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Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, II. Semester. I. Band.

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Der Amme des Jürsten Unninius.
Von Karl Ane.

Es ist kläglich, zu bemerken, daß die Ergebnisse der wissenschaftlichen
Forschung sehr spät in das Leben dringen, wenn und wo es überhaupt ge¬
schieht. Die Gelehrten schreiben nur für ihre Fachgenossen, die Lehrer der
Jugend und des Volkes in Wort und Schrift kümmern sich nicht um die
Arbeiten der Gelehrten. Darum will auch der Irrthum nicht weichen. So in
Großem wie in Kleinem. Ein Beispiel giebt der Name des deutschen Fürsten,
der einst durch Vernichtung des römischen Heeres in den Schlachten des
Osninges die Freiheit unseres Volkes und Landes rettete. Die Römer schreiben
ihn überall Arminius, die Griechen theils Arminios, theils Armenios
Schon in der ersten Hälfte des sechzehnten Jahrhunderts fing man in Deutsch¬
land an nach der Bedeutung des Namens zu fragen und zu forschen. Unbe¬
kannt mit der alten Sprache, ihren Gesetzen und ihrem Verhältnisse zu der
neuen, hielt man den Namen Arminius für römische Entstellung des Namens
Hermann, den man richtig dem Worte Heermann, das aber damals nicht
mehr lebendig gewesen sein kann, gleichsetzte. ^)

Die altdeutschen Namen wie die altdeutsche Sprache überhaupt, meinte man,
hätten so hart als möglich gelautet, was man für ein Zeichen derDeutschheit
hielt. Gleicher Meinung sind die Meisten heute noch, obwohl man es längst
besser wissen könnte. Die geschichtliche Kunde der deutschen Sprache in ihrem
ganzen Umfange, die, in der Zeit der ersten Erhebung Deutschlands aus der
Niederlage und Knechtschaft beginnend, nun als ein hohes und Helles fest
gegründetes und wohl gefügtes Haus da steht, an dessen Ausbau und Schmucke
immer fort gearbeitet wird, hat längst erwiesen, daß Arminius und Hermann




y So Strabon, mit Hinsicht auf den Volksnamen Armenius, '^/">,us. Eben daher
werden auch die Lesarten Armenius, Armenus bei römischen Geschichtschreibern stammen. Ver¬
gleiche aber die 15. Anmerkung.
2) Es genüge an dem Beispiele Luthers. Indem 1557 erschienenen fünften Theile der zu
Jena bei Christian Rödingers Erben gedruckten Ausgabe seiner Schriften sagt er Blatt 53,
nach dem Index hinter dem 8. Theile auch I?. 154- Herman, den die Latini vbel ver-
keren, vnd Arminium nennen, Heißt aber ein Heerman, Snx dolli, der zum Heer und Streit
tüchtig ist, die Seinen zu rette" und forn an zu gehen, sein leib vnd leben drüber wagen/'
In seinem zuerst 1537 in Wittenberg ohne seine" Namen in lateinischer Sprache erschienene"
Namenbüchleiu, das ich aber nur in Magister Gottfr. Wagners 1l>74 in Leipzig hcrausge-
kommener Uebersetzung benutzen kann, heißt es Seite 5: "gleichwie auch jener fürtreffliche
Deutsche Krieges-Fürst, welcher des Kaysers Augusti Legionen erleget, von den Jtalis unrecht
Arminius genannt, geheißen hat, welches auch noch heute ein bekannter und sehr gebrauch'
lieber Name ist. Herman heißt aber so viel als ein Mann des Heeres, oder Kriegs-Obrister -
denn Heer bedeutet Kriegs-Volat. Daher kommt Hcerfnrt, das ist ein Kriegs-Zug, Item
Hermann!, Hcrmcmnia, das ist Kriegs-Leute, Krieger, Kriegerei.
Der Amme des Jürsten Unninius.
Von Karl Ane.

Es ist kläglich, zu bemerken, daß die Ergebnisse der wissenschaftlichen
Forschung sehr spät in das Leben dringen, wenn und wo es überhaupt ge¬
schieht. Die Gelehrten schreiben nur für ihre Fachgenossen, die Lehrer der
Jugend und des Volkes in Wort und Schrift kümmern sich nicht um die
Arbeiten der Gelehrten. Darum will auch der Irrthum nicht weichen. So in
Großem wie in Kleinem. Ein Beispiel giebt der Name des deutschen Fürsten,
der einst durch Vernichtung des römischen Heeres in den Schlachten des
Osninges die Freiheit unseres Volkes und Landes rettete. Die Römer schreiben
ihn überall Arminius, die Griechen theils Arminios, theils Armenios
Schon in der ersten Hälfte des sechzehnten Jahrhunderts fing man in Deutsch¬
land an nach der Bedeutung des Namens zu fragen und zu forschen. Unbe¬
kannt mit der alten Sprache, ihren Gesetzen und ihrem Verhältnisse zu der
neuen, hielt man den Namen Arminius für römische Entstellung des Namens
Hermann, den man richtig dem Worte Heermann, das aber damals nicht
mehr lebendig gewesen sein kann, gleichsetzte. ^)

