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Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, II. Semester. I. Band.

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Pfropfung dar. Vereinige man verschiedene Theile einer und derselben Hydra
Ende zu Ende miteinander oder verbinde man verschiedene Hydren, so wachsen
sie so fest und innig zusammen, daß sie sich wechselseitig ernähren und
zu einem und demselben Gesammtindividuum werden. So aber hätten
wir hier eine Erscheinung, die man mit vollem Rechte als ein Seitenstück,
als eine Wiederholung der vegetabilischen Psropfung bei einem Thiere be¬
zeichnen kann."

Der Verfasser führt nun noch andere Vergleichspunkte an, die ihm die
nahe Verwandtschaft der Pflanze mit dem Thiere bestätigen, auf den Leser
aber weniger diesen Eindruck machen werden, als die vorhergehenden.
Er sagt:

"Zunächst sind manche Thiere und Pflanzen überaus fruchtbar. Im
Pflanzen- wie im Thierreiche kann ein und dasselbe Individuum Tausenden
ihm ähnlicher Individuen das Leben geben. Die Pflanzen sind sogar frucht¬
barer als die höheren Thiere. Sie erzeugen und gebären jedes Jahr, und
in vielen Fällen kann sich das ein Jahrhundert hindurch fortsetzen. Die
Säugethiere, die Vögel und die Reptilien erzeugen unendlich viel weniger als
die Bäume, sie gebären nur einige Junge auf einmal, und sie sind dazu nur
während einer gewissen Periode ihres Lebens im Stande. Die Ulme trägt
jährlich mehr als dreimalhunderttausend Früchte, die wieder Ulmen werden
können, und sie kann dies hundert Jahre fortsetzen. Die Fische und die
Jnsecten nähern sich den Vegetabilien in Betreff ihrer Fruchtbarkeit. Die
Schleihe legt jährlich zehntausend Eier, der Karpfen doppelt so viel. Andere
Fischgattungen bringen jedes Jahr eine Million Eier zur Welt. Unter den
Insekten legt die Schildlaus vier bis fünftausend, die Bienenkönigin aber
zehnmal so viel Eier. Dieser Fruchtbarkeit der Thiere kann man unter den
Pflanzen die des Modus, des Senff und des Farnkrautes gegenüber¬
stellen, die unzählige Körner hervorbringen. Vergessen wir übrigens nicht,
daß die Pflanzen sich auf mehreren Wegen vervielfältigen, während die Thiere
im Allgemeinen sich nur auf eine Weise fortpflanzen. -

Was wir feststellen wollen und was jetzt auf der Hand liegt, ist, daß
die Fruchtbarkeit bei den Pflanzen wie bei den Thieren dieselbe und gleich
ungeheuer ist.

Führen wir vom Gesichtspunkte der Analogie noch die Größe der Arten
ein. die in dem einen wie in dem andern Reiche außerordentlich verschieden
ist; denn das eine wie das andere erzeugt sowohl winzig kleine als riesig
große Arten. Unter den Thieren giebt es deren von ungeheurem Wuchse
wie zum Beispiel der Walfisch und der Pottwal, desgleichen der Elephant,
ferner die gigantischen Reptilien der Urwelt, der Ichthyosaurus, der länger


Grenzen III. 1875. 37

Pfropfung dar. Vereinige man verschiedene Theile einer und derselben Hydra
Ende zu Ende miteinander oder verbinde man verschiedene Hydren, so wachsen
sie so fest und innig zusammen, daß sie sich wechselseitig ernähren und
zu einem und demselben Gesammtindividuum werden. So aber hätten
wir hier eine Erscheinung, die man mit vollem Rechte als ein Seitenstück,
als eine Wiederholung der vegetabilischen Psropfung bei einem Thiere be¬
zeichnen kann."

Der Verfasser führt nun noch andere Vergleichspunkte an, die ihm die
nahe Verwandtschaft der Pflanze mit dem Thiere bestätigen, auf den Leser
aber weniger diesen Eindruck machen werden, als die vorhergehenden.
Er sagt:

