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Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, II. Semester. I. Band.

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habe, etwas leicht zu fassen und zu begreifen, daß er ein besonders gutes
Gedächtniß und eine für sein Alter reife Urtheilskraft besitze, daß er die
Stunden des Lernens gerne abwarte und immer das Verlangen und seine
Freude bezeuge, etwas Neues zu lernen. Der Graf Görtz sprach in seinem
ersten Berichte die Hoffnung aus, daß der Erbprinz, wenn nicht Krankheiten
die Hoffnung vereiteln sollten, in frühen Jahren ein Herr von vielen Wissen¬
schaften und Kenntnissen werden würde. Die Hoffnungen des Grafen Görtz
gingen in Erfüllung. Die Geisteskraft von Karl August zeigte sich in dem
Streben nach allseitiger geistiger Ausbildung. Schon als Kind und Jüng¬
ling zog er die Aufmerksamkeit aller derer auf sich, welche Geister zu prüfen
und zu würdigen verstanden; seine Erzieher und Lehrer sahen sich von den
dem Prinzen inwohnenden Gaben und Fähigkeiten bei jedem Anlasse auf das
Freudigste überrascht. Der größte und geistvollste König jener Zeit, Fried¬
rich II., sagte von dem vierzehnjährigen Prinzen, er habe noch nie einen jun¬
gen Menschen von diesem Alter gesehen, der zu so großen Hoffnungen be¬
rechtigt habe. Der geistreiche Dalberg schrieb über den Prinzen, daß er solch
eine Fürstenseele noch nie gesehen habe. Und doch waren dieß nur die An¬
fänge der geistigen Größe, welche Karl August in seinen späteren und rei¬
feren Jahren kund gegeben hat. Die Wißbegierde und Lebhaftigkeit, welche
ihn in der Jugend ausgezeichnet, ist ihm auch im Alter, ja bis zu den letz¬
ten Stunden seines Lebens geblieben.

Kein Zweig des Wissens, keine Art des Wirkens war ihm gleichgültig,
aber vorzugsweise war er doch dem Anwendbaren, dem Gemeinnützigen zuge¬
wendet. Von Gott auf einen eigenthümlichen Lebensberuf hingewiesen,
überließ er zwar den Gelehrten die Gelehrsamkeit, aber die schönsten Blüthen
und Früchte derselben, die gemeinnützigen, das Glück und die Bildung der
Menschheit fördernden Ergebnisse menschlicher Wissenschaft, waren der Ge¬
genstand seines eifrigsten Strebens, und an den Erwerb derselben setzte er
seine ganze seltene Geisteskraft. Von frühester Jugend bis in sein spätestes
Alter, bet seinem Verweilen in der Heimath und auf seinen Reisen in frem¬
den Ländern, in dem Genusse stiller Einsamkeit und während seines Verkehrs
mit Menschen aller Stände, trieb ihn das unstillbare Bedürfniß, sich von je¬
der Erweiterung des menschlichen Wissens, von jeder Erfindung im Gebiete
der Gewerbe und Künste, von jedem Fortschritt des Landbaues, der Forst¬
wirthschaft und des Kriegswesens, von jedem neuen Aufschlüsse über die Ge¬
schichte der Menschheit, von jedem glücklichen Eindringen in das geheime
Getriebe der Naturkräfte, von jeder sinnigen Anwendung derselben zum all¬
gemeinen Nutzen die genauste Kenntniß zu verschaffen, alle Anstalten und
Einrichtungen im häuslichen, bürgerlichen und kirchlichen Leben nach ihrem
Grund und Wesen, nach ihren Vortheilen und Nachtheilen kennen zu lernen.


habe, etwas leicht zu fassen und zu begreifen, daß er ein besonders gutes
Gedächtniß und eine für sein Alter reife Urtheilskraft besitze, daß er die
Stunden des Lernens gerne abwarte und immer das Verlangen und seine
Freude bezeuge, etwas Neues zu lernen. Der Graf Görtz sprach in seinem
ersten Berichte die Hoffnung aus, daß der Erbprinz, wenn nicht Krankheiten
die Hoffnung vereiteln sollten, in frühen Jahren ein Herr von vielen Wissen¬
schaften und Kenntnissen werden würde. Die Hoffnungen des Grafen Görtz
gingen in Erfüllung. Die Geisteskraft von Karl August zeigte sich in dem
Streben nach allseitiger geistiger Ausbildung. Schon als Kind und Jüng¬
ling zog er die Aufmerksamkeit aller derer auf sich, welche Geister zu prüfen
und zu würdigen verstanden; seine Erzieher und Lehrer sahen sich von den
dem Prinzen inwohnenden Gaben und Fähigkeiten bei jedem Anlasse auf das
Freudigste überrascht. Der größte und geistvollste König jener Zeit, Fried¬
rich II., sagte von dem vierzehnjährigen Prinzen, er habe noch nie einen jun¬
gen Menschen von diesem Alter gesehen, der zu so großen Hoffnungen be¬
rechtigt habe. Der geistreiche Dalberg schrieb über den Prinzen, daß er solch
eine Fürstenseele noch nie gesehen habe. Und doch waren dieß nur die An¬
fänge der geistigen Größe, welche Karl August in seinen späteren und rei¬
feren Jahren kund gegeben hat. Die Wißbegierde und Lebhaftigkeit, welche
ihn in der Jugend ausgezeichnet, ist ihm auch im Alter, ja bis zu den letz¬
ten Stunden seines Lebens geblieben.

Kein Zweig des Wissens, keine Art des Wirkens war ihm gleichgültig,
aber vorzugsweise war er doch dem Anwendbaren, dem Gemeinnützigen zuge¬
wendet. Von Gott auf einen eigenthümlichen Lebensberuf hingewiesen,
überließ er zwar den Gelehrten die Gelehrsamkeit, aber die schönsten Blüthen
und Früchte derselben, die gemeinnützigen, das Glück und die Bildung der
Menschheit fördernden Ergebnisse menschlicher Wissenschaft, waren der Ge¬
genstand seines eifrigsten Strebens, und an den Erwerb derselben setzte er
seine ganze seltene Geisteskraft. Von frühester Jugend bis in sein spätestes
Alter, bet seinem Verweilen in der Heimath und auf seinen Reisen in frem¬
den Ländern, in dem Genusse stiller Einsamkeit und während seines Verkehrs
mit Menschen aller Stände, trieb ihn das unstillbare Bedürfniß, sich von je¬
der Erweiterung des menschlichen Wissens, von jeder Erfindung im Gebiete
der Gewerbe und Künste, von jedem Fortschritt des Landbaues, der Forst¬
wirthschaft und des Kriegswesens, von jedem neuen Aufschlüsse über die Ge¬
schichte der Menschheit, von jedem glücklichen Eindringen in das geheime
Getriebe der Naturkräfte, von jeder sinnigen Anwendung derselben zum all¬
gemeinen Nutzen die genauste Kenntniß zu verschaffen, alle Anstalten und
Einrichtungen im häuslichen, bürgerlichen und kirchlichen Leben nach ihrem
Grund und Wesen, nach ihren Vortheilen und Nachtheilen kennen zu lernen.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341821_148602/450>, abgerufen am 26.06.2024.