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Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, II. Semester. I. Band.

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Armenanstalten wieder ins Leben (1805); Revisionen der Justizämter wurden
angeordnet, um deren Thätigkeit anzuregen und zu bewachen.

Doch nur zu bald wurden diese friedlichen Bestrebungen durch das Her¬
einstürzen eines furchtbaren Schicksals unterbrochen. Ehre und Pflicht riefen
den Herzog Karl August in den ungleichen Kampf, den Preußen gegen den
übermächtigen Kaiser Frankreichs begann. Nach der Schlacht bei Jena mußte
der Herzog, an der Spitze des einzigen, noch umgeschlagenen Armeecorps, die
Verheerung und Plünderung seines Landes und die drohende Vernichtung
seiner Fürstenherrschaft vernehmen. Aber die Größe des Unglücks vermochte
ihn nicht zu erschüttern; aushalten wollte er in Treue gegen Preußens König,
und nur dessen ausdrückliche Aufforderung vermochte ihn zur Niederlegung des
Feldherrnstabes und zur Heimkehr und Annäherung an den stolzen Sieger sich
zu entschließen.

Am Tage nach der Schlacht hatte die Herzogin Louise durch'muthvolles
Ausharren und würdevolle Seelenstärke dem Ueberwinder jene hohe Achtung
abgewonnen, welche die nächste Ursache zur Erhaltung des Landes und des
fürstlichen Hauses wurde. Der Kaiser ließ sich die Zusendung eines wei¬
marischen Abgeordneten in sein Hauptquartier gefallen, und am 15. December
1806 wurde der Friede zu Posen und der Beitritt zum Rheinbund abgeschlossen.

Die Verheerung des Landes, eine fast unerschwingliche Contribution,
lasteten schwer auf der Seele des Herzogs. Die große Militärstraße durch¬
zog sein Gebiet nach allen Richtungen; jeder Tag verlangte neue Anstren¬
gungen. Die wichtigste Beschäftigung gewährte die Aufbringung und Ver-
theilung der mancherlei Kriegslasten, das Herbeischaffen der nöthigen Geld¬
mittel und Naturalien; das war die erste Sorge des Fürsten. Das fürstliche
Eigenthum übernahm gleich den Gütern der Unterthanen Lieferungen und
Einquartierung, mehr als einmal lieferten die eigene Hofhaltung oder die
Böden der Rentkammer die Bedürfnisse; jede Last wurde von dem Vermögen
des Fürsten getheilt. Doch diese Bedrängnisse hinderten nicht den Fortschritt
der inneren Landes-Verwaltung. Bei den Lasten des Krieges war es immer
klarer geworden, wie nachtheilig die Absonderung der getrennten Theile des
Landes einwirke. Die Constitution vom Jahre 1809 vereinigte daher mit
Zustimmung und Beirath der Stände die bisher getrennten Fürstentümer
und erweiterte die früheren Rechte der Stände. Maß und Gewicht wurden
neu geordnet, das Brandassecurations-Jnstitut verbessert, in wahrhaft landes¬
väterlicher Absicht das Institut der Landräthe geschaffen, zur Belebung eines
selbstthätigen Bürgerthums neue Stadtordnungen eingeführt, das Zunft- und
Gewerbswesen vom hemmenden Zwange mehr und mehr entlastet, das Po¬
lizei-Militär zur Vermehrung der Sicherheit auf dem Lande errichtet. Durch
die Reorganisation der Criminalgerichte und durch Verbesserung der Straf-


Armenanstalten wieder ins Leben (1805); Revisionen der Justizämter wurden
angeordnet, um deren Thätigkeit anzuregen und zu bewachen.

Doch nur zu bald wurden diese friedlichen Bestrebungen durch das Her¬
einstürzen eines furchtbaren Schicksals unterbrochen. Ehre und Pflicht riefen
den Herzog Karl August in den ungleichen Kampf, den Preußen gegen den
übermächtigen Kaiser Frankreichs begann. Nach der Schlacht bei Jena mußte
der Herzog, an der Spitze des einzigen, noch umgeschlagenen Armeecorps, die
Verheerung und Plünderung seines Landes und die drohende Vernichtung
seiner Fürstenherrschaft vernehmen. Aber die Größe des Unglücks vermochte
ihn nicht zu erschüttern; aushalten wollte er in Treue gegen Preußens König,
und nur dessen ausdrückliche Aufforderung vermochte ihn zur Niederlegung des
Feldherrnstabes und zur Heimkehr und Annäherung an den stolzen Sieger sich
zu entschließen.

Am Tage nach der Schlacht hatte die Herzogin Louise durch'muthvolles
Ausharren und würdevolle Seelenstärke dem Ueberwinder jene hohe Achtung
abgewonnen, welche die nächste Ursache zur Erhaltung des Landes und des
fürstlichen Hauses wurde. Der Kaiser ließ sich die Zusendung eines wei¬
marischen Abgeordneten in sein Hauptquartier gefallen, und am 15. December
1806 wurde der Friede zu Posen und der Beitritt zum Rheinbund abgeschlossen.

Die Verheerung des Landes, eine fast unerschwingliche Contribution,
lasteten schwer auf der Seele des Herzogs. Die große Militärstraße durch¬
zog sein Gebiet nach allen Richtungen; jeder Tag verlangte neue Anstren¬
gungen. Die wichtigste Beschäftigung gewährte die Aufbringung und Ver-
theilung der mancherlei Kriegslasten, das Herbeischaffen der nöthigen Geld¬
mittel und Naturalien; das war die erste Sorge des Fürsten. Das fürstliche
Eigenthum übernahm gleich den Gütern der Unterthanen Lieferungen und
Einquartierung, mehr als einmal lieferten die eigene Hofhaltung oder die
Böden der Rentkammer die Bedürfnisse; jede Last wurde von dem Vermögen
des Fürsten getheilt. Doch diese Bedrängnisse hinderten nicht den Fortschritt
der inneren Landes-Verwaltung. Bei den Lasten des Krieges war es immer
klarer geworden, wie nachtheilig die Absonderung der getrennten Theile des
Landes einwirke. Die Constitution vom Jahre 1809 vereinigte daher mit
Zustimmung und Beirath der Stände die bisher getrennten Fürstentümer
und erweiterte die früheren Rechte der Stände. Maß und Gewicht wurden
neu geordnet, das Brandassecurations-Jnstitut verbessert, in wahrhaft landes¬
väterlicher Absicht das Institut der Landräthe geschaffen, zur Belebung eines
selbstthätigen Bürgerthums neue Stadtordnungen eingeführt, das Zunft- und
Gewerbswesen vom hemmenden Zwange mehr und mehr entlastet, das Po¬
lizei-Militär zur Vermehrung der Sicherheit auf dem Lande errichtet. Durch
die Reorganisation der Criminalgerichte und durch Verbesserung der Straf-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341821_148602/508>, abgerufen am 29.06.2024.