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Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, II. Semester. I. Band.

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maßregeln, die Capitain Thomas freilich vernachlässigte, beweist der Fall der
englischen Fregatte, die sich plötzlich bei aufhellenden Nebel inmitten der
furchtbaren Crim Rocks entdeckte.

Der Gerichtshof sagt: Hätte man um 8 Uhr Abends, oder selbst noch
um 9 Uhr Abends einen Wurf mit dem Senkblei gethan, ehe man den Kurs
nach S. S. W. änderte, so 'würde die Tiefe des Wassers und die Meeresbo¬
denbeschaffenheit die Nähe der Gefahr und den Irrthum in ihrer Berechnung
angezeigt und wahrscheinlich das Unglück verhindert haben! Es steht
fest, daß eine Tiefenmessung um 8 Uhr oder 9 Uhr dem Capitain einen Fin¬
gerzeig geben mußte, daß er sich in seiner Berechnung geirrt, daß aber ein
Wurf des Loths demselben schon um 8 Uhr ihn wirklich warnen mußte,
ist keineswegs gewiß. Um 8 Uhr befand sich der Schiller noch 19 Meilen
westlich von Bishop Rock. Die Tiefe daselbst ist zwischen 50 und 48 Faden.
Sah Thomas, daß er statt 50 -- 55 Faden, 2 bis 7 Faden weniger Tiefe
erhielt, fo mußte er annehmen, daß er um etwa 25 Meilen näher dem Lande
sei, als er dachte; aber er konnte deshalb doch annehmen, er halte noch den
richtigen Kurs. Denn 48--50 Faden Tiefe erhielt er auch auf dem 8 Mei¬
len südlicheren Kurs von Scilly, den er zu fahren vermuthete. Mit einem
Wurf des Bleis um 8 Uhr wäre es gar nicht gethan gewesen. Erst bei
wiederholten Messungen hätte der Capitain Thomas erkannt, daß er einen
Kurs steuere, der ihn nördlich vom Bishop Rock führen müsse; und daß
er das unterließ, war allerdings ein schwerer Fehler. Denn wenige hundert
Meter vor den Scilly-Jnseln steigt der Meeresboden jäh und steil, während
südlich derselben die Meerestiefe ziemlich dieselbe bleibt.

Hätte Thomas also von 8--9 Uhr etwa vier Messungen gemacht, um
sicher zu gehen, so hätte er um 9 Uhr etwa 30, dann 24, dann 17 Faden
Tiefe gefunden. Doch auch dann, (wäre er nach der Aussage der Lootsen
jener Gegend gesteuert), auch dann noch war sein Schiff in Gefahr. 17 Fa¬
den Tiefe sind sowohl direct vor den Crim Rocks, als vor Bishop Rock, als
auch auf der Untiefe der Retarier Ledges, über welche der Schiller zwischen
den beiden Felsengruppen hinfuhr. Hätte derselbe nun, den Anweisungen der
Lootsen folgend, in süd-süd-östlicher Richtung umgelenkt, so wäre er sicherlich
aus der Klippe, welche nordwestlich vom Leuchtthurm, nur mit 1 Faden Was¬
ser bedeckt sich hinzieht, aufgeräumt. Nur dann wäre das schöne Schiff mit
seiner theuren Menschenlast gerettet gewesen, wenn es bei einem solchen Re¬
sultat der Tiefenmessung, direct rückwärts geführt worden wäre.

Daß der Schiller, oder irgend ein anderes, von tüchtigen Seeleuten ge¬
führtes Schiff, aber überhaupt in die Lage gelangen kann, bei den
Seitlich aufzurennen: das ist ein ebenso gravirender Theil der ganzen furcht-


maßregeln, die Capitain Thomas freilich vernachlässigte, beweist der Fall der
englischen Fregatte, die sich plötzlich bei aufhellenden Nebel inmitten der
furchtbaren Crim Rocks entdeckte.

Der Gerichtshof sagt: Hätte man um 8 Uhr Abends, oder selbst noch
um 9 Uhr Abends einen Wurf mit dem Senkblei gethan, ehe man den Kurs
nach S. S. W. änderte, so 'würde die Tiefe des Wassers und die Meeresbo¬
denbeschaffenheit die Nähe der Gefahr und den Irrthum in ihrer Berechnung
angezeigt und wahrscheinlich das Unglück verhindert haben! Es steht
fest, daß eine Tiefenmessung um 8 Uhr oder 9 Uhr dem Capitain einen Fin¬
gerzeig geben mußte, daß er sich in seiner Berechnung geirrt, daß aber ein
Wurf des Loths demselben schon um 8 Uhr ihn wirklich warnen mußte,
ist keineswegs gewiß. Um 8 Uhr befand sich der Schiller noch 19 Meilen
westlich von Bishop Rock. Die Tiefe daselbst ist zwischen 50 und 48 Faden.
Sah Thomas, daß er statt 50 — 55 Faden, 2 bis 7 Faden weniger Tiefe
erhielt, fo mußte er annehmen, daß er um etwa 25 Meilen näher dem Lande
sei, als er dachte; aber er konnte deshalb doch annehmen, er halte noch den
richtigen Kurs. Denn 48—50 Faden Tiefe erhielt er auch auf dem 8 Mei¬
len südlicheren Kurs von Scilly, den er zu fahren vermuthete. Mit einem
Wurf des Bleis um 8 Uhr wäre es gar nicht gethan gewesen. Erst bei
wiederholten Messungen hätte der Capitain Thomas erkannt, daß er einen
Kurs steuere, der ihn nördlich vom Bishop Rock führen müsse; und daß
er das unterließ, war allerdings ein schwerer Fehler. Denn wenige hundert
Meter vor den Scilly-Jnseln steigt der Meeresboden jäh und steil, während
südlich derselben die Meerestiefe ziemlich dieselbe bleibt.

