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Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, II. Semester. I. Band.

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Kuranosukes und seiner Gefährten, sie erweisen ihnen fast göttliche Ehren.
Fromme Hände bedecken noch in diesen Tagen ihre Gräber mit grünen
Zweigen und verbrennen Weihrauch auf ihnen.

Die zweite Geschichte "Die Liebschaft des Gombatschi und der Komu-
rassaki" erzählt uns, wie der Held derselben auf seinen ritterlichen Fahrten
eines Tages in das Haus .von Räubern geräth, ohne es zu wissen. Ein
schönes Mädchen, die Tochter eines reichen Kaufmanns, die von den Räubern
entführt worden, klärt ihn über seine gefährliche Lage auf. Er verliebt sich
in sie und befreit sie, indem er die Räuber im Kampfe erschlägt. Der Vater
des Mädchens will ihn, als er sie ihm zurückbringt, bei sich behalten, der
der junge Mann aber zieht vor, zu Jeddo im Dienste eines Fürsten Ehren
zu erwerben. Er hat seiner Geliebten Treue versprochen, geräth aber in
Jeddo aus schlechte Wege, die ihn häufig in das Jdschiwara, das Quartier
der öffentlichen Mädchen, führen, und hier erkennt er eines Tages in der
Gefeiertsten von diesen seine Verlobte wieder. Sie hat sich hierher verkauft,
um ihren inzwischen verarmten Eltern das Leben zu fristen, was in Japan
nicht für schändlich, sondern für lobenswert!) angesehen wird. Darauf erwacht
in ihm die alte Liebe; er möchte die Geliebte zum zweiten Male befreien, und
da ihm hierzu die Geldmittel fehlen, wird er kurz entschlossen ein Räuber.
Darüber betroffen, verfällt er dem Gesetze und wird hingerichtet. Seine Ge¬
liebte aber flieht, als sie dies vernimmt, aus dem Joschiwara und tödtet
sich auf dem Grabe des todten Jünglings.

"Casumas Rache", das dritte Stück unserer Sammlung, ist in der Haupt¬
sache die Geschichte eines berühmten Schwertes, welches allerlei Blutthaten
veranlaßt. Sie spielt im Anfange des 17. Jahrhunderts, einer Zeit bürger¬
licher Unruhen in Japan, die mit denen, welche der letzten Revolution in
diesem Lande vorangingen, mancherlei Aehnlichkeit haben. Das Schwert ist
für die so viel auf Mannesehre haltenden und dabei so rachelustigen Japaner
von höchster Bedeutung. Die Schwertfeger bilden bei ihnen die vornehmste
Handwerkerklasse. Sie geben ihren Waffen eine von keinem andern Volke er¬
reichte Vollkommenheit. Die Schwerter sind nach dem Volksglauben beseelt.
Sie sind gewissen Familien ergeben, andern feindlich gesinnt. Oft ist die
Lebensgeschichte eines abhanden gekommenen Schwertes so bunt und aben¬
teuerlich, wie bei anderen Nationen die einer geraubten Geliebten.

Seit alten Zeiten gab es in Japan sowohl unter den Edelleuten als
unter den Bürgerlichen gewisse Verbrüderungen, deren Mitglieder sich Odoka-
date, d. h. rüstige Gesellen, nannten und vielfach mit einander rivalisirten
und zusammen stritten. Auf das Treiben dieser Genossenschaften bezieht sich
die vierte unserer Geschichten, die uns wieder eine Reihe sehr wilder und
blutiger Charaktere vorführt und uns zuletzt den Untergang des berühmten


Kuranosukes und seiner Gefährten, sie erweisen ihnen fast göttliche Ehren.
Fromme Hände bedecken noch in diesen Tagen ihre Gräber mit grünen
Zweigen und verbrennen Weihrauch auf ihnen.

Die zweite Geschichte „Die Liebschaft des Gombatschi und der Komu-
rassaki" erzählt uns, wie der Held derselben auf seinen ritterlichen Fahrten
eines Tages in das Haus .von Räubern geräth, ohne es zu wissen. Ein
schönes Mädchen, die Tochter eines reichen Kaufmanns, die von den Räubern
entführt worden, klärt ihn über seine gefährliche Lage auf. Er verliebt sich
in sie und befreit sie, indem er die Räuber im Kampfe erschlägt. Der Vater
des Mädchens will ihn, als er sie ihm zurückbringt, bei sich behalten, der
der junge Mann aber zieht vor, zu Jeddo im Dienste eines Fürsten Ehren
zu erwerben. Er hat seiner Geliebten Treue versprochen, geräth aber in
Jeddo aus schlechte Wege, die ihn häufig in das Jdschiwara, das Quartier
der öffentlichen Mädchen, führen, und hier erkennt er eines Tages in der
Gefeiertsten von diesen seine Verlobte wieder. Sie hat sich hierher verkauft,
um ihren inzwischen verarmten Eltern das Leben zu fristen, was in Japan
nicht für schändlich, sondern für lobenswert!) angesehen wird. Darauf erwacht
in ihm die alte Liebe; er möchte die Geliebte zum zweiten Male befreien, und
da ihm hierzu die Geldmittel fehlen, wird er kurz entschlossen ein Räuber.
Darüber betroffen, verfällt er dem Gesetze und wird hingerichtet. Seine Ge¬
liebte aber flieht, als sie dies vernimmt, aus dem Joschiwara und tödtet
sich auf dem Grabe des todten Jünglings.

