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Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, II. Semester. I. Band.

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war die Obervormundschaft, vom Kaiser die Mündigkeit des jungen Herzogs
ertheilt worden. Aber das Gebäude der deutschen Verfassung neigte zu
seinem Einstürze hin. Vergebens strebte Joseph II. das Kaiserthum zu heben,
unzeitgemäße Schritte leiteten immer mehr zum Verfall. Als Joseph II.
Baiern an sich zu bringen suchte, als Friedrich II. mit kriegerischer Rüstung
und dann durch Stiftung des Fürstenbundes den Vergrößerungsplänen des
Kaisers entgegentrat, da stellte sich Karl August auf die Seite seines mütter¬
lichen Großoheims und war einer der thätigsten Beförderer des Fürsten¬
bundes. Er schloß sich an Preußen an, weil die bedrohte Integrität und
Wohlfahrt des deutschen Vaterlandes das zu fordern schien. Auch nach dem
Tode Friedrich II. fuhr er fort, für den Fürstenbund und für Deutschland
zu wirken. Er sah in dem Bunde ein Mittel, den Uebergreiffen des Kaisers
und der Reichsgerichte zu wehren und die Thätigkeit des Reichstages wieder
herzustellen, ein Mittel zur Wiedergeburt des Vaterlandes, zur Wiederbe¬
lebung des erloschenen Gemeingeistes und der tiefgesunkenen Gesammtkraft.
Die Bedeutung des Herzogs von Weimar unter den deutschen Fürsten wuchs
von Tage zu Tage. Er ermahnte den Kurfürsten von Mainz, als Reichs¬
erzkanzler, seine ganze Aufmerksamkeit auf die Reichsverfassung zu richten,
vor allem dahin zu arbeiten, daß der Kaiser nicht mehr durch den Reichshof¬
rath auf die kleineren Fürsten und den hohen Adel einen nur ihm vor¬
theilhaften Druck ausüben könne. Er forderte von Mainz die Visitation
des Neichskammergerichts, die Verbesserung der Reichsgesetze. Im Verein mit
dem Kurfürsten von Mainz dachte Karl August auf die Berufung der in
dem Fürstenbund vereinigten Fürsten zu einem Congresse nach Mainz, an
welchem auch die minder mächtigen Mitglieder auf eine oder die andere Weise
theilnehmen könnten und auf welchem dem Bunde eine gemeinschaftlich po¬
litische Action verschafft werden sollte. "Den Kongreß zu Stande zu bringen,
schrieb der Herzog an Hardenberg, würde ein großer Schritt sein, um die
deutsche Reichsverfassung zu befestigen und zu verbessern und Deutschland von
der Herrschaft der Indolenz und Ungerechtigkeit zu befreien." Der Herzog
hatte bereits einen Plan ausgearbeitet und dem Kurfürsten von Mainz vor¬
gelegt, nach welchem die Sache angegriffen werden möge. Sehr umfassend
waren seine Vorschläge. Er dachte ein allgemeines deutsches Gesetzbuch für
Civilrecht und Criminalrecht, eine durchgreifende Verbesserung der Rechts¬
pflege zu veranlassen; womit dann der Austrag der Frage über Visitation
der Reichsgerichte und Recurse an den Reichstag zusammenhing. Karl
August meinte, die unirten Fürsten sollten einen gemeinschaftlichen Antrag
zu diesem Zweck an den Reichstag stellen, und zwar einen sehr eingehen¬
den; auch die Rechtsgelehrten der verschiedenen Landschaften wären auf¬
zufordern, ihre Gutachten darüber abzugeben. Karl August beabsichtigte


war die Obervormundschaft, vom Kaiser die Mündigkeit des jungen Herzogs
ertheilt worden. Aber das Gebäude der deutschen Verfassung neigte zu
seinem Einstürze hin. Vergebens strebte Joseph II. das Kaiserthum zu heben,
unzeitgemäße Schritte leiteten immer mehr zum Verfall. Als Joseph II.
Baiern an sich zu bringen suchte, als Friedrich II. mit kriegerischer Rüstung
und dann durch Stiftung des Fürstenbundes den Vergrößerungsplänen des
Kaisers entgegentrat, da stellte sich Karl August auf die Seite seines mütter¬
lichen Großoheims und war einer der thätigsten Beförderer des Fürsten¬
bundes. Er schloß sich an Preußen an, weil die bedrohte Integrität und
Wohlfahrt des deutschen Vaterlandes das zu fordern schien. Auch nach dem
Tode Friedrich II. fuhr er fort, für den Fürstenbund und für Deutschland
zu wirken. Er sah in dem Bunde ein Mittel, den Uebergreiffen des Kaisers
und der Reichsgerichte zu wehren und die Thätigkeit des Reichstages wieder
herzustellen, ein Mittel zur Wiedergeburt des Vaterlandes, zur Wiederbe¬
lebung des erloschenen Gemeingeistes und der tiefgesunkenen Gesammtkraft.
Die Bedeutung des Herzogs von Weimar unter den deutschen Fürsten wuchs
von Tage zu Tage. Er ermahnte den Kurfürsten von Mainz, als Reichs¬
erzkanzler, seine ganze Aufmerksamkeit auf die Reichsverfassung zu richten,
vor allem dahin zu arbeiten, daß der Kaiser nicht mehr durch den Reichshof¬
rath auf die kleineren Fürsten und den hohen Adel einen nur ihm vor¬
theilhaften Druck ausüben könne. Er forderte von Mainz die Visitation
des Neichskammergerichts, die Verbesserung der Reichsgesetze. Im Verein mit
dem Kurfürsten von Mainz dachte Karl August auf die Berufung der in
dem Fürstenbund vereinigten Fürsten zu einem Congresse nach Mainz, an
welchem auch die minder mächtigen Mitglieder auf eine oder die andere Weise
theilnehmen könnten und auf welchem dem Bunde eine gemeinschaftlich po¬
litische Action verschafft werden sollte. „Den Kongreß zu Stande zu bringen,
schrieb der Herzog an Hardenberg, würde ein großer Schritt sein, um die
deutsche Reichsverfassung zu befestigen und zu verbessern und Deutschland von
der Herrschaft der Indolenz und Ungerechtigkeit zu befreien." Der Herzog
hatte bereits einen Plan ausgearbeitet und dem Kurfürsten von Mainz vor¬
gelegt, nach welchem die Sache angegriffen werden möge. Sehr umfassend
waren seine Vorschläge. Er dachte ein allgemeines deutsches Gesetzbuch für
Civilrecht und Criminalrecht, eine durchgreifende Verbesserung der Rechts¬
pflege zu veranlassen; womit dann der Austrag der Frage über Visitation
der Reichsgerichte und Recurse an den Reichstag zusammenhing. Karl
August meinte, die unirten Fürsten sollten einen gemeinschaftlichen Antrag
zu diesem Zweck an den Reichstag stellen, und zwar einen sehr eingehen¬
den; auch die Rechtsgelehrten der verschiedenen Landschaften wären auf¬
zufordern, ihre Gutachten darüber abzugeben. Karl August beabsichtigte


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341821_148602/506>, abgerufen am 28.09.2024.