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Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, II. Semester. I. Band.

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an und zogen es als solches auf, und weil es aus einem Pfirsich geboren war,
nannten sie es Momotaro, das heißt Pfirschling.

Nach und nach wuchs der kleine Pfirschling zu einem starken und tapfern
Knaben auf, und endlich sagte er zu seinen Pflegeeltern: "Ich will jetzt zur
Menschenfresserinsel gehen und die Schätze entführen, die dort aufgespeichert
sind. Ich bitte Euch, backt mir ein paar Hirseklöße zur Zehrung auf die
Reise." Die beiden Alten zerstampften Hirse und machten ihm die Klöße
zurecht, worauf Klein-Pfirschling, nachdem er Abschied von ihnen genommen
hatte, sich auf die Reise begab.

Wie er so hinwanderte, stieß er auf einen Affen, der grunzte ihn an
und sagte: "Kia, Kia, Kia! Wohin geht die Reise, Klein - Pfirschling?" --
"O, ich will zur Menschenfresserinsel, um ihre Schätze zu rauben!" antwortete
Pfirschling. -- "Was hast du denn da in deinem Gürtel?" -- Es sind Hirse¬
klöße, die allerbesten in ganz Japan." --- "Gieb mir einen davon, so will
ich dich begleiten." Darauf gab Pfirschling dem Affen einen von den Klößen,
und dieser bedankte sich und ging mit ihm.

Als Klein - Pfirschling ein Stück weiter gewandert war, hörte er einen
Fasan rufen: "Keil, Keil, Keil! Wohin des Wegs, mein kleiner Herr
Pfirschling?" -- Klein-Pfirschling antwortete wie vorher, und der Fasan trat,
nachdem er ebenfalls um einen Hirsekloß gebeten und ihn bekommen hatte,
auch in seine Dienste und folgte ihm.

Bald nachher begegneten sie einem Hunde, der bellte: "Wau, Wau,
Wau! Wohin soll's gehen, mein lieber Herr Pfirschling?" --"Ich will nach
der Menschenfrefferinsel, um ihre Schätze wegzuführen." -- "Wenn Du mir
einen von Deinen hübschen Hirseklößen schenken willst, so begleite ich Dich,"
sagte der Hund. -- "Recht gern" erwiederte Klein-Pfirschling. und so setzte
er denn nunmehr in Begleitung des Affen, des Fasanen und des Hundes
seinen Weg fort.

' Als sie zu der Menschenfresserinsel kamen, flog der Fasan über das Thor
der Burg in diese hinein, und der Affe kletterte über die Mauer, Klein-
Pfirschling aber mit dem Hunde brach das Thor auf und drang in das
Schloß ein. Dann bestanden sie einen Kampf mit den Unholden drinnen,
schlugen sie in die Flucht und nahmen ihren König gefangen. Alle Menschen"
fresser unterwarfen sich und huldigten dem kleinen Pfirschling und schleppten
die von ihnen ausgehäuften Schätze herzu. Darunter waren wundervolle
Dinge: Zaubermützen, die den, welcher sie aufsetzte, unsichtbar machten,
Juwelen, mit denen man Ebbe und Fluth des Meeres aufhalten konnte,
Korallen, Smaragde, Moschus, Ambra und Schildpatt, überdieß eine Menge
Gold und Silber. Klein-Pfirschling nahm das Alles an sich, reiste, mit


an und zogen es als solches auf, und weil es aus einem Pfirsich geboren war,
nannten sie es Momotaro, das heißt Pfirschling.

Nach und nach wuchs der kleine Pfirschling zu einem starken und tapfern
Knaben auf, und endlich sagte er zu seinen Pflegeeltern: „Ich will jetzt zur
Menschenfresserinsel gehen und die Schätze entführen, die dort aufgespeichert
sind. Ich bitte Euch, backt mir ein paar Hirseklöße zur Zehrung auf die
Reise." Die beiden Alten zerstampften Hirse und machten ihm die Klöße
zurecht, worauf Klein-Pfirschling, nachdem er Abschied von ihnen genommen
hatte, sich auf die Reise begab.

Wie er so hinwanderte, stieß er auf einen Affen, der grunzte ihn an
und sagte: „Kia, Kia, Kia! Wohin geht die Reise, Klein - Pfirschling?" —
„O, ich will zur Menschenfresserinsel, um ihre Schätze zu rauben!" antwortete
Pfirschling. — „Was hast du denn da in deinem Gürtel?" — Es sind Hirse¬
klöße, die allerbesten in ganz Japan." -— „Gieb mir einen davon, so will
ich dich begleiten." Darauf gab Pfirschling dem Affen einen von den Klößen,
und dieser bedankte sich und ging mit ihm.

Als Klein - Pfirschling ein Stück weiter gewandert war, hörte er einen
Fasan rufen: „Keil, Keil, Keil! Wohin des Wegs, mein kleiner Herr
Pfirschling?" — Klein-Pfirschling antwortete wie vorher, und der Fasan trat,
nachdem er ebenfalls um einen Hirsekloß gebeten und ihn bekommen hatte,
auch in seine Dienste und folgte ihm.

Bald nachher begegneten sie einem Hunde, der bellte: „Wau, Wau,
Wau! Wohin soll's gehen, mein lieber Herr Pfirschling?" —„Ich will nach
der Menschenfrefferinsel, um ihre Schätze wegzuführen." — „Wenn Du mir
einen von Deinen hübschen Hirseklößen schenken willst, so begleite ich Dich,"
sagte der Hund. — „Recht gern" erwiederte Klein-Pfirschling. und so setzte
er denn nunmehr in Begleitung des Affen, des Fasanen und des Hundes
seinen Weg fort.

' Als sie zu der Menschenfresserinsel kamen, flog der Fasan über das Thor
der Burg in diese hinein, und der Affe kletterte über die Mauer, Klein-
Pfirschling aber mit dem Hunde brach das Thor auf und drang in das
Schloß ein. Dann bestanden sie einen Kampf mit den Unholden drinnen,
schlugen sie in die Flucht und nahmen ihren König gefangen. Alle Menschen»
fresser unterwarfen sich und huldigten dem kleinen Pfirschling und schleppten
die von ihnen ausgehäuften Schätze herzu. Darunter waren wundervolle
Dinge: Zaubermützen, die den, welcher sie aufsetzte, unsichtbar machten,
Juwelen, mit denen man Ebbe und Fluth des Meeres aufhalten konnte,
Korallen, Smaragde, Moschus, Ambra und Schildpatt, überdieß eine Menge
Gold und Silber. Klein-Pfirschling nahm das Alles an sich, reiste, mit


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341821_148602/398>, abgerufen am 26.06.2024.