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Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, II. Semester. I. Band.

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Karl August strebte nicht nach Gelehrsamkeit, um mit dieser zu prunken, son¬
dern nach Kenntnissen, insofern diese brauchbar sind, das Leben zu verschö¬
nern. -- Bon den Wissenschaften liebte er besonders die Naturwissenschaften.
Alle drei Reiche der Natur zogen seine Aufmerksamkeit auf sich. Es war
aber weniger die systematische Naturgeschichte, die ihn interessirte, als die An¬
schauung und Beobachtung der Naturkörper selbst. Die Zoologie hatte viel¬
leicht den meisten Reiz für ihn; aber da dieselbe in seinem Sinne nur in
großen und höchst kostbaren Menagerien studirt werden konnte, so beschränkte
er sich auf die Beobachtung der jagdbaren und der Hausthiere, und die Ken¬
ner wurden oft überrascht durch die zahlreichen und interessanten Bemerkun¬
gen, die er in diesem Bereich gemacht hatte und mittheilte. Er glaubte
es auch aufgeben zu müssen, die zoologische Sammlung zu Jena, dem jetzi¬
gen ungeheuren Umfange des Thierreichs angemessen, vervollständigen zu las¬
sen, zumal die Gegenstände zum Theil so sehr leicht dem Verderben unter¬
worfen sind. Aber er suchte wenigstens durch Anschaffung der zoologischen
Kupferwerke die Abbildungen zu erhalten und schonte darin keine Kosten. Die
neuen kommenden Werke oder Hefte behielt er immer erst einige Wochen auf
seinem Tische, ehe er sie an die Bibliotheken abgeben ließ. Wenn in Fro-
rings "Notizen aus dem Gebiete der Natur- und Heilkunde," deren eifriger
Leser er war, etwas nur kurz berührt war oder genauere anatomische Kennt¬
nisse erforderte, um ganz verstanden zu werden, so unterließ der Großherzog
selten, danach zu fragen. Für die Botanik war er im größeren Umfange thä¬
tig, weil er sich eine Sammlung lebendiger Pflanzen verschaffen und unter¬
halten konnte und ihm auf diesem Felde täglich neue Gegenstände der Beob¬
achtung entgegen wuchsen. Seine Pflanzensammlung in Belvedere gehörte zu
den wichtigsten in Europa. Der Großherzog hatte nicht etwa bloß die Ab¬
sicht eine botanische Seltenheit zu besitzen, sondern auch den Wunsch, das
Wachsen, die Entwickelung, das Blühen und die Reife, kurz das Leben der
Pflanzen zu beobachten. Und um zu glauben, wie ihn solche Beobachtungen
beschäftigten, mußte man entweder ihn sehen, wenn er unter den Gewächsen
verweilte, oder man muß die Gärtner in Belvedere, Jena und Eisenach fra¬
gen, oder sich bei den Vorstehern anderer botanischen Gärten erkundigen.
Wie manche aus der eigenen Beobachtung geschöpfte Bemerkung über die
Wirkung der äußeren Einflüsse auf das Gedeihen der Pflanzen hat er ge¬
macht! Wie mancher Versuch über die Behandlung und Acclimatisirung von
Gewächsen fremder Länder ist auf seine ausdrückliche Veranlassung gemacht
worden! Wie sehr er das Studium der Mineralogie begünstigte, davon giebt
die in Jena befindliche Sammlung Zeugniß, für welche er nicht allein nicht
unbedeutende Ankäufe aus seiner Chatoulle machte, sondern für welche er
meistens auch von seinen Reisen einzelne Stücke mitbrachte, die er entweder


