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Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, II. Semester. I. Band.

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um desto länger mit einem Fürsten und für einen Fürsten, der der Mensch¬
heit so viel Gutes verspricht, leben zu können." In weit späterer Zeit sagte
Goethe von dem Großherzog Karl August: "Er hatte die Gabe Geister und
Charaktere zu unterscheiden und Jeden an seinen Platz zu stellen. Er war
beseelt von dem besten Wohlwollen, von der reinsten Menschenliebe und wollte
mit ganzer Seele nur das Beste. Er dachte immer zuerst an das Glück des
Landes und ganz zuletzt ein wenig an sich selbst. Edlen Menschen entgegen
zu kommen, gute Zwecke befördern zu helfen, war seine Hand immer bereit
und offen. Es war in ihm viel Göttliches. Er hätte die ganze Menschheit
beglücken mögen. Liebe aber erzeugt Liebe, und wer geliebt ist, hat leicht
regieren." In allen Lagen des Lebens zeigte Karl August einen hohen Adel
der Seele und ein menschlich fühlendes Herz. Die tiefste kindliche Ehrfurcht
erwies er seiner edlen Mutter; in zarter Achtung, Aufmerksamkeit und Liebe
war er der treuen Gefährtin seines Lebens zugethan. Mit väterlicher Sorg¬
falt und inniger Liebe umfaßte er alle Glieder seiner Familie; er starb auf
einer Reise, welche er aus Liebe zu seinem Urenkel unternommen hatte. Nie
erkaltende Dankbarkeit bewahrte er den Lehrern und Lettern seiner Jugend
und allen denen, welche ihm durch ein inniges Verhältniß lieb und werth
geworden waren. Nachsicht und Güte übte er allezeit gegen diejenigen, welche
sich aus Leichtsinn und Unachtsamkeit gegen ihn vergingen. Er zeigte uner¬
schöpfliche Erfindsamkeit, wenn es galt, denen Genugthuung zu geben, wel¬
chen er selbst in menschlicher Uebereilung einmal wehe gethan zu haben
glaubte. Er brachte löblichen Zwecken jedes Opfer, setzte seinen persönlichen
Vortheil demjenigen nach, was er für recht und gut erkannte, hielt treu und
wahrhaftig an seinem gegebenen Worte und machte mit rücksichtsloser Strenge
bei pflichtwidrigem Zumuthungen die Stimme des Gewissens geltend.

Das Familienleben war ihm heilig; er machte sich ein Gewissen daraus
seine Diener in Anspruch zu nehmen, wenn sie ein häusliches Leid zu tragen
oder eine häusliche Freude zu genießen hatten. Alles, was zur Verminde¬
rung des Familienelends beitrug, war der Gegenstand seiner eifrigsten Sorg¬
falt. Die sprechendsten Beweise von Herzensgüte gab er auf seinen Feld¬
zügen. Für seine Untergebenen trug er mit eigener Aufopferung die gewissen¬
hafteste Sorge, er hielt auf strenge Mannszucht, duldete keine Verletzung der
Wehrlosen und verbot jede Plünderung. Mit edler Menschenliebe nahm er
Antheil an den Freuden wie an dem Unglück aller seiner Unterthanen. In
den Jahren 1771 und 1772 litt ganz Thüringen unter den Schrecken einer
Hungersnoth, in deren Gefolge ansteckende Krankheiten sich überall verbreiteten,
an denen die Menschen und die Hausthiere starben. Damals richtete der
Erbprinz Karl August einen Brief an den Geheimen Rath von Frttsch, in
welchem er diesen bat, ihm von seiner Mutter die Erlaubniß zu verschaffen,


um desto länger mit einem Fürsten und für einen Fürsten, der der Mensch¬
heit so viel Gutes verspricht, leben zu können." In weit späterer Zeit sagte
Goethe von dem Großherzog Karl August: „Er hatte die Gabe Geister und
Charaktere zu unterscheiden und Jeden an seinen Platz zu stellen. Er war
beseelt von dem besten Wohlwollen, von der reinsten Menschenliebe und wollte
mit ganzer Seele nur das Beste. Er dachte immer zuerst an das Glück des
Landes und ganz zuletzt ein wenig an sich selbst. Edlen Menschen entgegen
zu kommen, gute Zwecke befördern zu helfen, war seine Hand immer bereit
und offen. Es war in ihm viel Göttliches. Er hätte die ganze Menschheit
beglücken mögen. Liebe aber erzeugt Liebe, und wer geliebt ist, hat leicht
regieren." In allen Lagen des Lebens zeigte Karl August einen hohen Adel
der Seele und ein menschlich fühlendes Herz. Die tiefste kindliche Ehrfurcht
erwies er seiner edlen Mutter; in zarter Achtung, Aufmerksamkeit und Liebe
war er der treuen Gefährtin seines Lebens zugethan. Mit väterlicher Sorg¬
falt und inniger Liebe umfaßte er alle Glieder seiner Familie; er starb auf
einer Reise, welche er aus Liebe zu seinem Urenkel unternommen hatte. Nie
erkaltende Dankbarkeit bewahrte er den Lehrern und Lettern seiner Jugend
und allen denen, welche ihm durch ein inniges Verhältniß lieb und werth
geworden waren. Nachsicht und Güte übte er allezeit gegen diejenigen, welche
sich aus Leichtsinn und Unachtsamkeit gegen ihn vergingen. Er zeigte uner¬
schöpfliche Erfindsamkeit, wenn es galt, denen Genugthuung zu geben, wel¬
chen er selbst in menschlicher Uebereilung einmal wehe gethan zu haben
glaubte. Er brachte löblichen Zwecken jedes Opfer, setzte seinen persönlichen
Vortheil demjenigen nach, was er für recht und gut erkannte, hielt treu und
wahrhaftig an seinem gegebenen Worte und machte mit rücksichtsloser Strenge
bei pflichtwidrigem Zumuthungen die Stimme des Gewissens geltend.

Das Familienleben war ihm heilig; er machte sich ein Gewissen daraus
seine Diener in Anspruch zu nehmen, wenn sie ein häusliches Leid zu tragen
oder eine häusliche Freude zu genießen hatten. Alles, was zur Verminde¬
rung des Familienelends beitrug, war der Gegenstand seiner eifrigsten Sorg¬
falt. Die sprechendsten Beweise von Herzensgüte gab er auf seinen Feld¬
zügen. Für seine Untergebenen trug er mit eigener Aufopferung die gewissen¬
hafteste Sorge, er hielt auf strenge Mannszucht, duldete keine Verletzung der
Wehrlosen und verbot jede Plünderung. Mit edler Menschenliebe nahm er
Antheil an den Freuden wie an dem Unglück aller seiner Unterthanen. In
den Jahren 1771 und 1772 litt ganz Thüringen unter den Schrecken einer
Hungersnoth, in deren Gefolge ansteckende Krankheiten sich überall verbreiteten,
an denen die Menschen und die Hausthiere starben. Damals richtete der
Erbprinz Karl August einen Brief an den Geheimen Rath von Frttsch, in
welchem er diesen bat, ihm von seiner Mutter die Erlaubniß zu verschaffen,


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341821_148602/455>, abgerufen am 28.09.2024.