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Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, II. Semester. I. Band.

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manu, die heute in dieser Weise über die Reichsgesetze und die ganze Thätig¬
keit des Reichstags und des Bundesraths urtheilen -- denn dessen und
des Kaisers Zustimmung gehört doch bekanntlich auch zu den vom Reichstage
beschlossenen Gesetzen -- Mitglieder des Reichstags. Man schlägt die steno¬
graphischen Berichte der Session auf und sucht begierig die Stellen, in denen
die Warnungen des Herrn von Zehner, des Herrn Hofrath Ackermann nieder¬
gelegt sind vor den unheilvollen Wegen, den der Entwurf der deutschen
Gewerbeordnung unter Leitung eines einseitigen Parteidoctrinarismus damals
zu wandeln im Begriffe stand. Vergebens! Herr Hofrath Ackermann ist
bekanntlich ein munterer Sprecher. Er sprach bereits in der Stunde seines
Eintritts in den Reichstag. Auch Herr von Zehner grollte mitunter einmal,
wenn der Reichstag zu nahe an grünweiße Eigenthümlichkeiten rührte. Aber
bei den langen und eingehenden Debatten über die Gewerbeordnung fließt
nur einmal ein Wort aus dem Munde der Herren. Sie beantragen, die
Handlungsdiener den Gewerbegehilfen in gewerberechtlicher Hinsicht gleichzu¬
stellen. Das ist Alles. Unter den Stimmen, welche die Gewerbeordnung im
Ganzen annehmen, befinden sich auch die des Herrn von Zehner, des Herrn
Ackermann. Ja, ein Dresdner Journalist, der sich damals (und heute noch)
der ganz besonderen Vertrautheit mit Herrn Hofrath Ackermann erfreute,
schrieb damals in den "Dresdner Nachrichten", die deutsche Gewerbeordnung
sei lange nicht so freisinnig wie die sächsische, Sachsen müsse dem Bunde zu
Liebe wieder einmal ein paar Schritte rückwärts thun. Heute wird diese Ge¬
setzgebung von den Herren, die sie mit gemacht haben, der Leitung eines ein¬
seitigen Parteidoctrinarismus zugeschrieben. Man könnte den Herren ihre
Abneigung gegen eine wahre Darstellung der Thatsachen auch an den andern
von ihnen gewählten Anklagen gegen die deutsche Gesetzgebung deutlich machen.
Man könnte Herrn von Zehner fragen, wo seine Verwahrungen gegen das
deutsche Freizügigkeitsgesetz niedergelegt seien? Man könnte Herrn Ackermann
in Erinnerung bringen, daß seine Opposition gegen das Unterstützungswohn¬
sitzgesetz in der Hauptsache nur dessen nationaler Tendenz, der Errichtung des
Bundes-Heimaths-Amtes, gegolten habe. Man könnte ihm ferner nachweisen,
daß er am wenigsten berechtigt ist, über eine "Schädigung des Wohlstandes des
deutschen Volkes" infolge des Münzgesetzes zu klagen, da nach allgemeiner
Ansicht und Erfahrung an dieser Schädigung -- soweit sie wirklich vor¬
handen -- diejenigen vor Allem schuld- sind, die verhinderten, daß die deutsche
Münzreform gleichzeitig mit der Banksrage, und zwar unter Beseitigung aller
Hindernisse, welche die landeshoheitlichen und landesgesetzlichen Münzhoheits¬
rechte und Bankprivilegien in den Weg legten, gelöst wurde. Diese Art der
gesetzgeberischen Regelung strebte die nationale Partei an. Bekämpfe wurde
sie von Herrn Hofrath Ackermann. Aber es genügt jedenfalls, an diesen


