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Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, II. Semester. I. Band.

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mäßig in dem Orden der Gesellschaft Jesu eingeschrieben sind. Wenn diese
Schaar durchgängig in derselben Weise gestaltet und gekleidet wäre, so wäre
sie nicht so zu fürchten, aber für die Jesuiten kann man mit gutem Recht
das bekannte italienische Sprüchwort wiederholen "die Kutte macht nicht den
Mönch." Der Jesuite ist ein religiöser Schüler Macchiavelli's; er scheut die
Mittel nicht, wenn er nur durch sie an das Ziel gelangt, und dieses ist die
Herrschaft. Es ist der Jesuitismus, der dem Papstthum einen so besondern
Profanen und weltlichen Charakter gegeben hat, indem er dessen Macht bei¬
nahe ausschließlich in eine politische verwandelte, und nicht nur den päpst¬
lichen Stuhl, sondern den ganzen katholischen Clerus. Er hat sich der Erziehung
bemächtigt, um durch sie sicher die Gesellschaft beherrschen zu können. Er hat
dann das Collegium der Cardinäle oder der Fürsten der Heiligen Kirche in
eine Art politischen Hofstaates verwandelt. Er hat nicht so sehr die Absicht,
den Glanz des Heiligen Stuhles zu erhalten und zu vermehren, als die
Person des zeitweiligen Herrschers zu festigen. Nachdem in solcher Weise die
Institution der Cardinäle gesunken ist, kann man sich wohl mit Recht fragen:
wozu dient ein solches Collegium bei dem jetzigen Zustand des Papstthums,
das nicht für sich mehr einen Staat zu regieren und das die Lehre von der
Liebe aus seinem Gesetzbuch verbannt hat?

In einem ungemein merkwürdigen Buch des Jabio Albergati, das "Vom
Cardinal" *) handelt, finde ich in folgender Weise das Amt des Cardinals
geschildert. "Dieser ist wie ein Senator in seiner Republik Rathgeber, und
als Senator und Cardinal der republikanischen Regierung hat er nicht nur
dem Papste zu dienen, indem er ihm räth, sondern indem er noch die durch
diesen gefaßten Entschließungen vollzieht, indem er ihm die Bürde des öffent¬
lichen Regiments durch Gesandschaften und andere ihm zukommende Unter
Handlungen tragen hilft. Und endlich, als Senator nicht nur der Republi¬
kanischen Regierung, sondern auch durch das Wahlrecht, hat er die Macht,
den Pontifex zu erwählen. Die Dinge aber, die gemeinschaftlich in den
Staaten zur Berathung kommen, sind die öffentlichen Güter und Ein¬
nahmen. der Frieden und der Krieg, die Vertheidigung und die Festungen,
die dem menschlichen Leben nothwendigen Dinge, die in den Staat eingreifen
und davon ausgehen und die das Gesetz umgebenden Dekrete."

Aus dieser Schilderung der Pflichten eines Cardinales der verflossenen
Jahrhunderte, ist leicht ersichtlich, wie in der Jetztzeit, durch die veränderten
Bedingungen, welche die italienische Politik dem Papstthum gestellt hat, der
Cardinal nur noch der Form nach existirt und die Cardinäle werden, trotz
ihrer hohen, im Verschwinden begriffenen Würde, gegenwärtig ihr Amt auf



") Rom, Ruffimlli 1598.

mäßig in dem Orden der Gesellschaft Jesu eingeschrieben sind. Wenn diese
Schaar durchgängig in derselben Weise gestaltet und gekleidet wäre, so wäre
sie nicht so zu fürchten, aber für die Jesuiten kann man mit gutem Recht
das bekannte italienische Sprüchwort wiederholen „die Kutte macht nicht den
Mönch." Der Jesuite ist ein religiöser Schüler Macchiavelli's; er scheut die
Mittel nicht, wenn er nur durch sie an das Ziel gelangt, und dieses ist die
Herrschaft. Es ist der Jesuitismus, der dem Papstthum einen so besondern
Profanen und weltlichen Charakter gegeben hat, indem er dessen Macht bei¬
nahe ausschließlich in eine politische verwandelte, und nicht nur den päpst¬
lichen Stuhl, sondern den ganzen katholischen Clerus. Er hat sich der Erziehung
bemächtigt, um durch sie sicher die Gesellschaft beherrschen zu können. Er hat
dann das Collegium der Cardinäle oder der Fürsten der Heiligen Kirche in
eine Art politischen Hofstaates verwandelt. Er hat nicht so sehr die Absicht,
den Glanz des Heiligen Stuhles zu erhalten und zu vermehren, als die
Person des zeitweiligen Herrschers zu festigen. Nachdem in solcher Weise die
Institution der Cardinäle gesunken ist, kann man sich wohl mit Recht fragen:
wozu dient ein solches Collegium bei dem jetzigen Zustand des Papstthums,
das nicht für sich mehr einen Staat zu regieren und das die Lehre von der
Liebe aus seinem Gesetzbuch verbannt hat?

