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Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, II. Semester. I. Band.

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Wohnhaus, mein Landgut, mein Weib, und mit diesem Mein Hökern
wie die Kleinhändler mit ihrem Kram, werden, wenn einmal Krieg und Un¬
ruhe ins Land kommen, so Hülflos wie die Schildkröten sein, die auf den
Rücken gelegt sind. Möchten sie doch immer dankbar sein für die Ordnung
und den Frieden, die in der Welt herrschen! Mein Vermögen, sagt da Einer,
beträgt fünftausend Unzen Silber. Ich kaurn schlafen und essen und mich
vergnügen, und sollte ich auch fünf- oder siebenhundert Jahre leben. Ich habe
fünf Waarenspeicher und fünfundzwanzig Häuser. Ueberdieß besitze ich An¬
weisungen auf andere Leute im Belaufe von dreizehnhundert Unzen. So tanzt
er vor Vergnügen und bildet sich ein, er sei vor Verarmung sicher. Sein
Geist gleicht dem der Frösche, die ihre Augen im Nacken haben. Dumme,
eitle Gedanken! Schwach genug in der That ist seine Festung, und wenig
kann man sich auf sie verlassen. Wenn solche Menschen ruhig schlafen, wie
bald können sie mit ihren Häusern in die soeben erwähnten großen Fackeln
verwandelt, wie schnell können sie sammt ihren Wohnungen von einem Erd¬
beben verschüttet werden! Das sind die Zufälligkeiten in dieser unbeständigen
Welt! In Betreff der Gefahr, welche ein allzugroßes Sicherheitsgefühl ein¬
schließt, habe ich Euch noch ein Geschichtchen zu erzählen. Seid also so gut
und erwacht aus Eurer Verschlafenheit und hört aufmerksam zu:

Es giebt in der See eine gewaltige Muschel, Sasaje genannt, die sehr
starke Schalen hat, welche sie, wenn Gefahr naht, mit großem Geräusche zu¬
klappt. Sie meint dann vollkommen sicher zu sein. Eines Tages sagten
ein Tai und noch ein andrer Fisch, von Neid erfüllt, zu ihr: Frau Sasaje,
wie ist Euer Schloß doch so fest! Wenn ihr eure Klappen zumacht, kann Euch
kein Mensch' auch nur mit einem Finger was anhaben. Als sie das hörte,
strich sie sich wohlgefällig mit der Hand um das Maul und sagte: Na ja,
Ihr Herren. Obwohl es Euch gefällt, so zu sprechen, darf man doch mit
seiner Sicherheit nicht großthun. Indeß muß ich allerdings gestehen, daß
ich. wenn ich mich so eingeschlossen habe, keine Furcht fühle. -- Indem sie
noch mit dieser stolzen Selbstzufriedenheit sprach, die sich nur schlecht hinter
bescheidenen Ausdrücken verdeckte, vernahm man ein Geräusch und einen schwe¬
ren Fall. Die große Muschel schloß ihre Schalen so rasch als möglich, ver¬
hielt sich ganz still und überlegte, was in aller Welt der Lärm wohl zu be¬
deuten haben möchte. Konnte es ein Netz sein oder ein großer Fischhaken?
Wie verdrießlich, immer so auf der Hut sein zu müssen. War vielleicht der
Tai oder der andere Fisch gefangen? Frau Sasajee war recht besorgt um
sie. Sie selbst fühlte sich ganz sicher. So verging einige Zeit, und als es
ihr vorkam, als ob Alles ringsum wieder ganz ruhig sei, öffnete sie ihre
Schalen, steckte den Kopf heraus und blickte sich um. Es schien nicht Alles
in der alten Ordnung zu sein. Manches sah sonderbar aus. Sie guckte sich


Wohnhaus, mein Landgut, mein Weib, und mit diesem Mein Hökern
wie die Kleinhändler mit ihrem Kram, werden, wenn einmal Krieg und Un¬
ruhe ins Land kommen, so Hülflos wie die Schildkröten sein, die auf den
Rücken gelegt sind. Möchten sie doch immer dankbar sein für die Ordnung
und den Frieden, die in der Welt herrschen! Mein Vermögen, sagt da Einer,
beträgt fünftausend Unzen Silber. Ich kaurn schlafen und essen und mich
vergnügen, und sollte ich auch fünf- oder siebenhundert Jahre leben. Ich habe
fünf Waarenspeicher und fünfundzwanzig Häuser. Ueberdieß besitze ich An¬
weisungen auf andere Leute im Belaufe von dreizehnhundert Unzen. So tanzt
er vor Vergnügen und bildet sich ein, er sei vor Verarmung sicher. Sein
Geist gleicht dem der Frösche, die ihre Augen im Nacken haben. Dumme,
eitle Gedanken! Schwach genug in der That ist seine Festung, und wenig
kann man sich auf sie verlassen. Wenn solche Menschen ruhig schlafen, wie
bald können sie mit ihren Häusern in die soeben erwähnten großen Fackeln
verwandelt, wie schnell können sie sammt ihren Wohnungen von einem Erd¬
beben verschüttet werden! Das sind die Zufälligkeiten in dieser unbeständigen
Welt! In Betreff der Gefahr, welche ein allzugroßes Sicherheitsgefühl ein¬
schließt, habe ich Euch noch ein Geschichtchen zu erzählen. Seid also so gut
und erwacht aus Eurer Verschlafenheit und hört aufmerksam zu:

