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Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, II. Semester. I. Band.

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Tschobei von Bandsuin. eines Führers der bürgerlichen Odokadate von Jeddo,
der sich durch Heldensinn und Kraft und nicht weniger durch Hülfreiches und
barmherziges Wesen auszeichnet, durch die Rachsucht der Führer der Adels¬
verbindung schildert. Die ganze Erzählung trieft von Blut und hallt von
Rachegedanken wieder. Andererseits aber begegnen wir in ihr auch nicht weni¬
gen Beispielen edlen und heroischen Sinnes, die wir aufrichtig bewundern,
und namentlich jener Tschobei. der Hauptheld, ist eine in jeder Beziehung
wohlthuende Erscheinung.

Das fünfte Kapitel ist eine Schilderung des Viertels von Jeddo, wo
sich die Musiker, Tänzer, Wahrsager und Tausendkünstler sowie die Schau¬
spieler der Hauptstadt Japans aufhalten. Sie ist großentheils einem japa¬
nischen Reisehandbuche mit dem Titel "Führer durch die glückliche Stadt
Jeddo" entnommen. Recht instructiv ist, was Mitford über Geschichte und
Wesen des japanischen Dramas hinzu fügt.

Der nächstfolgende Abschnitt nennt sich "Die wunderbaren Abenteuer des
Funakoschi Dschujemon" und dreht sich in der Hauptsache um die Rache, die
dieser an seiner Frau, die ihn hintergangen hat, und an deren Buhlen, einem
Ringer, nimmt. Die Geschichte ist so gut erzählt, daß sie mit einigen Kür¬
zungen im Decameron Platz finden könnte.

Nach hübscher ist Nummer 7: "Das Etamädchen und der Hatamoto".
Die Eta sind die verachtetste Klasse in Japan, die Hatamoto dagegen ge¬
hören zum Adel. Wie die Liebe sich bei uns bisweilen über den Unterschied
der Stände hinwegsetzt und vornehme Herren mit Zigeunermädchen zusammen¬
führt, so geschieht dies hier mit dem adeligen Gensaburo und der niedrig¬
stehenden, aber wunderschönen Okogo. Die bei zufälligem Zusammentreffen
mit dieser in jenem plötzlich entbrennende Leidenschaft, die geheimen Zusam¬
menkünfte beider, die treue Liebe, die sie einander bewahren, und welche alle
sie bedrohenden Gefahren nicht beachtet, ist allerliebst wiedergegeben. Beson¬
ders reizend ist die Darstellung der Scene, in welcher der stolze Edelmann
dem schüchternen und bescheidenen Etamädchen seine Liebe erklärt. Wir lassen
dieselbe mit einigen Kürzungen folgen.

Gensaburo erwartet Okogo im Zimmer eines Theehauses, wohin diese
in Begleitung ihrer Freundin Okuma kommt. Okogo zaudert noch in jung¬
fräulicher Bescheidenheit, einzutreten. "Nun, was soll das bedeuten?" fragt
die Freundin. "Da du schon so weit gekommen bist, Okogo, scheint es mir
doch etwas spät, die Scheue zu spielen. Sei keine Närrin und tritt sogleich
mit mir ein." Mit diesen Worten zieht sie ihre Freundin an der Hand
herein und vor Gensaburo. Dieser spricht ihr Muth ein: "Komm, meine
Liebe, was ist hier zu fürchten? Tritt ein wenig näher, bitte." -- "Vielen
Dank, lieber Herr, aber wie könnte ich, ein so niedriges Geschöpf, mich


Gienzbotm III. 1875. 49

Tschobei von Bandsuin. eines Führers der bürgerlichen Odokadate von Jeddo,
der sich durch Heldensinn und Kraft und nicht weniger durch Hülfreiches und
barmherziges Wesen auszeichnet, durch die Rachsucht der Führer der Adels¬
verbindung schildert. Die ganze Erzählung trieft von Blut und hallt von
Rachegedanken wieder. Andererseits aber begegnen wir in ihr auch nicht weni¬
gen Beispielen edlen und heroischen Sinnes, die wir aufrichtig bewundern,
und namentlich jener Tschobei. der Hauptheld, ist eine in jeder Beziehung
wohlthuende Erscheinung.

Das fünfte Kapitel ist eine Schilderung des Viertels von Jeddo, wo
sich die Musiker, Tänzer, Wahrsager und Tausendkünstler sowie die Schau¬
spieler der Hauptstadt Japans aufhalten. Sie ist großentheils einem japa¬
nischen Reisehandbuche mit dem Titel „Führer durch die glückliche Stadt
Jeddo" entnommen. Recht instructiv ist, was Mitford über Geschichte und
Wesen des japanischen Dramas hinzu fügt.

Der nächstfolgende Abschnitt nennt sich „Die wunderbaren Abenteuer des
Funakoschi Dschujemon" und dreht sich in der Hauptsache um die Rache, die
dieser an seiner Frau, die ihn hintergangen hat, und an deren Buhlen, einem
Ringer, nimmt. Die Geschichte ist so gut erzählt, daß sie mit einigen Kür¬
zungen im Decameron Platz finden könnte.