Karl August strebte nicht nach Gelehrsamkeit, um mit dieser zu prunken, son¬
dern nach Kenntnissen, insofern diese brauchbar sind, das Leben zu verschö¬
nern. — Bon den Wissenschaften liebte er besonders die Naturwissenschaften.
Alle drei Reiche der Natur zogen seine Aufmerksamkeit auf sich. Es war
aber weniger die systematische Naturgeschichte, die ihn interessirte, als die An¬
schauung und Beobachtung der Naturkörper selbst. Die Zoologie hatte viel¬
leicht den meisten Reiz für ihn; aber da dieselbe in seinem Sinne nur in
großen und höchst kostbaren Menagerien studirt werden konnte, so beschränkte
er sich auf die Beobachtung der jagdbaren und der Hausthiere, und die Ken¬
ner wurden oft überrascht durch die zahlreichen und interessanten Bemerkun¬
gen, die er in diesem Bereich gemacht hatte und mittheilte. Er glaubte
es auch aufgeben zu müssen, die zoologische Sammlung zu Jena, dem jetzi¬
gen ungeheuren Umfange des Thierreichs angemessen, vervollständigen zu las¬
sen, zumal die Gegenstände zum Theil so sehr leicht dem Verderben unter¬
worfen sind. Aber er suchte wenigstens durch Anschaffung der zoologischen
Kupferwerke die Abbildungen zu erhalten und schonte darin keine Kosten. Die
neuen kommenden Werke oder Hefte behielt er immer erst einige Wochen auf
seinem Tische, ehe er sie an die Bibliotheken abgeben ließ. Wenn in Fro-
rings „Notizen aus dem Gebiete der Natur- und Heilkunde," deren eifriger
Leser er war, etwas nur kurz berührt war oder genauere anatomische Kennt¬
nisse erforderte, um ganz verstanden zu werden, so unterließ der Großherzog
selten, danach zu fragen. Für die Botanik war er im größeren Umfange thä¬
tig, weil er sich eine Sammlung lebendiger Pflanzen verschaffen und unter¬
halten konnte und ihm auf diesem Felde täglich neue Gegenstände der Beob¬
achtung entgegen wuchsen. Seine Pflanzensammlung in Belvedere gehörte zu
den wichtigsten in Europa. Der Großherzog hatte nicht etwa bloß die Ab¬
sicht eine botanische Seltenheit zu besitzen, sondern auch den Wunsch, das
Wachsen, die Entwickelung, das Blühen und die Reife, kurz das Leben der
Pflanzen zu beobachten. Und um zu glauben, wie ihn solche Beobachtungen
beschäftigten, mußte man entweder ihn sehen, wenn er unter den Gewächsen
verweilte, oder man muß die Gärtner in Belvedere, Jena und Eisenach fra¬
gen, oder sich bei den Vorstehern anderer botanischen Gärten erkundigen.
Wie manche aus der eigenen Beobachtung geschöpfte Bemerkung über die
Wirkung der äußeren Einflüsse auf das Gedeihen der Pflanzen hat er ge¬
macht! Wie mancher Versuch über die Behandlung und Acclimatisirung von
Gewächsen fremder Länder ist auf seine ausdrückliche Veranlassung gemacht
worden! Wie sehr er das Studium der Mineralogie begünstigte, davon giebt
die in Jena befindliche Sammlung Zeugniß, für welche er nicht allein nicht
unbedeutende Ankäufe aus seiner Chatoulle machte, sondern für welche er
meistens auch von seinen Reisen einzelne Stücke mitbrachte, die er entweder


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[0451] Karl August strebte nicht nach Gelehrsamkeit, um mit dieser zu prunken, son¬ dern nach Kenntnissen, insofern diese brauchbar sind, das Leben zu verschö¬ nern. — Bon den Wissenschaften liebte er besonders die Naturwissenschaften. Alle drei Reiche der Natur zogen seine Aufmerksamkeit auf sich. Es war aber weniger die systematische Naturgeschichte, die ihn interessirte, als die An¬ schauung und Beobachtung der Naturkörper selbst. Die Zoologie hatte viel¬ leicht den meisten Reiz für ihn; aber da dieselbe in seinem Sinne nur in großen und höchst kostbaren Menagerien studirt werden konnte, so beschränkte er sich auf die Beobachtung der jagdbaren und der Hausthiere, und die Ken¬ ner wurden oft überrascht durch die zahlreichen und interessanten Bemerkun¬ gen, die er in diesem Bereich gemacht hatte und mittheilte. Er glaubte es auch aufgeben zu müssen, die zoologische Sammlung zu Jena, dem jetzi¬ gen ungeheuren Umfange des Thierreichs angemessen, vervollständigen zu las¬ sen, zumal die Gegenstände zum Theil so sehr leicht dem Verderben unter¬ worfen sind. Aber er suchte wenigstens durch Anschaffung der zoologischen Kupferwerke die Abbildungen zu erhalten und schonte darin keine Kosten. Die neuen kommenden Werke oder Hefte behielt er immer erst einige Wochen auf seinem Tische, ehe er sie an die Bibliotheken abgeben ließ. Wenn in Fro- rings „Notizen aus dem Gebiete der Natur- und Heilkunde," deren eifriger Leser er war, etwas nur kurz berührt war oder genauere anatomische Kennt¬ nisse erforderte, um ganz verstanden zu werden, so unterließ der Großherzog selten, danach zu fragen. Für die Botanik war er im größeren Umfange thä¬ tig, weil er sich eine Sammlung lebendiger Pflanzen verschaffen und unter¬ halten konnte und ihm auf diesem Felde täglich neue Gegenstände der Beob¬ achtung entgegen wuchsen. Seine Pflanzensammlung in Belvedere gehörte zu den wichtigsten in Europa. Der Großherzog hatte nicht etwa bloß die Ab¬ sicht eine botanische Seltenheit zu besitzen, sondern auch den Wunsch, das Wachsen, die Entwickelung, das Blühen und die Reife, kurz das Leben der Pflanzen zu beobachten. Und um zu glauben, wie ihn solche Beobachtungen beschäftigten, mußte man entweder ihn sehen, wenn er unter den Gewächsen verweilte, oder man muß die Gärtner in Belvedere, Jena und Eisenach fra¬ gen, oder sich bei den Vorstehern anderer botanischen Gärten erkundigen. Wie manche aus der eigenen Beobachtung geschöpfte Bemerkung über die Wirkung der äußeren Einflüsse auf das Gedeihen der Pflanzen hat er ge¬ macht! Wie mancher Versuch über die Behandlung und Acclimatisirung von Gewächsen fremder Länder ist auf seine ausdrückliche Veranlassung gemacht worden! Wie sehr er das Studium der Mineralogie begünstigte, davon giebt die in Jena befindliche Sammlung Zeugniß, für welche er nicht allein nicht unbedeutende Ankäufe aus seiner Chatoulle machte, sondern für welche er meistens auch von seinen Reisen einzelne Stücke mitbrachte, die er entweder

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341821_148602/451>, abgerufen am 29.06.2024.