Es giebt in der See eine gewaltige Muschel, Sasaje genannt, die sehr
starke Schalen hat, welche sie, wenn Gefahr naht, mit großem Geräusche zu¬
klappt. Sie meint dann vollkommen sicher zu sein. Eines Tages sagten
ein Tai und noch ein andrer Fisch, von Neid erfüllt, zu ihr: Frau Sasaje,
wie ist Euer Schloß doch so fest! Wenn ihr eure Klappen zumacht, kann Euch
kein Mensch' auch nur mit einem Finger was anhaben. Als sie das hörte,
strich sie sich wohlgefällig mit der Hand um das Maul und sagte: Na ja,
Ihr Herren. Obwohl es Euch gefällt, so zu sprechen, darf man doch mit
seiner Sicherheit nicht großthun. Indeß muß ich allerdings gestehen, daß
ich. wenn ich mich so eingeschlossen habe, keine Furcht fühle. — Indem sie
noch mit dieser stolzen Selbstzufriedenheit sprach, die sich nur schlecht hinter
bescheidenen Ausdrücken verdeckte, vernahm man ein Geräusch und einen schwe¬
ren Fall. Die große Muschel schloß ihre Schalen so rasch als möglich, ver¬
hielt sich ganz still und überlegte, was in aller Welt der Lärm wohl zu be¬
deuten haben möchte. Konnte es ein Netz sein oder ein großer Fischhaken?
Wie verdrießlich, immer so auf der Hut sein zu müssen. War vielleicht der
Tai oder der andere Fisch gefangen? Frau Sasajee war recht besorgt um
sie. Sie selbst fühlte sich ganz sicher. So verging einige Zeit, und als es
ihr vorkam, als ob Alles ringsum wieder ganz ruhig sei, öffnete sie ihre
Schalen, steckte den Kopf heraus und blickte sich um. Es schien nicht Alles
in der alten Ordnung zu sein. Manches sah sonderbar aus. Sie guckte sich


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[0426] Wohnhaus, mein Landgut, mein Weib, und mit diesem Mein Hökern wie die Kleinhändler mit ihrem Kram, werden, wenn einmal Krieg und Un¬ ruhe ins Land kommen, so Hülflos wie die Schildkröten sein, die auf den Rücken gelegt sind. Möchten sie doch immer dankbar sein für die Ordnung und den Frieden, die in der Welt herrschen! Mein Vermögen, sagt da Einer, beträgt fünftausend Unzen Silber. Ich kaurn schlafen und essen und mich vergnügen, und sollte ich auch fünf- oder siebenhundert Jahre leben. Ich habe fünf Waarenspeicher und fünfundzwanzig Häuser. Ueberdieß besitze ich An¬ weisungen auf andere Leute im Belaufe von dreizehnhundert Unzen. So tanzt er vor Vergnügen und bildet sich ein, er sei vor Verarmung sicher. Sein Geist gleicht dem der Frösche, die ihre Augen im Nacken haben. Dumme, eitle Gedanken! Schwach genug in der That ist seine Festung, und wenig kann man sich auf sie verlassen. Wenn solche Menschen ruhig schlafen, wie bald können sie mit ihren Häusern in die soeben erwähnten großen Fackeln verwandelt, wie schnell können sie sammt ihren Wohnungen von einem Erd¬ beben verschüttet werden! Das sind die Zufälligkeiten in dieser unbeständigen Welt! In Betreff der Gefahr, welche ein allzugroßes Sicherheitsgefühl ein¬ schließt, habe ich Euch noch ein Geschichtchen zu erzählen. Seid also so gut und erwacht aus Eurer Verschlafenheit und hört aufmerksam zu: Es giebt in der See eine gewaltige Muschel, Sasaje genannt, die sehr starke Schalen hat, welche sie, wenn Gefahr naht, mit großem Geräusche zu¬ klappt. Sie meint dann vollkommen sicher zu sein. Eines Tages sagten ein Tai und noch ein andrer Fisch, von Neid erfüllt, zu ihr: Frau Sasaje, wie ist Euer Schloß doch so fest! Wenn ihr eure Klappen zumacht, kann Euch kein Mensch' auch nur mit einem Finger was anhaben. Als sie das hörte, strich sie sich wohlgefällig mit der Hand um das Maul und sagte: Na ja, Ihr Herren. Obwohl es Euch gefällt, so zu sprechen, darf man doch mit seiner Sicherheit nicht großthun. Indeß muß ich allerdings gestehen, daß ich. wenn ich mich so eingeschlossen habe, keine Furcht fühle. — Indem sie noch mit dieser stolzen Selbstzufriedenheit sprach, die sich nur schlecht hinter bescheidenen Ausdrücken verdeckte, vernahm man ein Geräusch und einen schwe¬ ren Fall. Die große Muschel schloß ihre Schalen so rasch als möglich, ver¬ hielt sich ganz still und überlegte, was in aller Welt der Lärm wohl zu be¬ deuten haben möchte. Konnte es ein Netz sein oder ein großer Fischhaken? Wie verdrießlich, immer so auf der Hut sein zu müssen. War vielleicht der Tai oder der andere Fisch gefangen? Frau Sasajee war recht besorgt um sie. Sie selbst fühlte sich ganz sicher. So verging einige Zeit, und als es ihr vorkam, als ob Alles ringsum wieder ganz ruhig sei, öffnete sie ihre Schalen, steckte den Kopf heraus und blickte sich um. Es schien nicht Alles in der alten Ordnung zu sein. Manches sah sonderbar aus. Sie guckte sich

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341821_148602/426>, abgerufen am 26.06.2024.