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Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, II. Semester. I. Band.

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Des Zeugen-Zwangs" auf die Redacteure der Frankfurter Zeitung angewandt
ist und bleibt ein "schwarzer Punkt", und die gesammte Presse ist nicht nur
in ihrem Recht, sondern sie erfüllt einfach ihre Pflicht, wenn sie denselben mit
den stärksten Ausdrücken kennzeichnet.

Aber wir müssen dann doch bei der Sache bleiben, bei den Paragraphen
19 und 20 des Preßgesetzes, deren Verwerflichkeit in ihrer gegenwärtigen
Fassung jetzt wohl Jedermann klar vor Augen liegt; und wenn wir praktisch
sein wollen, so müssen wir alle Mittel aufbieten, um diese Paragraphen so
bald als möglich aus dem Preßgesetz zu entfernen, oder richtiger wohl: ihnen
eine bessere, präcisere Fassung zu geben, welche eine so weit gehende Anwen¬
dung ausschließt. Was aber nichts weniger als praktisch, vielmehr in jeder
Beziehung verkehrt ist, das ist ein Herübertragen des Gegenstandes, um
welchen es sich hier handelt, in ein anderes Gebiet und ein Hereinziehen
fremdartiger Gesichtspunkte, die mit dieser Frage schlechterdings nichts zu
schaffen haben. Was anderes als dies ist es aber, wenn u. A. eine zu¬
fällig vor uns liegende Nummer der "Frankfurter Zeitung" in einen
Artikel an eine im Uebrigen vollkommen gerechtfertigte Erklärung über die
auf sie gemachte Anwendung des betr. Paragraphen des Preßgesetzes die
Aeußerung anknüpft, "daß sie die Folgen ihrer Handlungsweise zu tragen
wisse -- hoffentlich zum a bsch reckenden B eispiel allen denjenigen,
die da der preußischen Regierung den Beruf zuerkennen, für
die "Cultur" zu streiten."

Was in aller Welt hat denn der Fall der Frankfurter Zeitung mit dem
"Culturkampf" der preußischen Regierung zu thun? Unter letzterem versteht
man doch allgemein ohne Ausnahme den Kampf (um ihn kurz zu bezeichnen)
gegen Rom -- und dieser soll in Frage gestellt sein durch die Ausübung des
Zeugenzwangs gegenüber dem Redactionspersonal der Frankfurter Zeitung?!
Wo bleibt da die Logik? Haben die Gelehrten der Frankfurter Zeitung nie¬
mals etwas von einer ^er"/?"^? "^o 7^05 gehört? und darf sich die
Redaction eines -- man mag über Inhalt und Tendenz urtheilen, wie man
will -- in seiner Art leidlich redigirten Blattes einer so handgreiflichen Ver¬
wechslung schuldig machen und durch eine, wenn auch noch so gerechtfertigte,
bittere Stimmung sich die Klarheit der Erkenntniß trüben lassen! Oder will
die Frankfurter Zeitung im Ernst behaupten oder ihre Leser glauben machen,
der Culturkampf gegen Rom werde in Wahrheit nicht oder nicht mehr geführt,
weil der Paragraph des Zeugenzwangs gegen ihre Redaction angewandt wird?
Bismarck und Falk seien nicht mehr die von der ganzen Nation gefeierten
und getragenen Führer im Kampf gegen die Herrschaft und Anmaßung der
Ultramontanen? Gibt es überhaupt nichts mehr auf der Welt außer diesem
Paragraphen und seiner Anwendung auf die Frankfurter Zeitung? oder ist


Des Zeugen-Zwangs" auf die Redacteure der Frankfurter Zeitung angewandt
ist und bleibt ein „schwarzer Punkt", und die gesammte Presse ist nicht nur
in ihrem Recht, sondern sie erfüllt einfach ihre Pflicht, wenn sie denselben mit
den stärksten Ausdrücken kennzeichnet.

Aber wir müssen dann doch bei der Sache bleiben, bei den Paragraphen
19 und 20 des Preßgesetzes, deren Verwerflichkeit in ihrer gegenwärtigen
Fassung jetzt wohl Jedermann klar vor Augen liegt; und wenn wir praktisch
sein wollen, so müssen wir alle Mittel aufbieten, um diese Paragraphen so
bald als möglich aus dem Preßgesetz zu entfernen, oder richtiger wohl: ihnen
eine bessere, präcisere Fassung zu geben, welche eine so weit gehende Anwen¬
dung ausschließt. Was aber nichts weniger als praktisch, vielmehr in jeder
Beziehung verkehrt ist, das ist ein Herübertragen des Gegenstandes, um
welchen es sich hier handelt, in ein anderes Gebiet und ein Hereinziehen
fremdartiger Gesichtspunkte, die mit dieser Frage schlechterdings nichts zu
schaffen haben. Was anderes als dies ist es aber, wenn u. A. eine zu¬
fällig vor uns liegende Nummer der „Frankfurter Zeitung" in einen
Artikel an eine im Uebrigen vollkommen gerechtfertigte Erklärung über die
auf sie gemachte Anwendung des betr. Paragraphen des Preßgesetzes die
Aeußerung anknüpft, „daß sie die Folgen ihrer Handlungsweise zu tragen
wisse — hoffentlich zum a bsch reckenden B eispiel allen denjenigen,
die da der preußischen Regierung den Beruf zuerkennen, für
die „Cultur" zu streiten."

Was in aller Welt hat denn der Fall der Frankfurter Zeitung mit dem
„Culturkampf" der preußischen Regierung zu thun? Unter letzterem versteht
man doch allgemein ohne Ausnahme den Kampf (um ihn kurz zu bezeichnen)
gegen Rom — und dieser soll in Frage gestellt sein durch die Ausübung des
Zeugenzwangs gegenüber dem Redactionspersonal der Frankfurter Zeitung?!
Wo bleibt da die Logik? Haben die Gelehrten der Frankfurter Zeitung nie¬
mals etwas von einer ^er«/?«^? «^o 7^05 gehört? und darf sich die
Redaction eines — man mag über Inhalt und Tendenz urtheilen, wie man
will — in seiner Art leidlich redigirten Blattes einer so handgreiflichen Ver¬
wechslung schuldig machen und durch eine, wenn auch noch so gerechtfertigte,
bittere Stimmung sich die Klarheit der Erkenntniß trüben lassen! Oder will
die Frankfurter Zeitung im Ernst behaupten oder ihre Leser glauben machen,
der Culturkampf gegen Rom werde in Wahrheit nicht oder nicht mehr geführt,
weil der Paragraph des Zeugenzwangs gegen ihre Redaction angewandt wird?
Bismarck und Falk seien nicht mehr die von der ganzen Nation gefeierten
und getragenen Führer im Kampf gegen die Herrschaft und Anmaßung der
Ultramontanen? Gibt es überhaupt nichts mehr auf der Welt außer diesem
Paragraphen und seiner Anwendung auf die Frankfurter Zeitung? oder ist


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341821_148602/365>, abgerufen am 26.06.2024.