Grenzboten III. 187S. 45

manu, die heute in dieser Weise über die Reichsgesetze und die ganze Thätig¬
keit des Reichstags und des Bundesraths urtheilen — denn dessen und
des Kaisers Zustimmung gehört doch bekanntlich auch zu den vom Reichstage
beschlossenen Gesetzen — Mitglieder des Reichstags. Man schlägt die steno¬
graphischen Berichte der Session auf und sucht begierig die Stellen, in denen
die Warnungen des Herrn von Zehner, des Herrn Hofrath Ackermann nieder¬
gelegt sind vor den unheilvollen Wegen, den der Entwurf der deutschen
Gewerbeordnung unter Leitung eines einseitigen Parteidoctrinarismus damals
zu wandeln im Begriffe stand. Vergebens! Herr Hofrath Ackermann ist
bekanntlich ein munterer Sprecher. Er sprach bereits in der Stunde seines
Eintritts in den Reichstag. Auch Herr von Zehner grollte mitunter einmal,
wenn der Reichstag zu nahe an grünweiße Eigenthümlichkeiten rührte. Aber
bei den langen und eingehenden Debatten über die Gewerbeordnung fließt
nur einmal ein Wort aus dem Munde der Herren. Sie beantragen, die
Handlungsdiener den Gewerbegehilfen in gewerberechtlicher Hinsicht gleichzu¬
stellen. Das ist Alles. Unter den Stimmen, welche die Gewerbeordnung im
Ganzen annehmen, befinden sich auch die des Herrn von Zehner, des Herrn
Ackermann. Ja, ein Dresdner Journalist, der sich damals (und heute noch)
der ganz besonderen Vertrautheit mit Herrn Hofrath Ackermann erfreute,
schrieb damals in den „Dresdner Nachrichten", die deutsche Gewerbeordnung
sei lange nicht so freisinnig wie die sächsische, Sachsen müsse dem Bunde zu
Liebe wieder einmal ein paar Schritte rückwärts thun. Heute wird diese Ge¬
setzgebung von den Herren, die sie mit gemacht haben, der Leitung eines ein¬
seitigen Parteidoctrinarismus zugeschrieben. Man könnte den Herren ihre
Abneigung gegen eine wahre Darstellung der Thatsachen auch an den andern
von ihnen gewählten Anklagen gegen die deutsche Gesetzgebung deutlich machen.
Man könnte Herrn von Zehner fragen, wo seine Verwahrungen gegen das
deutsche Freizügigkeitsgesetz niedergelegt seien? Man könnte Herrn Ackermann
in Erinnerung bringen, daß seine Opposition gegen das Unterstützungswohn¬
sitzgesetz in der Hauptsache nur dessen nationaler Tendenz, der Errichtung des
Bundes-Heimaths-Amtes, gegolten habe. Man könnte ihm ferner nachweisen,
daß er am wenigsten berechtigt ist, über eine „Schädigung des Wohlstandes des
deutschen Volkes" infolge des Münzgesetzes zu klagen, da nach allgemeiner
Ansicht und Erfahrung an dieser Schädigung — soweit sie wirklich vor¬
handen — diejenigen vor Allem schuld- sind, die verhinderten, daß die deutsche
Münzreform gleichzeitig mit der Banksrage, und zwar unter Beseitigung aller
Hindernisse, welche die landeshoheitlichen und landesgesetzlichen Münzhoheits¬
rechte und Bankprivilegien in den Weg legten, gelöst wurde. Diese Art der
gesetzgeberischen Regelung strebte die nationale Partei an. Bekämpfe wurde
sie von Herrn Hofrath Ackermann. Aber es genügt jedenfalls, an diesen


Grenzboten III. 187S. 45
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[0361] manu, die heute in dieser Weise über die Reichsgesetze und die ganze Thätig¬ keit des Reichstags und des Bundesraths urtheilen — denn dessen und des Kaisers Zustimmung gehört doch bekanntlich auch zu den vom Reichstage beschlossenen Gesetzen — Mitglieder des Reichstags. Man schlägt die steno¬ graphischen Berichte der Session auf und sucht begierig die Stellen, in denen die Warnungen des Herrn von Zehner, des Herrn Hofrath Ackermann nieder¬ gelegt sind vor den unheilvollen Wegen, den der Entwurf der deutschen Gewerbeordnung unter Leitung eines einseitigen Parteidoctrinarismus damals zu wandeln im Begriffe stand. Vergebens! Herr Hofrath Ackermann ist bekanntlich ein munterer Sprecher. Er sprach bereits in der Stunde seines Eintritts in den Reichstag. Auch Herr von Zehner grollte mitunter einmal, wenn der Reichstag zu nahe an grünweiße Eigenthümlichkeiten rührte. Aber bei den langen und eingehenden Debatten über die Gewerbeordnung fließt nur einmal ein Wort aus dem Munde der Herren. Sie beantragen, die Handlungsdiener den Gewerbegehilfen in gewerberechtlicher Hinsicht gleichzu¬ stellen. Das ist Alles. Unter den Stimmen, welche die Gewerbeordnung im Ganzen annehmen, befinden sich auch die des Herrn von Zehner, des Herrn Ackermann. Ja, ein Dresdner Journalist, der sich damals (und heute noch) der ganz besonderen Vertrautheit mit Herrn Hofrath Ackermann erfreute, schrieb damals in den „Dresdner Nachrichten", die deutsche Gewerbeordnung sei lange nicht so freisinnig wie die sächsische, Sachsen müsse dem Bunde zu Liebe wieder einmal ein paar Schritte rückwärts thun. Heute wird diese Ge¬ setzgebung von den Herren, die sie mit gemacht haben, der Leitung eines ein¬ seitigen Parteidoctrinarismus zugeschrieben. Man könnte den Herren ihre Abneigung gegen eine wahre Darstellung der Thatsachen auch an den andern von ihnen gewählten Anklagen gegen die deutsche Gesetzgebung deutlich machen. Man könnte Herrn von Zehner fragen, wo seine Verwahrungen gegen das deutsche Freizügigkeitsgesetz niedergelegt seien? Man könnte Herrn Ackermann in Erinnerung bringen, daß seine Opposition gegen das Unterstützungswohn¬ sitzgesetz in der Hauptsache nur dessen nationaler Tendenz, der Errichtung des Bundes-Heimaths-Amtes, gegolten habe. Man könnte ihm ferner nachweisen, daß er am wenigsten berechtigt ist, über eine „Schädigung des Wohlstandes des deutschen Volkes" infolge des Münzgesetzes zu klagen, da nach allgemeiner Ansicht und Erfahrung an dieser Schädigung — soweit sie wirklich vor¬ handen — diejenigen vor Allem schuld- sind, die verhinderten, daß die deutsche Münzreform gleichzeitig mit der Banksrage, und zwar unter Beseitigung aller Hindernisse, welche die landeshoheitlichen und landesgesetzlichen Münzhoheits¬ rechte und Bankprivilegien in den Weg legten, gelöst wurde. Diese Art der gesetzgeberischen Regelung strebte die nationale Partei an. Bekämpfe wurde sie von Herrn Hofrath Ackermann. Aber es genügt jedenfalls, an diesen Grenzboten III. 187S. 45

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341821_148602/361>, abgerufen am 26.06.2024.