„Casumas Rache", das dritte Stück unserer Sammlung, ist in der Haupt¬
sache die Geschichte eines berühmten Schwertes, welches allerlei Blutthaten
veranlaßt. Sie spielt im Anfange des 17. Jahrhunderts, einer Zeit bürger¬
licher Unruhen in Japan, die mit denen, welche der letzten Revolution in
diesem Lande vorangingen, mancherlei Aehnlichkeit haben. Das Schwert ist
für die so viel auf Mannesehre haltenden und dabei so rachelustigen Japaner
von höchster Bedeutung. Die Schwertfeger bilden bei ihnen die vornehmste
Handwerkerklasse. Sie geben ihren Waffen eine von keinem andern Volke er¬
reichte Vollkommenheit. Die Schwerter sind nach dem Volksglauben beseelt.
Sie sind gewissen Familien ergeben, andern feindlich gesinnt. Oft ist die
Lebensgeschichte eines abhanden gekommenen Schwertes so bunt und aben¬
teuerlich, wie bei anderen Nationen die einer geraubten Geliebten.

Seit alten Zeiten gab es in Japan sowohl unter den Edelleuten als
unter den Bürgerlichen gewisse Verbrüderungen, deren Mitglieder sich Odoka-
date, d. h. rüstige Gesellen, nannten und vielfach mit einander rivalisirten
und zusammen stritten. Auf das Treiben dieser Genossenschaften bezieht sich
die vierte unserer Geschichten, die uns wieder eine Reihe sehr wilder und
blutiger Charaktere vorführt und uns zuletzt den Untergang des berühmten


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[0392] Kuranosukes und seiner Gefährten, sie erweisen ihnen fast göttliche Ehren. Fromme Hände bedecken noch in diesen Tagen ihre Gräber mit grünen Zweigen und verbrennen Weihrauch auf ihnen. Die zweite Geschichte „Die Liebschaft des Gombatschi und der Komu- rassaki" erzählt uns, wie der Held derselben auf seinen ritterlichen Fahrten eines Tages in das Haus .von Räubern geräth, ohne es zu wissen. Ein schönes Mädchen, die Tochter eines reichen Kaufmanns, die von den Räubern entführt worden, klärt ihn über seine gefährliche Lage auf. Er verliebt sich in sie und befreit sie, indem er die Räuber im Kampfe erschlägt. Der Vater des Mädchens will ihn, als er sie ihm zurückbringt, bei sich behalten, der der junge Mann aber zieht vor, zu Jeddo im Dienste eines Fürsten Ehren zu erwerben. Er hat seiner Geliebten Treue versprochen, geräth aber in Jeddo aus schlechte Wege, die ihn häufig in das Jdschiwara, das Quartier der öffentlichen Mädchen, führen, und hier erkennt er eines Tages in der Gefeiertsten von diesen seine Verlobte wieder. Sie hat sich hierher verkauft, um ihren inzwischen verarmten Eltern das Leben zu fristen, was in Japan nicht für schändlich, sondern für lobenswert!) angesehen wird. Darauf erwacht in ihm die alte Liebe; er möchte die Geliebte zum zweiten Male befreien, und da ihm hierzu die Geldmittel fehlen, wird er kurz entschlossen ein Räuber. Darüber betroffen, verfällt er dem Gesetze und wird hingerichtet. Seine Ge¬ liebte aber flieht, als sie dies vernimmt, aus dem Joschiwara und tödtet sich auf dem Grabe des todten Jünglings. „Casumas Rache", das dritte Stück unserer Sammlung, ist in der Haupt¬ sache die Geschichte eines berühmten Schwertes, welches allerlei Blutthaten veranlaßt. Sie spielt im Anfange des 17. Jahrhunderts, einer Zeit bürger¬ licher Unruhen in Japan, die mit denen, welche der letzten Revolution in diesem Lande vorangingen, mancherlei Aehnlichkeit haben. Das Schwert ist für die so viel auf Mannesehre haltenden und dabei so rachelustigen Japaner von höchster Bedeutung. Die Schwertfeger bilden bei ihnen die vornehmste Handwerkerklasse. Sie geben ihren Waffen eine von keinem andern Volke er¬ reichte Vollkommenheit. Die Schwerter sind nach dem Volksglauben beseelt. Sie sind gewissen Familien ergeben, andern feindlich gesinnt. Oft ist die Lebensgeschichte eines abhanden gekommenen Schwertes so bunt und aben¬ teuerlich, wie bei anderen Nationen die einer geraubten Geliebten. Seit alten Zeiten gab es in Japan sowohl unter den Edelleuten als unter den Bürgerlichen gewisse Verbrüderungen, deren Mitglieder sich Odoka- date, d. h. rüstige Gesellen, nannten und vielfach mit einander rivalisirten und zusammen stritten. Auf das Treiben dieser Genossenschaften bezieht sich die vierte unserer Geschichten, die uns wieder eine Reihe sehr wilder und blutiger Charaktere vorführt und uns zuletzt den Untergang des berühmten

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341821_148602/392>, abgerufen am 26.06.2024.