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Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, II. Semester. I. Band.

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Die Krankheiten oder andere Ursachen ferner bringen bei den Pflanzen
ganz ebenso wie bei den Thieren Anomalien und Unregelmäßigkeiten im
Bau hervor. Ebenso wie es im Thierreiche Mißgeburten und andere Mon¬
strositäten giebt, finden sich auch im Pflanzenreiche Monstrositäten. Man
nennt die Wissenschaft, die sich mit diesen Erscheinungen in der animalischen
Welt beschäftigt, Teratologie. Geoffroy Samt Hilaire hat seinen Namen an
schöne Studien über die Ursachen des Entstehens von Monstern in den ver¬
schiedenen Klassen der Thiere geknüpft. Aber in unsern Tagen ist man
gewahr geworden, daß eine ähnliche Wissenschaft für die Erklärung der
dem Pflanzenreiche eigenthümlichen Mißbildungen geschaffen werden muß, und
Moquin-Tandon hat bereits ein Werk über die vegetabilische Teratologie
veröffentlicht.

Das Alter endlich und der Tod existiren für die Pflanzen wie für die
Thiere. Die Pflanze entgeht, nachdem sie verschiedenen Krankheiten wider¬
standen hat, welche sie bedrohten, einem langsam herankommenden Alter nicht,
und auf das Alter folgt mit Nothwendigkeit der Tod. Mit der Zeit ver¬
härten sich ihre Gefäße, die Höhlung derselben verstopft sich, nachdem sie sich
verengert hat, und kann nun den Saft und andere Flüssigkeiten, die durch
sie hindurch laufen sollen, nicht mehr durchlassen. Die Säfte sind nicht mehr
von der früheren Regelmäßigkeit beseelt, sie sickern nicht mehr mit der ehe¬
maligen Genauigkeit durch das vegetabilische Gewebe, und ihre Zersetzung,
ihre Verwesung theilt sich den Gefäßen mit, die sie einschließen. Infolge
dessen hören die Functionen des Lebens auf, sich zu vollziehen, und die
Pflanze stirbt.

Bei den Thieren geht es ebenso zu. Die Verdickung der Gefäße, die
Verstopfung ihrer Höhlung führt den Zustand des Alters herbei, in welchem
die Functionen derselben gestört und verzögert werden, dann kommt der
Tod, der in beiden Reichen der Natur das unausbleibliche Ende von
Allem ist.




Ire Wecklenbmgische Verfassung.

Die mecklenburgische Verfassung, das Kreuz des deutschen Reiches, ist ein
solches Unicum. daß es wohl eine besondere Beleuchtung verdient. Wir wollen
daher versuchen, in kurzen Umrissen sie zu kennzeichnen. Das Buch der Bücher
der Mecklenburgischen Verfassung ist der Grundgesetzliche Erbvergleich, der
vom 18. April 1788 datirt und welcher, wiewohl die Stürme eines Jahr¬
hunderts und mehr mit allen Zeitströmungen darüber hingebraust, zum großen


Die Krankheiten oder andere Ursachen ferner bringen bei den Pflanzen
ganz ebenso wie bei den Thieren Anomalien und Unregelmäßigkeiten im
Bau hervor. Ebenso wie es im Thierreiche Mißgeburten und andere Mon¬
strositäten giebt, finden sich auch im Pflanzenreiche Monstrositäten. Man
nennt die Wissenschaft, die sich mit diesen Erscheinungen in der animalischen
Welt beschäftigt, Teratologie. Geoffroy Samt Hilaire hat seinen Namen an
schöne Studien über die Ursachen des Entstehens von Monstern in den ver¬
schiedenen Klassen der Thiere geknüpft. Aber in unsern Tagen ist man
gewahr geworden, daß eine ähnliche Wissenschaft für die Erklärung der
dem Pflanzenreiche eigenthümlichen Mißbildungen geschaffen werden muß, und
Moquin-Tandon hat bereits ein Werk über die vegetabilische Teratologie
veröffentlicht.

