Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, II. Semester. I. Band.Braunschweig verfolgt sie, soweit sie vorhanden, rein locale Ziele. Wo steckt Die schlimmste Phrase in dem Programm des Konservativen Vereins ist Braunschweig verfolgt sie, soweit sie vorhanden, rein locale Ziele. Wo steckt Die schlimmste Phrase in dem Programm des Konservativen Vereins ist <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0360" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/134178"/> <p xml:id="ID_1172" prev="#ID_1171"> Braunschweig verfolgt sie, soweit sie vorhanden, rein locale Ziele. Wo steckt<lb/> also nur um Gotteswiüen die „große conservative Partei im deutschen Reiche",<lb/> als deren Glied sich die Herren von Zehner und Gen. betrachten?</p><lb/> <p xml:id="ID_1173" next="#ID_1174"> Die schlimmste Phrase in dem Programm des Konservativen Vereins ist<lb/> aber die: es sei „die Aufgabe der conservativen Partei, wieder mehr zum Be¬<lb/> wußtsein zu bringen, daß nur auf den ethischen Grundlagen der göttlichen<lb/> Weltordnung ein gedeihliches Zusammenleben der Menschen im Staate, eine<lb/> erfolgreiche Culturentwickelung möglich ist". Wenn der conservative Verein<lb/> diese löbliche Aufgabe verfolgt, so muß er doch von der Voraussetzung aus¬<lb/> gehen, daß bisher dieses Bewußtsein in unserm Volke verdunkelt war. Aber<lb/> bei welcher Gelegenheit und in welchen Kreisen hat sich diese Verdunkelung<lb/> gezeigt? Wodurch ihl sie hervorgerufen worden? Mit welchen Mitteln ge¬<lb/> denkt der conservative Verein dieses Bewußtsein aufzufrischen? Man erhebt<lb/> solche Anklagen, welche das Mark der sittlichen Kraft und Würde des eigenen<lb/> Volkes antasten, nicht, ohne die Ursache, die Symptome der Krankheit und die<lb/> Heilmittel wenigstens flüchtig anzudeuten. Und was antwortet das conser¬<lb/> vative Programm auf alle diese Fragen, die es selbst veranlaßt? Nichts.<lb/> Oder soll etwa die Antwort auf diese Fragen bestehen in der weiteren An¬<lb/> klage des conservativen Vorstandes gegen die deutsche Gesetzgebungsarbeit der<lb/> letzten acht Jahre? „Das deutsche Volk fängt an zu fühlen, und die Anzeichen<lb/> dafür treten immer mehr zu Tag, daß die Wege, auf denen es bisher unter<lb/> der Leitung eines einseitigen Parteidoctrinarismus in seiner Gesetzgebung ge¬<lb/> führt ist, zu einem nicht unwesentlichen Theile nicht zu seinem Heile dienen,<lb/> daß insbesondere die Gewerbegesetzgebung, die mit der Armenversorgungsfrage<lb/> eng zusammenhängende Gesetzgebung über Freizügigkeit und Unterstützungs¬<lb/> wohnsitz, die Art und Weise der Durchführung der neuen Gesetzgebung über<lb/> die Metallwährung u. s. w. den Wohlstand des deutschen Volkes schwer ge¬<lb/> schädigt hat." Man kann nicht gut naiver seine absolute Unfähigkeit bekunden,<lb/> die Gründe der großen deutschen Wirthschaftskrisis zu erkennen, als in diesen<lb/> Worten. Es kann nicht Ausgabe dieser Blätter sein, der kindischen<lb/> Nationalökonomie der Herren vom Vorstande des Conservativen Vereins näher<lb/> zu treten. Auch in den Hundstagen ist unser Publikum zu ernst für solche<lb/> Scherze. Aber für die Frivolität der Ankläger, der deutschen Gesetzgebung,<lb/> für das Maß ihrer Wahrheitsliebe ist dieser Satz höchst lehrreich. Das<lb/> deutsche Volk sagen sie, ist bisher „in seiner Gesetzgebung unter der Leitung<lb/> eines einseitigen Parteidoctrinarismus geführt worden". Als erstes Beispiel<lb/> dieser Art von Gesetzesmacherei „unter der Leitung eines einseitigen Partei-<lb/> doetrinarismus" wird die Gewerbegesetzgebung genannt. Damit kann nur<lb/> die deutsche Gewerbeordnung gemeint sein, Sie stammt bekanntlich aus dem<lb/> Frühjahr 1869. Damals waren Herr von Zehner und Herr Hofrath Acker-</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0360]
Braunschweig verfolgt sie, soweit sie vorhanden, rein locale Ziele. Wo steckt
also nur um Gotteswiüen die „große conservative Partei im deutschen Reiche",
als deren Glied sich die Herren von Zehner und Gen. betrachten?
