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Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, II. Semester. I. Band.

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wo das Alte zum Untergange reifte. Neues an dessen Stelle gesetzt werden
sollte. Wirken und Thätigsein war das erste und dringendste Bedürfniß der
Natur Karl Augusts; er entzog sich die Ruhe und den Schlaf der Nacht und
füllte diese mit der umfassensten Geschäftsthätigkeit aus. Er kannte keine
höhere Obliegenheit, als sich seinem fürstlichen Beruf zu widmen. Seine
Person widmete er immer zuerst dem Lande, so daß regelmäßig des Morgens
die laufenden Geschäfte allem andern vorgingen , daß er in der Regel nicht
eher, als bis diese beendigt waren, jemanden vorließ, daß er die Geheimeraths-
Sitzungen nur bei ganz außerordentlichen Anlässen aussetzte, auch eine bereits
angesägte Jagd oder Fahrt aufschob oder aufhob wenn ein Geschäft es verlangte,
daß er bei Tag oder Nacht nie fehlte, wo er glaubte, daß seine persönliche Gegen¬
wart fördern oder aufmuntern könne, so wie er auch in den nicht zu Geschäften
bestimmten Zeiten eine sich bietende Gelegenheit, ein Geschäft zu fördern
oder zu enden, gewiß nicht unbenutzt vorbeigehen ließ. Was er für sich be¬
saß, was er für seine Person erhielt oder erlangte, er gab es dahin, wo es
am vortheilhaftesten wirken oder gebraucht werden konnte. Es war, als wenn
er in dieser Hinsicht den Begriff von Privateigenthum nicht kenne.

Wohl selten hat ein Fürst in gleicher Weise selbst geherrscht und das
Größte wie das Kleinste in Sachen des Gemeinwesens selbst geleitet, aber
selten auch hat sich ein Fürst in guter Absicht herrischer Willkür weniger
hingegeben, als Karl August. Denn er führte das ihm anvertraute Scepter
mit Gerechtigkeit und Milde und machte von der ihm zustehenden Gewalt
keinen andern, als gerechten Gebrauch. Er stellte sich selbst unter die Gewalt
des Gesetzes, das über Alle gebieten sollte. Karl August war der erste deutsche
Fürst, welcher durch ein den Zeitverhältnissen entsprechendes Grundgesetz über
die Rechte und Verhältnisse der Landstände seinem Volke noch für späte Zeiten
die bündigste Bürgschaft gesetzlicher Ordnung und bürgerlicher Freiheit gewährte.
Ja, was gewiß selten ist, der Fürst bewies sich freisinniger, als die Vertreter
des Landes selbst. Mit scharfem Kennerblick wählte Karl August die Diener
des Staates und wußte sie auf den rechten Platz zu stellen; er leuchtete ihnen
auch mit dem begeisternden Beispiele gemeinnütziger Wirksamkeit vor und
machte ihnen die Erfüllung ihrer Pflichten durch die regste Theilnahme an
ihrem Wirken zur Lust und Freude. Diejenigen Diener des Staates, welche
auf höherer oder niederer Stufe in seinem Geiste gewissenhaft ihre Pflicht er¬
füllten, wurden von ihm werthgeachtet und hochgeschätzt.

(Schluß folgt.)




wo das Alte zum Untergange reifte. Neues an dessen Stelle gesetzt werden
sollte. Wirken und Thätigsein war das erste und dringendste Bedürfniß der
Natur Karl Augusts; er entzog sich die Ruhe und den Schlaf der Nacht und
füllte diese mit der umfassensten Geschäftsthätigkeit aus. Er kannte keine
höhere Obliegenheit, als sich seinem fürstlichen Beruf zu widmen. Seine
Person widmete er immer zuerst dem Lande, so daß regelmäßig des Morgens
die laufenden Geschäfte allem andern vorgingen , daß er in der Regel nicht
eher, als bis diese beendigt waren, jemanden vorließ, daß er die Geheimeraths-
Sitzungen nur bei ganz außerordentlichen Anlässen aussetzte, auch eine bereits
angesägte Jagd oder Fahrt aufschob oder aufhob wenn ein Geschäft es verlangte,
daß er bei Tag oder Nacht nie fehlte, wo er glaubte, daß seine persönliche Gegen¬
wart fördern oder aufmuntern könne, so wie er auch in den nicht zu Geschäften
bestimmten Zeiten eine sich bietende Gelegenheit, ein Geschäft zu fördern
oder zu enden, gewiß nicht unbenutzt vorbeigehen ließ. Was er für sich be¬
saß, was er für seine Person erhielt oder erlangte, er gab es dahin, wo es
am vortheilhaftesten wirken oder gebraucht werden konnte. Es war, als wenn
er in dieser Hinsicht den Begriff von Privateigenthum nicht kenne.

Wohl selten hat ein Fürst in gleicher Weise selbst geherrscht und das
Größte wie das Kleinste in Sachen des Gemeinwesens selbst geleitet, aber
selten auch hat sich ein Fürst in guter Absicht herrischer Willkür weniger
hingegeben, als Karl August. Denn er führte das ihm anvertraute Scepter
mit Gerechtigkeit und Milde und machte von der ihm zustehenden Gewalt
keinen andern, als gerechten Gebrauch. Er stellte sich selbst unter die Gewalt
des Gesetzes, das über Alle gebieten sollte. Karl August war der erste deutsche
Fürst, welcher durch ein den Zeitverhältnissen entsprechendes Grundgesetz über
die Rechte und Verhältnisse der Landstände seinem Volke noch für späte Zeiten
die bündigste Bürgschaft gesetzlicher Ordnung und bürgerlicher Freiheit gewährte.
Ja, was gewiß selten ist, der Fürst bewies sich freisinniger, als die Vertreter
des Landes selbst. Mit scharfem Kennerblick wählte Karl August die Diener
des Staates und wußte sie auf den rechten Platz zu stellen; er leuchtete ihnen
auch mit dem begeisternden Beispiele gemeinnütziger Wirksamkeit vor und
machte ihnen die Erfüllung ihrer Pflichten durch die regste Theilnahme an
ihrem Wirken zur Lust und Freude. Diejenigen Diener des Staates, welche
auf höherer oder niederer Stufe in seinem Geiste gewissenhaft ihre Pflicht er¬
füllten, wurden von ihm werthgeachtet und hochgeschätzt.

(Schluß folgt.)




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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341821_148602/459>, abgerufen am 29.06.2024.