Die altdeutschen Namen wie die altdeutsche Sprache überhaupt, meinte man,
hätten so hart als möglich gelautet, was man für ein Zeichen derDeutschheit
hielt. Gleicher Meinung sind die Meisten heute noch, obwohl man es längst
besser wissen könnte. Die geschichtliche Kunde der deutschen Sprache in ihrem
ganzen Umfange, die, in der Zeit der ersten Erhebung Deutschlands aus der
Niederlage und Knechtschaft beginnend, nun als ein hohes und Helles fest
gegründetes und wohl gefügtes Haus da steht, an dessen Ausbau und Schmucke
immer fort gearbeitet wird, hat längst erwiesen, daß Arminius und Hermann




y So Strabon, mit Hinsicht auf den Volksnamen Armenius, '^/»>,us. Eben daher
werden auch die Lesarten Armenius, Armenus bei römischen Geschichtschreibern stammen. Ver¬
gleiche aber die 15. Anmerkung.
2) Es genüge an dem Beispiele Luthers. Indem 1557 erschienenen fünften Theile der zu
Jena bei Christian Rödingers Erben gedruckten Ausgabe seiner Schriften sagt er Blatt 53,
nach dem Index hinter dem 8. Theile auch I?. 154- Herman, den die Latini vbel ver-
keren, vnd Arminium nennen, Heißt aber ein Heerman, Snx dolli, der zum Heer und Streit
tüchtig ist, die Seinen zu rette» und forn an zu gehen, sein leib vnd leben drüber wagen/'
In seinem zuerst 1537 in Wittenberg ohne seine» Namen in lateinischer Sprache erschienene»
Namenbüchleiu, das ich aber nur in Magister Gottfr. Wagners 1l>74 in Leipzig hcrausge-
kommener Uebersetzung benutzen kann, heißt es Seite 5: „gleichwie auch jener fürtreffliche
Deutsche Krieges-Fürst, welcher des Kaysers Augusti Legionen erleget, von den Jtalis unrecht
Arminius genannt, geheißen hat, welches auch noch heute ein bekannter und sehr gebrauch'
lieber Name ist. Herman heißt aber so viel als ein Mann des Heeres, oder Kriegs-Obrister -
denn Heer bedeutet Kriegs-Volat. Daher kommt Hcerfnrt, das ist ein Kriegs-Zug, Item
Hermann!, Hcrmcmnia, das ist Kriegs-Leute, Krieger, Kriegerei.
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[0320] Der Amme des Jürsten Unninius. Von Karl Ane. Es ist kläglich, zu bemerken, daß die Ergebnisse der wissenschaftlichen Forschung sehr spät in das Leben dringen, wenn und wo es überhaupt ge¬ schieht. Die Gelehrten schreiben nur für ihre Fachgenossen, die Lehrer der Jugend und des Volkes in Wort und Schrift kümmern sich nicht um die Arbeiten der Gelehrten. Darum will auch der Irrthum nicht weichen. So in Großem wie in Kleinem. Ein Beispiel giebt der Name des deutschen Fürsten, der einst durch Vernichtung des römischen Heeres in den Schlachten des Osninges die Freiheit unseres Volkes und Landes rettete. Die Römer schreiben ihn überall Arminius, die Griechen theils Arminios, theils Armenios Schon in der ersten Hälfte des sechzehnten Jahrhunderts fing man in Deutsch¬ land an nach der Bedeutung des Namens zu fragen und zu forschen. Unbe¬ kannt mit der alten Sprache, ihren Gesetzen und ihrem Verhältnisse zu der neuen, hielt man den Namen Arminius für römische Entstellung des Namens Hermann, den man richtig dem Worte Heermann, das aber damals nicht mehr lebendig gewesen sein kann, gleichsetzte. ^) Die altdeutschen Namen wie die altdeutsche Sprache überhaupt, meinte man, hätten so hart als möglich gelautet, was man für ein Zeichen derDeutschheit hielt. Gleicher Meinung sind die Meisten heute noch, obwohl man es längst besser wissen könnte. Die geschichtliche Kunde der deutschen Sprache in ihrem ganzen Umfange, die, in der Zeit der ersten Erhebung Deutschlands aus der Niederlage und Knechtschaft beginnend, nun als ein hohes und Helles fest gegründetes und wohl gefügtes Haus da steht, an dessen Ausbau und Schmucke immer fort gearbeitet wird, hat längst erwiesen, daß Arminius und Hermann y So Strabon, mit Hinsicht auf den Volksnamen Armenius, '^/»>,us. Eben daher werden auch die Lesarten Armenius, Armenus bei römischen Geschichtschreibern stammen. Ver¬ gleiche aber die 15. Anmerkung. 2) Es genüge an dem Beispiele Luthers. Indem 1557 erschienenen fünften Theile der zu Jena bei Christian Rödingers Erben gedruckten Ausgabe seiner Schriften sagt er Blatt 53, nach dem Index hinter dem 8. Theile auch I?. 154- Herman, den die Latini vbel ver- keren, vnd Arminium nennen, Heißt aber ein Heerman, Snx dolli, der zum Heer und Streit tüchtig ist, die Seinen zu rette» und forn an zu gehen, sein leib vnd leben drüber wagen/' In seinem zuerst 1537 in Wittenberg ohne seine» Namen in lateinischer Sprache erschienene» Namenbüchleiu, das ich aber nur in Magister Gottfr. Wagners 1l>74 in Leipzig hcrausge- kommener Uebersetzung benutzen kann, heißt es Seite 5: „gleichwie auch jener fürtreffliche Deutsche Krieges-Fürst, welcher des Kaysers Augusti Legionen erleget, von den Jtalis unrecht Arminius genannt, geheißen hat, welches auch noch heute ein bekannter und sehr gebrauch' lieber Name ist. Herman heißt aber so viel als ein Mann des Heeres, oder Kriegs-Obrister - denn Heer bedeutet Kriegs-Volat. Daher kommt Hcerfnrt, das ist ein Kriegs-Zug, Item Hermann!, Hcrmcmnia, das ist Kriegs-Leute, Krieger, Kriegerei.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341821_148602/320>, abgerufen am 26.06.2024.