Nach hübscher ist Nummer 7: „Das Etamädchen und der Hatamoto".
Die Eta sind die verachtetste Klasse in Japan, die Hatamoto dagegen ge¬
hören zum Adel. Wie die Liebe sich bei uns bisweilen über den Unterschied
der Stände hinwegsetzt und vornehme Herren mit Zigeunermädchen zusammen¬
führt, so geschieht dies hier mit dem adeligen Gensaburo und der niedrig¬
stehenden, aber wunderschönen Okogo. Die bei zufälligem Zusammentreffen
mit dieser in jenem plötzlich entbrennende Leidenschaft, die geheimen Zusam¬
menkünfte beider, die treue Liebe, die sie einander bewahren, und welche alle
sie bedrohenden Gefahren nicht beachtet, ist allerliebst wiedergegeben. Beson¬
ders reizend ist die Darstellung der Scene, in welcher der stolze Edelmann
dem schüchternen und bescheidenen Etamädchen seine Liebe erklärt. Wir lassen
dieselbe mit einigen Kürzungen folgen.

Gensaburo erwartet Okogo im Zimmer eines Theehauses, wohin diese
in Begleitung ihrer Freundin Okuma kommt. Okogo zaudert noch in jung¬
fräulicher Bescheidenheit, einzutreten. „Nun, was soll das bedeuten?" fragt
die Freundin. „Da du schon so weit gekommen bist, Okogo, scheint es mir
doch etwas spät, die Scheue zu spielen. Sei keine Närrin und tritt sogleich
mit mir ein." Mit diesen Worten zieht sie ihre Freundin an der Hand
herein und vor Gensaburo. Dieser spricht ihr Muth ein: „Komm, meine
Liebe, was ist hier zu fürchten? Tritt ein wenig näher, bitte." — „Vielen
Dank, lieber Herr, aber wie könnte ich, ein so niedriges Geschöpf, mich


Gienzbotm III. 1875. 49
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[0393] Tschobei von Bandsuin. eines Führers der bürgerlichen Odokadate von Jeddo, der sich durch Heldensinn und Kraft und nicht weniger durch Hülfreiches und barmherziges Wesen auszeichnet, durch die Rachsucht der Führer der Adels¬ verbindung schildert. Die ganze Erzählung trieft von Blut und hallt von Rachegedanken wieder. Andererseits aber begegnen wir in ihr auch nicht weni¬ gen Beispielen edlen und heroischen Sinnes, die wir aufrichtig bewundern, und namentlich jener Tschobei. der Hauptheld, ist eine in jeder Beziehung wohlthuende Erscheinung. Das fünfte Kapitel ist eine Schilderung des Viertels von Jeddo, wo sich die Musiker, Tänzer, Wahrsager und Tausendkünstler sowie die Schau¬ spieler der Hauptstadt Japans aufhalten. Sie ist großentheils einem japa¬ nischen Reisehandbuche mit dem Titel „Führer durch die glückliche Stadt Jeddo" entnommen. Recht instructiv ist, was Mitford über Geschichte und Wesen des japanischen Dramas hinzu fügt. Der nächstfolgende Abschnitt nennt sich „Die wunderbaren Abenteuer des Funakoschi Dschujemon" und dreht sich in der Hauptsache um die Rache, die dieser an seiner Frau, die ihn hintergangen hat, und an deren Buhlen, einem Ringer, nimmt. Die Geschichte ist so gut erzählt, daß sie mit einigen Kür¬ zungen im Decameron Platz finden könnte. Nach hübscher ist Nummer 7: „Das Etamädchen und der Hatamoto". Die Eta sind die verachtetste Klasse in Japan, die Hatamoto dagegen ge¬ hören zum Adel. Wie die Liebe sich bei uns bisweilen über den Unterschied der Stände hinwegsetzt und vornehme Herren mit Zigeunermädchen zusammen¬ führt, so geschieht dies hier mit dem adeligen Gensaburo und der niedrig¬ stehenden, aber wunderschönen Okogo. Die bei zufälligem Zusammentreffen mit dieser in jenem plötzlich entbrennende Leidenschaft, die geheimen Zusam¬ menkünfte beider, die treue Liebe, die sie einander bewahren, und welche alle sie bedrohenden Gefahren nicht beachtet, ist allerliebst wiedergegeben. Beson¬ ders reizend ist die Darstellung der Scene, in welcher der stolze Edelmann dem schüchternen und bescheidenen Etamädchen seine Liebe erklärt. Wir lassen dieselbe mit einigen Kürzungen folgen. Gensaburo erwartet Okogo im Zimmer eines Theehauses, wohin diese in Begleitung ihrer Freundin Okuma kommt. Okogo zaudert noch in jung¬ fräulicher Bescheidenheit, einzutreten. „Nun, was soll das bedeuten?" fragt die Freundin. „Da du schon so weit gekommen bist, Okogo, scheint es mir doch etwas spät, die Scheue zu spielen. Sei keine Närrin und tritt sogleich mit mir ein." Mit diesen Worten zieht sie ihre Freundin an der Hand herein und vor Gensaburo. Dieser spricht ihr Muth ein: „Komm, meine Liebe, was ist hier zu fürchten? Tritt ein wenig näher, bitte." — „Vielen Dank, lieber Herr, aber wie könnte ich, ein so niedriges Geschöpf, mich Gienzbotm III. 1875. 49

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341821_148602/393>, abgerufen am 26.06.2024.