Das Alter endlich und der Tod existiren für die Pflanzen wie für die
Thiere. Die Pflanze entgeht, nachdem sie verschiedenen Krankheiten wider¬
standen hat, welche sie bedrohten, einem langsam herankommenden Alter nicht,
und auf das Alter folgt mit Nothwendigkeit der Tod. Mit der Zeit ver¬
härten sich ihre Gefäße, die Höhlung derselben verstopft sich, nachdem sie sich
verengert hat, und kann nun den Saft und andere Flüssigkeiten, die durch
sie hindurch laufen sollen, nicht mehr durchlassen. Die Säfte sind nicht mehr
von der früheren Regelmäßigkeit beseelt, sie sickern nicht mehr mit der ehe¬
maligen Genauigkeit durch das vegetabilische Gewebe, und ihre Zersetzung,
ihre Verwesung theilt sich den Gefäßen mit, die sie einschließen. Infolge
dessen hören die Functionen des Lebens auf, sich zu vollziehen, und die
Pflanze stirbt.

Bei den Thieren geht es ebenso zu. Die Verdickung der Gefäße, die
Verstopfung ihrer Höhlung führt den Zustand des Alters herbei, in welchem
die Functionen derselben gestört und verzögert werden, dann kommt der
Tod, der in beiden Reichen der Natur das unausbleibliche Ende von
Allem ist.




Ire Wecklenbmgische Verfassung.

Die mecklenburgische Verfassung, das Kreuz des deutschen Reiches, ist ein
solches Unicum. daß es wohl eine besondere Beleuchtung verdient. Wir wollen
daher versuchen, in kurzen Umrissen sie zu kennzeichnen. Das Buch der Bücher
der Mecklenburgischen Verfassung ist der Grundgesetzliche Erbvergleich, der
vom 18. April 1788 datirt und welcher, wiewohl die Stürme eines Jahr¬
hunderts und mehr mit allen Zeitströmungen darüber hingebraust, zum großen


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[0300] Die Krankheiten oder andere Ursachen ferner bringen bei den Pflanzen ganz ebenso wie bei den Thieren Anomalien und Unregelmäßigkeiten im Bau hervor. Ebenso wie es im Thierreiche Mißgeburten und andere Mon¬ strositäten giebt, finden sich auch im Pflanzenreiche Monstrositäten. Man nennt die Wissenschaft, die sich mit diesen Erscheinungen in der animalischen Welt beschäftigt, Teratologie. Geoffroy Samt Hilaire hat seinen Namen an schöne Studien über die Ursachen des Entstehens von Monstern in den ver¬ schiedenen Klassen der Thiere geknüpft. Aber in unsern Tagen ist man gewahr geworden, daß eine ähnliche Wissenschaft für die Erklärung der dem Pflanzenreiche eigenthümlichen Mißbildungen geschaffen werden muß, und Moquin-Tandon hat bereits ein Werk über die vegetabilische Teratologie veröffentlicht. Das Alter endlich und der Tod existiren für die Pflanzen wie für die Thiere. Die Pflanze entgeht, nachdem sie verschiedenen Krankheiten wider¬ standen hat, welche sie bedrohten, einem langsam herankommenden Alter nicht, und auf das Alter folgt mit Nothwendigkeit der Tod. Mit der Zeit ver¬ härten sich ihre Gefäße, die Höhlung derselben verstopft sich, nachdem sie sich verengert hat, und kann nun den Saft und andere Flüssigkeiten, die durch sie hindurch laufen sollen, nicht mehr durchlassen. Die Säfte sind nicht mehr von der früheren Regelmäßigkeit beseelt, sie sickern nicht mehr mit der ehe¬ maligen Genauigkeit durch das vegetabilische Gewebe, und ihre Zersetzung, ihre Verwesung theilt sich den Gefäßen mit, die sie einschließen. Infolge dessen hören die Functionen des Lebens auf, sich zu vollziehen, und die Pflanze stirbt. Bei den Thieren geht es ebenso zu. Die Verdickung der Gefäße, die Verstopfung ihrer Höhlung führt den Zustand des Alters herbei, in welchem die Functionen derselben gestört und verzögert werden, dann kommt der Tod, der in beiden Reichen der Natur das unausbleibliche Ende von Allem ist. Ire Wecklenbmgische Verfassung. Die mecklenburgische Verfassung, das Kreuz des deutschen Reiches, ist ein solches Unicum. daß es wohl eine besondere Beleuchtung verdient. Wir wollen daher versuchen, in kurzen Umrissen sie zu kennzeichnen. Das Buch der Bücher der Mecklenburgischen Verfassung ist der Grundgesetzliche Erbvergleich, der vom 18. April 1788 datirt und welcher, wiewohl die Stürme eines Jahr¬ hunderts und mehr mit allen Zeitströmungen darüber hingebraust, zum großen

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341821_148602/300>, abgerufen am 26.06.2024.