Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, II. Semester. I. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

als der Walfisch war, der Megalosaurus und das Iguanodon, welche die
Dicke des Elephanten hatten.

Diesen Kolossen des Thierreiches stellen wir die Kolosse des Pflanzen¬
reiches gegenüber: den ungeheuren Baobab, welcher mit seinem Schatten
Hunderte von Quadratmetern bedeckt, die Ulme, die so groß wie ein Walfisch
werden kann, den Eucalyptus Globülus, einen australischen Baum, den man
mit Erfolg in Algier sowie im südlichen Frankreich einzubürgern versucht
hat; die Sequioia Gigantea, diese Riesin der californischen Wälder.

Wenn die beiden Reiche der Natur ihre Kolosse haben, so besitzen sie
auch ihre Zwerge und ihre unendlich kleinen Geschöpfe. Es giebt krypto-
gamische Pflanzen, die man nur mit dem Mikroskope sehen kann, und es
giebt Thierchen, die ebenfalls nur durch das Vergrößerungsglas sichtbar sind.
Wenn also das Thierreich auf seiner Stufenleiter der Größen vom Wal¬
fisch bis zur mikroskopischen Milbe variiren kann, so besitzt das Pflanzen¬
reich dieselbe Skala des Herabsteigens vom Baobab bis zum winzigen
Schimmelpilze.

Fügen wir hinzu, daß dieselben Orte von den Thieren wie von den
Pflanzen bewohnt und aufgesucht werden. Die Einen wie die Andern leben
auf demselben Terrain, wie um sich gegenseitig Beistand zu leisten. Die
beiden Reiche der Natur verschlingen wechselsweise ihre Zweige mit einander
auf allen Punkten des Erdballs. Man könnte eine ganze Menge von Orten
anführen, wo sich's zu gleicher Zeit gewisse Pflanzen und gewisse Thiere wohl
sein lassen. Die Gemse und der Ahorn lieben dieselben Gebirge und dieselben
hochliegenden Stellen, die Trüffel und der Regenwurm leben in denselben
unterirdischen Regionen, der Hase und die Birke sehen sich auf demselben
Gefilde, der Affe und die Palme folgen einander, anderswo leisten sich das
Hermelin und der Ginseng Gesellschaft, desgleichen der Blutegel und der
Wasserfaden, die Seelilie wächst in denselben süßen Gewässern, wie die Wasser¬
motte, der Schellfisch und die Algen gedeihen auf denselben unterseeischen
Gründen.

Gewächse und Thiere haben ursprünglich alle ein Vaterland, aber die
Einen wie die Andern können sich durch die menschliche Industrie unter andern
Himmelsstrichen einbürgern und dann recht wohl gedeihen. Der edle Kasta¬
nienbaum und das Kochinchinesische Huhn, der Pfirsichbaum und der Trut-
hahn haben, nach Europa gebracht, alle ihr Vaterland vergessen.

Unter den Thieren wie unter den Pflanzen giebt es amphibische Wesen.
Der Frosch und die übrigen Batrachier leben ebenso wie die Binsen im Wasser
und auf dem Lande.

Thiere und Pflanzen können als Parasiten leben. Wenn das Thierreich
seine Schmarotzer hat wie zum Beispiel die Laus, den Sandfloh und die


als der Walfisch war, der Megalosaurus und das Iguanodon, welche die
Dicke des Elephanten hatten.

Diesen Kolossen des Thierreiches stellen wir die Kolosse des Pflanzen¬
reiches gegenüber: den ungeheuren Baobab, welcher mit seinem Schatten
Hunderte von Quadratmetern bedeckt, die Ulme, die so groß wie ein Walfisch
werden kann, den Eucalyptus Globülus, einen australischen Baum, den man
mit Erfolg in Algier sowie im südlichen Frankreich einzubürgern versucht
hat; die Sequioia Gigantea, diese Riesin der californischen Wälder.

Wenn die beiden Reiche der Natur ihre Kolosse haben, so besitzen sie
auch ihre Zwerge und ihre unendlich kleinen Geschöpfe. Es giebt krypto-
gamische Pflanzen, die man nur mit dem Mikroskope sehen kann, und es
giebt Thierchen, die ebenfalls nur durch das Vergrößerungsglas sichtbar sind.
Wenn also das Thierreich auf seiner Stufenleiter der Größen vom Wal¬
fisch bis zur mikroskopischen Milbe variiren kann, so besitzt das Pflanzen¬
reich dieselbe Skala des Herabsteigens vom Baobab bis zum winzigen
Schimmelpilze.