Die schlimmste Phrase in dem Programm des Konservativen Vereins ist
aber die: es sei „die Aufgabe der conservativen Partei, wieder mehr zum Be¬
wußtsein zu bringen, daß nur auf den ethischen Grundlagen der göttlichen
Weltordnung ein gedeihliches Zusammenleben der Menschen im Staate, eine
erfolgreiche Culturentwickelung möglich ist". Wenn der conservative Verein
diese löbliche Aufgabe verfolgt, so muß er doch von der Voraussetzung aus¬
gehen, daß bisher dieses Bewußtsein in unserm Volke verdunkelt war. Aber
bei welcher Gelegenheit und in welchen Kreisen hat sich diese Verdunkelung
gezeigt? Wodurch ihl sie hervorgerufen worden? Mit welchen Mitteln ge¬
denkt der conservative Verein dieses Bewußtsein aufzufrischen? Man erhebt
solche Anklagen, welche das Mark der sittlichen Kraft und Würde des eigenen
Volkes antasten, nicht, ohne die Ursache, die Symptome der Krankheit und die
Heilmittel wenigstens flüchtig anzudeuten. Und was antwortet das conser¬
vative Programm auf alle diese Fragen, die es selbst veranlaßt? Nichts.
Oder soll etwa die Antwort auf diese Fragen bestehen in der weiteren An¬
klage des conservativen Vorstandes gegen die deutsche Gesetzgebungsarbeit der
letzten acht Jahre? „Das deutsche Volk fängt an zu fühlen, und die Anzeichen
dafür treten immer mehr zu Tag, daß die Wege, auf denen es bisher unter
der Leitung eines einseitigen Parteidoctrinarismus in seiner Gesetzgebung ge¬
führt ist, zu einem nicht unwesentlichen Theile nicht zu seinem Heile dienen,
daß insbesondere die Gewerbegesetzgebung, die mit der Armenversorgungsfrage
eng zusammenhängende Gesetzgebung über Freizügigkeit und Unterstützungs¬
wohnsitz, die Art und Weise der Durchführung der neuen Gesetzgebung über
die Metallwährung u. s. w. den Wohlstand des deutschen Volkes schwer ge¬
schädigt hat." Man kann nicht gut naiver seine absolute Unfähigkeit bekunden,
die Gründe der großen deutschen Wirthschaftskrisis zu erkennen, als in diesen
Worten. Es kann nicht Ausgabe dieser Blätter sein, der kindischen
Nationalökonomie der Herren vom Vorstande des Conservativen Vereins näher
zu treten. Auch in den Hundstagen ist unser Publikum zu ernst für solche
Scherze. Aber für die Frivolität der Ankläger, der deutschen Gesetzgebung,
für das Maß ihrer Wahrheitsliebe ist dieser Satz höchst lehrreich. Das
deutsche Volk sagen sie, ist bisher „in seiner Gesetzgebung unter der Leitung
eines einseitigen Parteidoctrinarismus geführt worden". Als erstes Beispiel
dieser Art von Gesetzesmacherei „unter der Leitung eines einseitigen Partei-
doetrinarismus" wird die Gewerbegesetzgebung genannt. Damit kann nur
die deutsche Gewerbeordnung gemeint sein, Sie stammt bekanntlich aus dem
Frühjahr 1869. Damals waren Herr von Zehner und Herr Hofrath Acker-
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |