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Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, II. Semester. I. Band.

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er die schwächliche Faust zu ballen sich vermißt. Er genießt von dort der
' schönsten, fast unbegrenzten Aussicht auf die unendliche schlesische Ebene zu
den Füßen seiner mittelalterlichen Burg und freut sich gewiß' recht herzlich,
wenn er da und dort eine Thurmspitze auftauchen steht, wo er von seinem
Pathmos aus, als ächter Nachfolger des Friedenfürsten, Haß und Lug giftigster
Art gesät hat und die Saat sorgfältig pflegt und pflegen läßt. Denn den
intimsten Verkehr mit den an einem einzigen Gängelbande zu leitenden Tau¬
senden von Automaten, die sich einbilden, feurige und von Herzensgrund auf¬
richtige Kämpfer der Kirche zu sein, kann Niemand verhindern, selbst wenn
man in Berlin die Spürhunde der Pariser Polizei zu den Glanzzeiten des
letzten Napoleon zur Disposition hätte. Das alles sind Abnormitäten, die uns
zeigen, wie viel noch trotz allem, was durch Gottes Gnade und das Verdienst
unserer Heere schon erreicht ist, daran fehlt, daß der preußische, der deutsche
Staat seinen richtigen organischen Ausbau auch nur in der Hauptsache voll¬
endet habe, Es steckt uns hier immer noch der Schlendrian und die Dilet-
tanterie, mit der unsere Verhältnisse nach außen seit dem Tode des großen
Königs fast ununterbrochen verdorben worden sind, allzusehr in den Gliedern.
Und da man nicht einmal 1866 die auf dem Präsentirteller gebotene Gelegen¬
heit zur Regelung resp. Abtrennung der Diöcese ergriff, wie .es heißt, weil
man aus zopfpreußischen Sparsamkeitsrücksichten einige Einbuße an Geld für
die Diöcese Breslau, folglich auch für die Steuereinnahme befürchtete, so wird
zum zweiten Mal eine solche nicht wieder kommen. Damals hätte es nur
ein Wort gekostet, denn die Oesterreicher waren ja zum mindesten zur Ab¬
tretung ihres Schlesiens bereit.

Ganz Glatz ist katholisch: evangelische Gemeinden von sehr spärlichen
Dimensionen haben sich seit der preußischen Occupation aus der Einwanderung
gebildet, die größte in der mit starker Garnison bedachten Hauptstadt Glatz,
die bisher für eine der wichtigsten Festungen des Staates galt und 1807
durch ihre glänzende Vertheidigung vor all den anderen schlestschen Festungen
sich hervorgethan hat. Neuerdings hört man, daß auch ihre Casflrung be¬
schlossene Sache sei, wie ja schon Silberberg "das schlesische Gibraltar", Schweid-
nitz, der Angelpunkt der letzten Evolutionen des siebenjährigen Krieges und
Cosel, das unzugängliche Sumpfnest, der modernen Stretagie zum Opfer ge¬
fallen sind.

Der Katholicismus der Glatzer wie der aller andern deutschen Schlesier
Hat his auf die Gegenwart ihrem intensiven Patriotismus und ihrer Staats¬
treue keinen Eintrag gethan. Selbst im Augenblick haben die fortgesetzten
Wühlereien der schwarzen Rotte, die wegen der bewußten Lügenhaftigkeit ihrer
revolutionären Ausstreuungen nicht mit einem deutschen Worte, sondern nur
mit dem fremden "infam" bezeichnet werden müssen, noch keinen unheilbaren


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er die schwächliche Faust zu ballen sich vermißt. Er genießt von dort der
' schönsten, fast unbegrenzten Aussicht auf die unendliche schlesische Ebene zu
den Füßen seiner mittelalterlichen Burg und freut sich gewiß' recht herzlich,
wenn er da und dort eine Thurmspitze auftauchen steht, wo er von seinem
Pathmos aus, als ächter Nachfolger des Friedenfürsten, Haß und Lug giftigster
Art gesät hat und die Saat sorgfältig pflegt und pflegen läßt. Denn den
intimsten Verkehr mit den an einem einzigen Gängelbande zu leitenden Tau¬
senden von Automaten, die sich einbilden, feurige und von Herzensgrund auf¬
richtige Kämpfer der Kirche zu sein, kann Niemand verhindern, selbst wenn
man in Berlin die Spürhunde der Pariser Polizei zu den Glanzzeiten des
letzten Napoleon zur Disposition hätte. Das alles sind Abnormitäten, die uns
zeigen, wie viel noch trotz allem, was durch Gottes Gnade und das Verdienst
unserer Heere schon erreicht ist, daran fehlt, daß der preußische, der deutsche
Staat seinen richtigen organischen Ausbau auch nur in der Hauptsache voll¬
endet habe, Es steckt uns hier immer noch der Schlendrian und die Dilet-
tanterie, mit der unsere Verhältnisse nach außen seit dem Tode des großen
Königs fast ununterbrochen verdorben worden sind, allzusehr in den Gliedern.
Und da man nicht einmal 1866 die auf dem Präsentirteller gebotene Gelegen¬
heit zur Regelung resp. Abtrennung der Diöcese ergriff, wie .es heißt, weil
man aus zopfpreußischen Sparsamkeitsrücksichten einige Einbuße an Geld für
die Diöcese Breslau, folglich auch für die Steuereinnahme befürchtete, so wird
zum zweiten Mal eine solche nicht wieder kommen. Damals hätte es nur
ein Wort gekostet, denn die Oesterreicher waren ja zum mindesten zur Ab¬
tretung ihres Schlesiens bereit.

Ganz Glatz ist katholisch: evangelische Gemeinden von sehr spärlichen
Dimensionen haben sich seit der preußischen Occupation aus der Einwanderung
gebildet, die größte in der mit starker Garnison bedachten Hauptstadt Glatz,
die bisher für eine der wichtigsten Festungen des Staates galt und 1807
durch ihre glänzende Vertheidigung vor all den anderen schlestschen Festungen
sich hervorgethan hat. Neuerdings hört man, daß auch ihre Casflrung be¬
schlossene Sache sei, wie ja schon Silberberg „das schlesische Gibraltar", Schweid-
nitz, der Angelpunkt der letzten Evolutionen des siebenjährigen Krieges und
Cosel, das unzugängliche Sumpfnest, der modernen Stretagie zum Opfer ge¬
fallen sind.

Der Katholicismus der Glatzer wie der aller andern deutschen Schlesier
Hat his auf die Gegenwart ihrem intensiven Patriotismus und ihrer Staats¬
treue keinen Eintrag gethan. Selbst im Augenblick haben die fortgesetzten
Wühlereien der schwarzen Rotte, die wegen der bewußten Lügenhaftigkeit ihrer
revolutionären Ausstreuungen nicht mit einem deutschen Worte, sondern nur
mit dem fremden „infam" bezeichnet werden müssen, noch keinen unheilbaren


Grenzen III. I«7S. 62
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341821_148602/497>, abgerufen am 29.06.2024.