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Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, II. Semester. I. Band.

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anstalten wurde ein wichtiger Fortschritt im Justizwesen gethan. nachbar¬
liche Streitigkeiten wurden vortheilhaft ausgeglichen, das Gebiet gegen Hin¬
gebung der Lehnsgerechtsame auf die Herrschaft Arnstadt erweitert, die Landes¬
verwaltung durch Verbindung einzelner Aemter vereinfacht, die Forstwirthschaft
durch Ansaaten und Vermessungen ungemein gesteigert.

Diese friedlichen Beschäftigungen wurden oft durch zahlreiche Truppen¬
märsche, zuletzt durch den Zug der französischen Heere nach Rußland ganz
unterbrochen. Alles war auf den Ausgang dieses riesenhaften Unternehmens
gespannt. Vorzeichen schienen anzudeuten, daß der Weltenstürmer hier seinem
Untergange entgegenziehe. Die vorausgeahnter Unfälle der französischen
Armeen traten ein, die Trümmer derselben flohen, beladen mit dem Fluch
der Völker und dem Gifthauch der Fieber. Wohl führte Napoleon ein neu¬
gebildetes Heer zu den Schlachten von Lützen und Bautzen und erkämpfte
blutige Siege. Aber die Schlacht bei Leipzig entschied Deutschlands Be¬
freiung und auf dem Rückzüge der französischen Armee blieb Weimar wie
durch ein Wunder verschont.

Der Herzog von Weimar schloß sich dem großen Bunde an und zog an
der Spitze des dritten Armeecorps, dem seine eigenen und alle sächsischen
Truppen eingereiht waren, in die Niederlande, wo ihm das minder günstige
Loos fiel, gegen die Grenzfestungen Frankreichs die Niederlande und Deutsch¬
land zu schützen. Nach der Eroberung von Paris eilte der Herzog seit fast
40 Jahren zum zweiten Mal in diese Hauptstadt und benutzte diese Gelegen¬
heit, mancherlei Fortschritte in Künsten und Wissenschaften kennen zu lernen.
Dann eröffnete ihm eine Reise nach England die Kenntniß der wundervollen
Betriebsamkeit und Gewerbsthätigkett des JnselvoM, und kaum ist er aus
England zurückgekehrt, so verlangen die Verhandlungen des Congresses in
Wien seine Gegenwart. In dem Gewirre von Festen und diplomatischen
Verhandlungen, weiß er die Zeit zu gewinnen, reiche Schätze in Natur- und
Kunstgeschichte sich zu eigen zu machen.

Als Großherzog und mit einer bedeutenden Gebietsvergrößerung kehrt
der Fürst von Wien zurück.

Vor allem beschäftigte nun den Großherzog die Sorge um sein verschul¬
detes Land. Alle Zahlungen, welche Frankreich unter verschiedenen Namen
leistete, die Subsidien von England, die Vergütungsgelder von Rußland und
Preußen flössen ungekürzt in die öffentlichen Kassen und eröffneten die Mög¬
lichkeit, einen bedeutenden Theil der Kriegslasten zu vergüten und außerdem
die Schuldentilgung zu begründen. Der Staats-Kredit wird durch Dotation
der Tilgungskosten und die Oeffentlichkeit gehoben. Alle Stellen im Staats¬
dienst werden neu geordnet und^ bestimmt, die Verhältnisse der Landstände
durch ein neues Grundgesetz festgestellt und auf den Landtagen von 1813,


anstalten wurde ein wichtiger Fortschritt im Justizwesen gethan. nachbar¬
liche Streitigkeiten wurden vortheilhaft ausgeglichen, das Gebiet gegen Hin¬
gebung der Lehnsgerechtsame auf die Herrschaft Arnstadt erweitert, die Landes¬
verwaltung durch Verbindung einzelner Aemter vereinfacht, die Forstwirthschaft
durch Ansaaten und Vermessungen ungemein gesteigert.

Diese friedlichen Beschäftigungen wurden oft durch zahlreiche Truppen¬
märsche, zuletzt durch den Zug der französischen Heere nach Rußland ganz
unterbrochen. Alles war auf den Ausgang dieses riesenhaften Unternehmens
gespannt. Vorzeichen schienen anzudeuten, daß der Weltenstürmer hier seinem
Untergange entgegenziehe. Die vorausgeahnter Unfälle der französischen
Armeen traten ein, die Trümmer derselben flohen, beladen mit dem Fluch
der Völker und dem Gifthauch der Fieber. Wohl führte Napoleon ein neu¬
gebildetes Heer zu den Schlachten von Lützen und Bautzen und erkämpfte
blutige Siege. Aber die Schlacht bei Leipzig entschied Deutschlands Be¬
freiung und auf dem Rückzüge der französischen Armee blieb Weimar wie
durch ein Wunder verschont.