Fügen wir hinzu, daß dieselben Orte von den Thieren wie von den
Pflanzen bewohnt und aufgesucht werden. Die Einen wie die Andern leben
auf demselben Terrain, wie um sich gegenseitig Beistand zu leisten. Die
beiden Reiche der Natur verschlingen wechselsweise ihre Zweige mit einander
auf allen Punkten des Erdballs. Man könnte eine ganze Menge von Orten
anführen, wo sich's zu gleicher Zeit gewisse Pflanzen und gewisse Thiere wohl
sein lassen. Die Gemse und der Ahorn lieben dieselben Gebirge und dieselben
hochliegenden Stellen, die Trüffel und der Regenwurm leben in denselben
unterirdischen Regionen, der Hase und die Birke sehen sich auf demselben
Gefilde, der Affe und die Palme folgen einander, anderswo leisten sich das
Hermelin und der Ginseng Gesellschaft, desgleichen der Blutegel und der
Wasserfaden, die Seelilie wächst in denselben süßen Gewässern, wie die Wasser¬
motte, der Schellfisch und die Algen gedeihen auf denselben unterseeischen
Gründen.

Gewächse und Thiere haben ursprünglich alle ein Vaterland, aber die
Einen wie die Andern können sich durch die menschliche Industrie unter andern
Himmelsstrichen einbürgern und dann recht wohl gedeihen. Der edle Kasta¬
nienbaum und das Kochinchinesische Huhn, der Pfirsichbaum und der Trut-
hahn haben, nach Europa gebracht, alle ihr Vaterland vergessen.

Unter den Thieren wie unter den Pflanzen giebt es amphibische Wesen.
Der Frosch und die übrigen Batrachier leben ebenso wie die Binsen im Wasser
und auf dem Lande.

Thiere und Pflanzen können als Parasiten leben. Wenn das Thierreich
seine Schmarotzer hat wie zum Beispiel die Laus, den Sandfloh und die


