seinen Bekannten und älteren gebildeten Leuten vorzulegen.
Er suchte durch den Beifall, der ihm ertheilt wurde, oder das Mißfallen,


1821 und 1823 die wichtigsten Gesetze gegeben, welche die Verwaltung der
Finanzen, der Justiz und des Innern wesentlich verbessern.

Unter fortwährendem Mühen und Schaffen naht der Tag der Feier der
funfzigjährigen Regierung (3. September 1825) heran. Jedem Gepränge
abhold, will der Großherzog sich der Feier entziehen, aber die lauten Wünsche
seines Volkes verwehren es. Welch ein Fest jubelnden Dankes, innigster
Rührung hätte er da erlebt, verherrlicht durch die ausgezeichnetste Theilnahme
des Auslandes!

Noch bleibt aber jenes Verdienst Karl August's zu erwähnen übrig, wel¬
ches ihm zum größten Ruhme gereicht und durch welches er unübertroffen
in der deutschen Geschichte dasteht, das Verdienst, welches er sich durch För¬
derung und Hebung der deutschen Kunst und Wissenschaft, um die Bildung
des deutschen Volkes erworben hat.

Die Herzogin Amalie hatte Wieland als Lehrer ihrer Söhne nach Wei¬
mar berufen. Auf die Einladung des Herzogs Karl August kam Goethe
nach Weimar, und Goethe setzte die Berufung Herder's nach Weimar durch.
Der Ruf welcher sich bereits von Weimar verbreitet hatte, und die Hoffnung
von dem Herzog eine Stellung zu erhalten, bestimmten Schiller nach Weimar
zu kommen. Er wurde in Jena als Professor der Geschichte angestellt und
siedelte später nach Weimar über. So vereinigte Karl August in Weimar
die vier großen Dichter und wußte sie festzuhalten, so daß keiner derselben,
obgleich sich jedem Gelegenheit dazu bot, den Herzog wieder zu verlassen gedachte.

Der Ruhm Weimars beruht aber nicht nur darauf, daß die größten
Dichter deutscher Nation in seinen Mauern gewohnt und von hier aus ihre
Werke in alle Welt verbreitet haben, sondern darauf, daß das Leben und
die Verhältnisse in Weimar den Dichtern die Möglichkeit bot, die Meister¬
schaft zu erringen. Goethe deutet das in den Worten an: „Der Herzog von
Weimar gab mir Gelegenheit mich zu entwickeln, welches unter keiner andern
vaterländischen Bedingung möglich gewesen wäre."

Das damalige Leben in Weimar war so unendlich reich und mannig¬
faltig, daß es jetzt schwer fällt, sich ein vollständiges Bild davon zu machen.
Auf dieses Leben übte Goethe den größten Einfluß, aber es gelang ihm das
nur, weil ihm der Herzog als Freund zur Seite stand. Goethe verstand es,
in der kleinen Stadt Weimar, welche bei seiner Ankunft mehr einem Dorfe
als einer Residenz ähnlich war, den Sinn für höhere Bildung, den Sinn für Kunst
und Wissenschaft, für die Literatur und Poesie so zu heben, daß er später sagen
konnte: „Weimar sei eine Stadt von 10,000 Poeten und einigen Einwohnern."

Goethe hatte von seinen Knabenjahren an die Gewohnheit, das, was er aus¬
gearbeitet hatte, seinen Bekannten und älteren gebildeten Leuten vorzulegen.
Er suchte durch den Beifall, der ihm ertheilt wurde, oder das Mißfallen,


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[0510] 1821 und 1823 die wichtigsten Gesetze gegeben, welche die Verwaltung der Finanzen, der Justiz und des Innern wesentlich verbessern. Unter fortwährendem Mühen und Schaffen naht der Tag der Feier der funfzigjährigen Regierung (3. September 1825) heran. Jedem Gepränge abhold, will der Großherzog sich der Feier entziehen, aber die lauten Wünsche seines Volkes verwehren es. Welch ein Fest jubelnden Dankes, innigster Rührung hätte er da erlebt, verherrlicht durch die ausgezeichnetste Theilnahme des Auslandes! Noch bleibt aber jenes Verdienst Karl August's zu erwähnen übrig, wel¬ ches ihm zum größten Ruhme gereicht und durch welches er unübertroffen in der deutschen Geschichte dasteht, das Verdienst, welches er sich durch För¬ derung und Hebung der deutschen Kunst und Wissenschaft, um die Bildung des deutschen Volkes erworben hat. Die Herzogin Amalie hatte Wieland als Lehrer ihrer Söhne nach Wei¬ mar berufen. Auf die Einladung des Herzogs Karl August kam Goethe nach Weimar, und Goethe setzte die Berufung Herder's nach Weimar durch. Der Ruf welcher sich bereits von Weimar verbreitet hatte, und die Hoffnung von dem Herzog eine Stellung zu erhalten, bestimmten Schiller nach Weimar zu kommen. Er wurde in Jena als Professor der Geschichte angestellt und siedelte später nach Weimar über. So vereinigte Karl August in Weimar die vier großen Dichter und wußte sie festzuhalten, so daß keiner derselben, obgleich sich jedem Gelegenheit dazu bot, den Herzog wieder zu verlassen gedachte. Der Ruhm Weimars beruht aber nicht nur darauf, daß die größten Dichter deutscher Nation in seinen Mauern gewohnt und von hier aus ihre Werke in alle Welt verbreitet haben, sondern darauf, daß das Leben und die Verhältnisse in Weimar den Dichtern die Möglichkeit bot, die Meister¬ schaft zu erringen. Goethe deutet das in den Worten an: „Der Herzog von Weimar gab mir Gelegenheit mich zu entwickeln, welches unter keiner andern vaterländischen Bedingung möglich gewesen wäre." Das damalige Leben in Weimar war so unendlich reich und mannig¬ faltig, daß es jetzt schwer fällt, sich ein vollständiges Bild davon zu machen. Auf dieses Leben übte Goethe den größten Einfluß, aber es gelang ihm das nur, weil ihm der Herzog als Freund zur Seite stand. Goethe verstand es, in der kleinen Stadt Weimar, welche bei seiner Ankunft mehr einem Dorfe als einer Residenz ähnlich war, den Sinn für höhere Bildung, den Sinn für Kunst und Wissenschaft, für die Literatur und Poesie so zu heben, daß er später sagen konnte: „Weimar sei eine Stadt von 10,000 Poeten und einigen Einwohnern." Goethe hatte von seinen Knabenjahren an die Gewohnheit, das, was er aus¬ gearbeitet hatte, seinen Bekannten und älteren gebildeten Leuten vorzulegen. Er suchte durch den Beifall, der ihm ertheilt wurde, oder das Mißfallen,

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341821_148602/510>, abgerufen am 28.09.2024.