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Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, II. Semester. I. Band.

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400 Thaler aus seiner Chatoulle an die Armen in Weimar und in Eisenach
zu vertheilen. -- Als Karl August Landesfürst geworden war, traf kein
Unglück das Land, welches er in seinem Herzen nicht mitgetragen, daß er
nicht durch schleunige werkthätige Unterstützung zu mildern gesucht hätte. Kein
Brand brach aus in Weimar oder in dessen Nähe, zu dem der Fürst nicht
augenblicklich herbeieilte. Und wie wirkte da schon der Ruf: "Der Gro߬
herzog ist da," tröstend für die Betroffenen und ermunternd für die Hülfe
leistenden. Die zweckmäßigsten Maßregeln wurden ergriffen, jeder legte eifrig
Hand an. Aber auch an den Volksfesten nahm der Fürst bis in sein hohes
Alter herzlichen Antheil; bei den jährlichen Vogelschießen in Weimar schoß
der Großherzog selbst mit nach dem Vogel. Wie ein Vater unter seinen
Kindern benahm er sich, wenn die Landleute bei seinem ländlichen Aufent¬
halt zu Wilhelmsthal sich um ihn drängten. Auf seinen Jagden und auf
seinen Reisen im Lande und in der Fremde hatte er für jeden, der sich ihm
näherte, freundliche Worte und offenes Gehör. Zahlreichen, zum Theil Hülf¬
losen Emigrirten gewährte Karl August in Eisenach und in Weimar Zu¬
fluchtsstätten und Unterstützung. Den preußischen Waffenbrüdern öffnete er
nach der Schlacht bei Jena in Weimar ein Asyl und nahm sie in seine
Dienste, obgleich der mächtige Kaiser der Franzosen darüber grollte und sich
von seinen Spionen jedes Wort des hochherzigen, freisinnigen deutschen
Fürsten hinterbringen ließ. Unvergessen ist seine Treue gegen den König von
Preußen nach der Schlacht bei -Jena. Trotz aller ihm drohenden Gefahr
konnte er nur durch einen für beide Fürsten gleich ehrenvollen Brief des
Königs bewogen werden, sein Commando niederzulegen und die preußischen
Kriegsdienste zu verlassen. Fest und würdevoll blieb seine Haltung auch dem
gewaltigen Bonaparte gegenüber, vor dem andere sich'bis zur Erde neigten.
Nicht Drohungen, nicht die Ermahnungen Befreundeter, nicht die durch Ver¬
traute des Kaisers gegebenen Anregungen und eröffneten glänzenden Aussich¬
ten konnten ihn bewegen, die von Napoleon so sehr gewünschte Ergebenheit
zu zeigen. Darin eben bewies sich die Größe Karl August's, daß der gewal¬
tige Eroberer, welcher sonst die seinen Zwecken widerstrebende Menschenwürde
nicht zu achten gewohnt war, mit einer gewissen Scheu vor Karl August er¬
füllt wurde, daß er in Weimar und bei dem Herzog von Weimar vieles hin¬
gehen ließ, was an jedem anderen Orte und bei jedem anderen Fürsten hart
geahndet worden wäre, ja daß Napoleon selbst die Hochachtung, welche ihm
Karl August kund zu geben sich weigerte, diesem zu beweisen sich nicht ent¬
halten konnte. Als vor dem Feldzug nach Rußland Napoleon zu Dresden
unter der Menge der anwesenden Fürsten den Herzog von Weimar erblickte,
nahm er ihn sogleich bei Seite an ein Fenster und unterhielt sich zwei Stun¬
den lang vertraulich mit ihm. Er legte ihm seine Beschwerden gegen Ale-


400 Thaler aus seiner Chatoulle an die Armen in Weimar und in Eisenach
zu vertheilen. — Als Karl August Landesfürst geworden war, traf kein
Unglück das Land, welches er in seinem Herzen nicht mitgetragen, daß er
nicht durch schleunige werkthätige Unterstützung zu mildern gesucht hätte. Kein
Brand brach aus in Weimar oder in dessen Nähe, zu dem der Fürst nicht
augenblicklich herbeieilte. Und wie wirkte da schon der Ruf: „Der Gro߬
herzog ist da," tröstend für die Betroffenen und ermunternd für die Hülfe
leistenden. Die zweckmäßigsten Maßregeln wurden ergriffen, jeder legte eifrig
Hand an. Aber auch an den Volksfesten nahm der Fürst bis in sein hohes
Alter herzlichen Antheil; bei den jährlichen Vogelschießen in Weimar schoß
der Großherzog selbst mit nach dem Vogel. Wie ein Vater unter seinen
Kindern benahm er sich, wenn die Landleute bei seinem ländlichen Aufent¬
halt zu Wilhelmsthal sich um ihn drängten. Auf seinen Jagden und auf
seinen Reisen im Lande und in der Fremde hatte er für jeden, der sich ihm
näherte, freundliche Worte und offenes Gehör. Zahlreichen, zum Theil Hülf¬
losen Emigrirten gewährte Karl August in Eisenach und in Weimar Zu¬
fluchtsstätten und Unterstützung. Den preußischen Waffenbrüdern öffnete er
nach der Schlacht bei Jena in Weimar ein Asyl und nahm sie in seine
Dienste, obgleich der mächtige Kaiser der Franzosen darüber grollte und sich
von seinen Spionen jedes Wort des hochherzigen, freisinnigen deutschen
Fürsten hinterbringen ließ. Unvergessen ist seine Treue gegen den König von
Preußen nach der Schlacht bei -Jena. Trotz aller ihm drohenden Gefahr
konnte er nur durch einen für beide Fürsten gleich ehrenvollen Brief des
Königs bewogen werden, sein Commando niederzulegen und die preußischen
Kriegsdienste zu verlassen. Fest und würdevoll blieb seine Haltung auch dem
gewaltigen Bonaparte gegenüber, vor dem andere sich'bis zur Erde neigten.
Nicht Drohungen, nicht die Ermahnungen Befreundeter, nicht die durch Ver¬
traute des Kaisers gegebenen Anregungen und eröffneten glänzenden Aussich¬
ten konnten ihn bewegen, die von Napoleon so sehr gewünschte Ergebenheit
zu zeigen. Darin eben bewies sich die Größe Karl August's, daß der gewal¬
tige Eroberer, welcher sonst die seinen Zwecken widerstrebende Menschenwürde
nicht zu achten gewohnt war, mit einer gewissen Scheu vor Karl August er¬
füllt wurde, daß er in Weimar und bei dem Herzog von Weimar vieles hin¬
gehen ließ, was an jedem anderen Orte und bei jedem anderen Fürsten hart
geahndet worden wäre, ja daß Napoleon selbst die Hochachtung, welche ihm
Karl August kund zu geben sich weigerte, diesem zu beweisen sich nicht ent¬
halten konnte. Als vor dem Feldzug nach Rußland Napoleon zu Dresden
unter der Menge der anwesenden Fürsten den Herzog von Weimar erblickte,
nahm er ihn sogleich bei Seite an ein Fenster und unterhielt sich zwei Stun¬
den lang vertraulich mit ihm. Er legte ihm seine Beschwerden gegen Ale-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341821_148602/456>, abgerufen am 29.06.2024.