Der Herzog von Weimar schloß sich dem großen Bunde an und zog an
der Spitze des dritten Armeecorps, dem seine eigenen und alle sächsischen
Truppen eingereiht waren, in die Niederlande, wo ihm das minder günstige
Loos fiel, gegen die Grenzfestungen Frankreichs die Niederlande und Deutsch¬
land zu schützen. Nach der Eroberung von Paris eilte der Herzog seit fast
40 Jahren zum zweiten Mal in diese Hauptstadt und benutzte diese Gelegen¬
heit, mancherlei Fortschritte in Künsten und Wissenschaften kennen zu lernen.
Dann eröffnete ihm eine Reise nach England die Kenntniß der wundervollen
Betriebsamkeit und Gewerbsthätigkett des JnselvoM, und kaum ist er aus
England zurückgekehrt, so verlangen die Verhandlungen des Congresses in
Wien seine Gegenwart. In dem Gewirre von Festen und diplomatischen
Verhandlungen, weiß er die Zeit zu gewinnen, reiche Schätze in Natur- und
Kunstgeschichte sich zu eigen zu machen.

Als Großherzog und mit einer bedeutenden Gebietsvergrößerung kehrt
der Fürst von Wien zurück.

Vor allem beschäftigte nun den Großherzog die Sorge um sein verschul¬
detes Land. Alle Zahlungen, welche Frankreich unter verschiedenen Namen
leistete, die Subsidien von England, die Vergütungsgelder von Rußland und
Preußen flössen ungekürzt in die öffentlichen Kassen und eröffneten die Mög¬
lichkeit, einen bedeutenden Theil der Kriegslasten zu vergüten und außerdem
die Schuldentilgung zu begründen. Der Staats-Kredit wird durch Dotation
der Tilgungskosten und die Oeffentlichkeit gehoben. Alle Stellen im Staats¬
dienst werden neu geordnet und^ bestimmt, die Verhältnisse der Landstände
durch ein neues Grundgesetz festgestellt und auf den Landtagen von 1813,


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[0509] anstalten wurde ein wichtiger Fortschritt im Justizwesen gethan. nachbar¬ liche Streitigkeiten wurden vortheilhaft ausgeglichen, das Gebiet gegen Hin¬ gebung der Lehnsgerechtsame auf die Herrschaft Arnstadt erweitert, die Landes¬ verwaltung durch Verbindung einzelner Aemter vereinfacht, die Forstwirthschaft durch Ansaaten und Vermessungen ungemein gesteigert. Diese friedlichen Beschäftigungen wurden oft durch zahlreiche Truppen¬ märsche, zuletzt durch den Zug der französischen Heere nach Rußland ganz unterbrochen. Alles war auf den Ausgang dieses riesenhaften Unternehmens gespannt. Vorzeichen schienen anzudeuten, daß der Weltenstürmer hier seinem Untergange entgegenziehe. Die vorausgeahnter Unfälle der französischen Armeen traten ein, die Trümmer derselben flohen, beladen mit dem Fluch der Völker und dem Gifthauch der Fieber. Wohl führte Napoleon ein neu¬ gebildetes Heer zu den Schlachten von Lützen und Bautzen und erkämpfte blutige Siege. Aber die Schlacht bei Leipzig entschied Deutschlands Be¬ freiung und auf dem Rückzüge der französischen Armee blieb Weimar wie durch ein Wunder verschont. Der Herzog von Weimar schloß sich dem großen Bunde an und zog an der Spitze des dritten Armeecorps, dem seine eigenen und alle sächsischen Truppen eingereiht waren, in die Niederlande, wo ihm das minder günstige Loos fiel, gegen die Grenzfestungen Frankreichs die Niederlande und Deutsch¬ land zu schützen. Nach der Eroberung von Paris eilte der Herzog seit fast 40 Jahren zum zweiten Mal in diese Hauptstadt und benutzte diese Gelegen¬ heit, mancherlei Fortschritte in Künsten und Wissenschaften kennen zu lernen. Dann eröffnete ihm eine Reise nach England die Kenntniß der wundervollen Betriebsamkeit und Gewerbsthätigkett des JnselvoM, und kaum ist er aus England zurückgekehrt, so verlangen die Verhandlungen des Congresses in Wien seine Gegenwart. In dem Gewirre von Festen und diplomatischen Verhandlungen, weiß er die Zeit zu gewinnen, reiche Schätze in Natur- und Kunstgeschichte sich zu eigen zu machen. Als Großherzog und mit einer bedeutenden Gebietsvergrößerung kehrt der Fürst von Wien zurück. Vor allem beschäftigte nun den Großherzog die Sorge um sein verschul¬ detes Land. Alle Zahlungen, welche Frankreich unter verschiedenen Namen leistete, die Subsidien von England, die Vergütungsgelder von Rußland und Preußen flössen ungekürzt in die öffentlichen Kassen und eröffneten die Mög¬ lichkeit, einen bedeutenden Theil der Kriegslasten zu vergüten und außerdem die Schuldentilgung zu begründen. Der Staats-Kredit wird durch Dotation der Tilgungskosten und die Oeffentlichkeit gehoben. Alle Stellen im Staats¬ dienst werden neu geordnet und^ bestimmt, die Verhältnisse der Landstände durch ein neues Grundgesetz festgestellt und auf den Landtagen von 1813,

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341821_148602/509>, abgerufen am 29.06.2024.