In einem ungemein merkwürdigen Buch des Jabio Albergati, das „Vom
Cardinal" *) handelt, finde ich in folgender Weise das Amt des Cardinals
geschildert. „Dieser ist wie ein Senator in seiner Republik Rathgeber, und
als Senator und Cardinal der republikanischen Regierung hat er nicht nur
dem Papste zu dienen, indem er ihm räth, sondern indem er noch die durch
diesen gefaßten Entschließungen vollzieht, indem er ihm die Bürde des öffent¬
lichen Regiments durch Gesandschaften und andere ihm zukommende Unter
Handlungen tragen hilft. Und endlich, als Senator nicht nur der Republi¬
kanischen Regierung, sondern auch durch das Wahlrecht, hat er die Macht,
den Pontifex zu erwählen. Die Dinge aber, die gemeinschaftlich in den
Staaten zur Berathung kommen, sind die öffentlichen Güter und Ein¬
nahmen. der Frieden und der Krieg, die Vertheidigung und die Festungen,
die dem menschlichen Leben nothwendigen Dinge, die in den Staat eingreifen
und davon ausgehen und die das Gesetz umgebenden Dekrete."

Aus dieser Schilderung der Pflichten eines Cardinales der verflossenen
Jahrhunderte, ist leicht ersichtlich, wie in der Jetztzeit, durch die veränderten
Bedingungen, welche die italienische Politik dem Papstthum gestellt hat, der
Cardinal nur noch der Form nach existirt und die Cardinäle werden, trotz
ihrer hohen, im Verschwinden begriffenen Würde, gegenwärtig ihr Amt auf



") Rom, Ruffimlli 1598.
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[0331] mäßig in dem Orden der Gesellschaft Jesu eingeschrieben sind. Wenn diese Schaar durchgängig in derselben Weise gestaltet und gekleidet wäre, so wäre sie nicht so zu fürchten, aber für die Jesuiten kann man mit gutem Recht das bekannte italienische Sprüchwort wiederholen „die Kutte macht nicht den Mönch." Der Jesuite ist ein religiöser Schüler Macchiavelli's; er scheut die Mittel nicht, wenn er nur durch sie an das Ziel gelangt, und dieses ist die Herrschaft. Es ist der Jesuitismus, der dem Papstthum einen so besondern Profanen und weltlichen Charakter gegeben hat, indem er dessen Macht bei¬ nahe ausschließlich in eine politische verwandelte, und nicht nur den päpst¬ lichen Stuhl, sondern den ganzen katholischen Clerus. Er hat sich der Erziehung bemächtigt, um durch sie sicher die Gesellschaft beherrschen zu können. Er hat dann das Collegium der Cardinäle oder der Fürsten der Heiligen Kirche in eine Art politischen Hofstaates verwandelt. Er hat nicht so sehr die Absicht, den Glanz des Heiligen Stuhles zu erhalten und zu vermehren, als die Person des zeitweiligen Herrschers zu festigen. Nachdem in solcher Weise die Institution der Cardinäle gesunken ist, kann man sich wohl mit Recht fragen: wozu dient ein solches Collegium bei dem jetzigen Zustand des Papstthums, das nicht für sich mehr einen Staat zu regieren und das die Lehre von der Liebe aus seinem Gesetzbuch verbannt hat? In einem ungemein merkwürdigen Buch des Jabio Albergati, das „Vom Cardinal" *) handelt, finde ich in folgender Weise das Amt des Cardinals geschildert. „Dieser ist wie ein Senator in seiner Republik Rathgeber, und als Senator und Cardinal der republikanischen Regierung hat er nicht nur dem Papste zu dienen, indem er ihm räth, sondern indem er noch die durch diesen gefaßten Entschließungen vollzieht, indem er ihm die Bürde des öffent¬ lichen Regiments durch Gesandschaften und andere ihm zukommende Unter Handlungen tragen hilft. Und endlich, als Senator nicht nur der Republi¬ kanischen Regierung, sondern auch durch das Wahlrecht, hat er die Macht, den Pontifex zu erwählen. Die Dinge aber, die gemeinschaftlich in den Staaten zur Berathung kommen, sind die öffentlichen Güter und Ein¬ nahmen. der Frieden und der Krieg, die Vertheidigung und die Festungen, die dem menschlichen Leben nothwendigen Dinge, die in den Staat eingreifen und davon ausgehen und die das Gesetz umgebenden Dekrete." Aus dieser Schilderung der Pflichten eines Cardinales der verflossenen Jahrhunderte, ist leicht ersichtlich, wie in der Jetztzeit, durch die veränderten Bedingungen, welche die italienische Politik dem Papstthum gestellt hat, der Cardinal nur noch der Form nach existirt und die Cardinäle werden, trotz ihrer hohen, im Verschwinden begriffenen Würde, gegenwärtig ihr Amt auf ") Rom, Ruffimlli 1598.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341821_148602/331>, abgerufen am 26.06.2024.