Hätte Thomas also von 8—9 Uhr etwa vier Messungen gemacht, um
sicher zu gehen, so hätte er um 9 Uhr etwa 30, dann 24, dann 17 Faden
Tiefe gefunden. Doch auch dann, (wäre er nach der Aussage der Lootsen
jener Gegend gesteuert), auch dann noch war sein Schiff in Gefahr. 17 Fa¬
den Tiefe sind sowohl direct vor den Crim Rocks, als vor Bishop Rock, als
auch auf der Untiefe der Retarier Ledges, über welche der Schiller zwischen
den beiden Felsengruppen hinfuhr. Hätte derselbe nun, den Anweisungen der
Lootsen folgend, in süd-süd-östlicher Richtung umgelenkt, so wäre er sicherlich
aus der Klippe, welche nordwestlich vom Leuchtthurm, nur mit 1 Faden Was¬
ser bedeckt sich hinzieht, aufgeräumt. Nur dann wäre das schöne Schiff mit
seiner theuren Menschenlast gerettet gewesen, wenn es bei einem solchen Re¬
sultat der Tiefenmessung, direct rückwärts geführt worden wäre.

Daß der Schiller, oder irgend ein anderes, von tüchtigen Seeleuten ge¬
führtes Schiff, aber überhaupt in die Lage gelangen kann, bei den
Seitlich aufzurennen: das ist ein ebenso gravirender Theil der ganzen furcht-


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[0439] maßregeln, die Capitain Thomas freilich vernachlässigte, beweist der Fall der englischen Fregatte, die sich plötzlich bei aufhellenden Nebel inmitten der furchtbaren Crim Rocks entdeckte. Der Gerichtshof sagt: Hätte man um 8 Uhr Abends, oder selbst noch um 9 Uhr Abends einen Wurf mit dem Senkblei gethan, ehe man den Kurs nach S. S. W. änderte, so 'würde die Tiefe des Wassers und die Meeresbo¬ denbeschaffenheit die Nähe der Gefahr und den Irrthum in ihrer Berechnung angezeigt und wahrscheinlich das Unglück verhindert haben! Es steht fest, daß eine Tiefenmessung um 8 Uhr oder 9 Uhr dem Capitain einen Fin¬ gerzeig geben mußte, daß er sich in seiner Berechnung geirrt, daß aber ein Wurf des Loths demselben schon um 8 Uhr ihn wirklich warnen mußte, ist keineswegs gewiß. Um 8 Uhr befand sich der Schiller noch 19 Meilen westlich von Bishop Rock. Die Tiefe daselbst ist zwischen 50 und 48 Faden. Sah Thomas, daß er statt 50 — 55 Faden, 2 bis 7 Faden weniger Tiefe erhielt, fo mußte er annehmen, daß er um etwa 25 Meilen näher dem Lande sei, als er dachte; aber er konnte deshalb doch annehmen, er halte noch den richtigen Kurs. Denn 48—50 Faden Tiefe erhielt er auch auf dem 8 Mei¬ len südlicheren Kurs von Scilly, den er zu fahren vermuthete. Mit einem Wurf des Bleis um 8 Uhr wäre es gar nicht gethan gewesen. Erst bei wiederholten Messungen hätte der Capitain Thomas erkannt, daß er einen Kurs steuere, der ihn nördlich vom Bishop Rock führen müsse; und daß er das unterließ, war allerdings ein schwerer Fehler. Denn wenige hundert Meter vor den Scilly-Jnseln steigt der Meeresboden jäh und steil, während südlich derselben die Meerestiefe ziemlich dieselbe bleibt. Hätte Thomas also von 8—9 Uhr etwa vier Messungen gemacht, um sicher zu gehen, so hätte er um 9 Uhr etwa 30, dann 24, dann 17 Faden Tiefe gefunden. Doch auch dann, (wäre er nach der Aussage der Lootsen jener Gegend gesteuert), auch dann noch war sein Schiff in Gefahr. 17 Fa¬ den Tiefe sind sowohl direct vor den Crim Rocks, als vor Bishop Rock, als auch auf der Untiefe der Retarier Ledges, über welche der Schiller zwischen den beiden Felsengruppen hinfuhr. Hätte derselbe nun, den Anweisungen der Lootsen folgend, in süd-süd-östlicher Richtung umgelenkt, so wäre er sicherlich aus der Klippe, welche nordwestlich vom Leuchtthurm, nur mit 1 Faden Was¬ ser bedeckt sich hinzieht, aufgeräumt. Nur dann wäre das schöne Schiff mit seiner theuren Menschenlast gerettet gewesen, wenn es bei einem solchen Re¬ sultat der Tiefenmessung, direct rückwärts geführt worden wäre. Daß der Schiller, oder irgend ein anderes, von tüchtigen Seeleuten ge¬ führtes Schiff, aber überhaupt in die Lage gelangen kann, bei den Seitlich aufzurennen: das ist ein ebenso gravirender Theil der ganzen furcht-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341821_148602/439>, abgerufen am 26.06.2024.