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0298" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/134116"/>
          <p xml:id="ID_960" prev="#ID_959"> als der Walfisch war, der Megalosaurus und das Iguanodon, welche die<lb/>
Dicke des Elephanten hatten.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_961"> Diesen Kolossen des Thierreiches stellen wir die Kolosse des Pflanzen¬<lb/>
reiches gegenüber: den ungeheuren Baobab, welcher mit seinem Schatten<lb/>
Hunderte von Quadratmetern bedeckt, die Ulme, die so groß wie ein Walfisch<lb/>
werden kann, den Eucalyptus Globülus, einen australischen Baum, den man<lb/>
mit Erfolg in Algier sowie im südlichen Frankreich einzubürgern versucht<lb/>
hat; die Sequioia Gigantea, diese Riesin der californischen Wälder.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_962"> Wenn die beiden Reiche der Natur ihre Kolosse haben, so besitzen sie<lb/>
auch ihre Zwerge und ihre unendlich kleinen Geschöpfe. Es giebt krypto-<lb/>
gamische Pflanzen, die man nur mit dem Mikroskope sehen kann, und es<lb/>
giebt Thierchen, die ebenfalls nur durch das Vergrößerungsglas sichtbar sind.<lb/>
Wenn also das Thierreich auf seiner Stufenleiter der Größen vom Wal¬<lb/>
fisch bis zur mikroskopischen Milbe variiren kann, so besitzt das Pflanzen¬<lb/>
reich dieselbe Skala des Herabsteigens vom Baobab bis zum winzigen<lb/>
Schimmelpilze.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_963"> Fügen wir hinzu, daß dieselben Orte von den Thieren wie von den<lb/>
Pflanzen bewohnt und aufgesucht werden. Die Einen wie die Andern leben<lb/>
auf demselben Terrain, wie um sich gegenseitig Beistand zu leisten. Die<lb/>
beiden Reiche der Natur verschlingen wechselsweise ihre Zweige mit einander<lb/>
auf allen Punkten des Erdballs. Man könnte eine ganze Menge von Orten<lb/>
anführen, wo sich's zu gleicher Zeit gewisse Pflanzen und gewisse Thiere wohl<lb/>
sein lassen. Die Gemse und der Ahorn lieben dieselben Gebirge und dieselben<lb/>
hochliegenden Stellen, die Trüffel und der Regenwurm leben in denselben<lb/>
unterirdischen Regionen, der Hase und die Birke sehen sich auf demselben<lb/>
Gefilde, der Affe und die Palme folgen einander, anderswo leisten sich das<lb/>
Hermelin und der Ginseng Gesellschaft, desgleichen der Blutegel und der<lb/>
Wasserfaden, die Seelilie wächst in denselben süßen Gewässern, wie die Wasser¬<lb/>
motte, der Schellfisch und die Algen gedeihen auf denselben unterseeischen<lb/>
Gründen.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_964"> Gewächse und Thiere haben ursprünglich alle ein Vaterland, aber die<lb/>
Einen wie die Andern können sich durch die menschliche Industrie unter andern<lb/>
Himmelsstrichen einbürgern und dann recht wohl gedeihen. Der edle Kasta¬<lb/>
nienbaum und das Kochinchinesische Huhn, der Pfirsichbaum und der Trut-<lb/>
hahn haben, nach Europa gebracht, alle ihr Vaterland vergessen.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_965"> Unter den Thieren wie unter den Pflanzen giebt es amphibische Wesen.<lb/>
Der Frosch und die übrigen Batrachier leben ebenso wie die Binsen im Wasser<lb/>
und auf dem Lande.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_966" next="#ID_967"> Thiere und Pflanzen können als Parasiten leben. Wenn das Thierreich<lb/>
seine Schmarotzer hat wie zum Beispiel die Laus, den Sandfloh und die</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0298] als der Walfisch war, der Megalosaurus und das Iguanodon, welche die Dicke des Elephanten hatten. Diesen Kolossen des Thierreiches stellen wir die Kolosse des Pflanzen¬ reiches gegenüber: den ungeheuren Baobab, welcher mit seinem Schatten Hunderte von Quadratmetern bedeckt, die Ulme, die so groß wie ein Walfisch werden kann, den Eucalyptus Globülus, einen australischen Baum, den man mit Erfolg in Algier sowie im südlichen Frankreich einzubürgern versucht hat; die Sequioia Gigantea, diese Riesin der californischen Wälder. Wenn die beiden Reiche der Natur ihre Kolosse haben, so besitzen sie auch ihre Zwerge und ihre unendlich kleinen Geschöpfe. Es giebt krypto- gamische Pflanzen, die man nur mit dem Mikroskope sehen kann, und es giebt Thierchen, die ebenfalls nur durch das Vergrößerungsglas sichtbar sind. Wenn also das Thierreich auf seiner Stufenleiter der Größen vom Wal¬ fisch bis zur mikroskopischen Milbe variiren kann, so besitzt das Pflanzen¬ reich dieselbe Skala des Herabsteigens vom Baobab bis zum winzigen Schimmelpilze. Fügen wir hinzu, daß dieselben Orte von den Thieren wie von den Pflanzen bewohnt und aufgesucht werden. Die Einen wie die Andern leben auf demselben Terrain, wie um sich gegenseitig Beistand zu leisten. Die beiden Reiche der Natur verschlingen wechselsweise ihre Zweige mit einander auf allen Punkten des Erdballs. Man könnte eine ganze Menge von Orten anführen, wo sich's zu gleicher Zeit gewisse Pflanzen und gewisse Thiere wohl sein lassen. Die Gemse und der Ahorn lieben dieselben Gebirge und dieselben hochliegenden Stellen, die Trüffel und der Regenwurm leben in denselben unterirdischen Regionen, der Hase und die Birke sehen sich auf demselben Gefilde, der Affe und die Palme folgen einander, anderswo leisten sich das Hermelin und der Ginseng Gesellschaft, desgleichen der Blutegel und der Wasserfaden, die Seelilie wächst in denselben süßen Gewässern, wie die Wasser¬ motte, der Schellfisch und die Algen gedeihen auf denselben unterseeischen Gründen. Gewächse und Thiere haben ursprünglich alle ein Vaterland, aber die Einen wie die Andern können sich durch die menschliche Industrie unter andern Himmelsstrichen einbürgern und dann recht wohl gedeihen. Der edle Kasta¬ nienbaum und das Kochinchinesische Huhn, der Pfirsichbaum und der Trut- hahn haben, nach Europa gebracht, alle ihr Vaterland vergessen. Unter den Thieren wie unter den Pflanzen giebt es amphibische Wesen. Der Frosch und die übrigen Batrachier leben ebenso wie die Binsen im Wasser und auf dem Lande. Thiere und Pflanzen können als Parasiten leben. Wenn das Thierreich seine Schmarotzer hat wie zum Beispiel die Laus, den Sandfloh und die

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341821_148602
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341821_148602/298
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341821_148602/298>, abgerufen am 26.06.2024.