„Zunächst sind manche Thiere und Pflanzen überaus fruchtbar. Im
Pflanzen- wie im Thierreiche kann ein und dasselbe Individuum Tausenden
ihm ähnlicher Individuen das Leben geben. Die Pflanzen sind sogar frucht¬
barer als die höheren Thiere. Sie erzeugen und gebären jedes Jahr, und
in vielen Fällen kann sich das ein Jahrhundert hindurch fortsetzen. Die
Säugethiere, die Vögel und die Reptilien erzeugen unendlich viel weniger als
die Bäume, sie gebären nur einige Junge auf einmal, und sie sind dazu nur
während einer gewissen Periode ihres Lebens im Stande. Die Ulme trägt
jährlich mehr als dreimalhunderttausend Früchte, die wieder Ulmen werden
können, und sie kann dies hundert Jahre fortsetzen. Die Fische und die
Jnsecten nähern sich den Vegetabilien in Betreff ihrer Fruchtbarkeit. Die
Schleihe legt jährlich zehntausend Eier, der Karpfen doppelt so viel. Andere
Fischgattungen bringen jedes Jahr eine Million Eier zur Welt. Unter den
Insekten legt die Schildlaus vier bis fünftausend, die Bienenkönigin aber
zehnmal so viel Eier. Dieser Fruchtbarkeit der Thiere kann man unter den
Pflanzen die des Modus, des Senff und des Farnkrautes gegenüber¬
stellen, die unzählige Körner hervorbringen. Vergessen wir übrigens nicht,
daß die Pflanzen sich auf mehreren Wegen vervielfältigen, während die Thiere
im Allgemeinen sich nur auf eine Weise fortpflanzen. -

Was wir feststellen wollen und was jetzt auf der Hand liegt, ist, daß
die Fruchtbarkeit bei den Pflanzen wie bei den Thieren dieselbe und gleich
ungeheuer ist.

Führen wir vom Gesichtspunkte der Analogie noch die Größe der Arten
ein. die in dem einen wie in dem andern Reiche außerordentlich verschieden
ist; denn das eine wie das andere erzeugt sowohl winzig kleine als riesig
große Arten. Unter den Thieren giebt es deren von ungeheurem Wuchse
wie zum Beispiel der Walfisch und der Pottwal, desgleichen der Elephant,
ferner die gigantischen Reptilien der Urwelt, der Ichthyosaurus, der länger


Grenzen III. 1875. 37
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[0297] Pfropfung dar. Vereinige man verschiedene Theile einer und derselben Hydra Ende zu Ende miteinander oder verbinde man verschiedene Hydren, so wachsen sie so fest und innig zusammen, daß sie sich wechselseitig ernähren und zu einem und demselben Gesammtindividuum werden. So aber hätten wir hier eine Erscheinung, die man mit vollem Rechte als ein Seitenstück, als eine Wiederholung der vegetabilischen Psropfung bei einem Thiere be¬ zeichnen kann." Der Verfasser führt nun noch andere Vergleichspunkte an, die ihm die nahe Verwandtschaft der Pflanze mit dem Thiere bestätigen, auf den Leser aber weniger diesen Eindruck machen werden, als die vorhergehenden. Er sagt: „Zunächst sind manche Thiere und Pflanzen überaus fruchtbar. Im Pflanzen- wie im Thierreiche kann ein und dasselbe Individuum Tausenden ihm ähnlicher Individuen das Leben geben. Die Pflanzen sind sogar frucht¬ barer als die höheren Thiere. Sie erzeugen und gebären jedes Jahr, und in vielen Fällen kann sich das ein Jahrhundert hindurch fortsetzen. Die Säugethiere, die Vögel und die Reptilien erzeugen unendlich viel weniger als die Bäume, sie gebären nur einige Junge auf einmal, und sie sind dazu nur während einer gewissen Periode ihres Lebens im Stande. Die Ulme trägt jährlich mehr als dreimalhunderttausend Früchte, die wieder Ulmen werden können, und sie kann dies hundert Jahre fortsetzen. Die Fische und die Jnsecten nähern sich den Vegetabilien in Betreff ihrer Fruchtbarkeit. Die Schleihe legt jährlich zehntausend Eier, der Karpfen doppelt so viel. Andere Fischgattungen bringen jedes Jahr eine Million Eier zur Welt. Unter den Insekten legt die Schildlaus vier bis fünftausend, die Bienenkönigin aber zehnmal so viel Eier. Dieser Fruchtbarkeit der Thiere kann man unter den Pflanzen die des Modus, des Senff und des Farnkrautes gegenüber¬ stellen, die unzählige Körner hervorbringen. Vergessen wir übrigens nicht, daß die Pflanzen sich auf mehreren Wegen vervielfältigen, während die Thiere im Allgemeinen sich nur auf eine Weise fortpflanzen. - Was wir feststellen wollen und was jetzt auf der Hand liegt, ist, daß die Fruchtbarkeit bei den Pflanzen wie bei den Thieren dieselbe und gleich ungeheuer ist. Führen wir vom Gesichtspunkte der Analogie noch die Größe der Arten ein. die in dem einen wie in dem andern Reiche außerordentlich verschieden ist; denn das eine wie das andere erzeugt sowohl winzig kleine als riesig große Arten. Unter den Thieren giebt es deren von ungeheurem Wuchse wie zum Beispiel der Walfisch und der Pottwal, desgleichen der Elephant, ferner die gigantischen Reptilien der Urwelt, der Ichthyosaurus, der länger Grenzen III. 1875. 37

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341821_148602/297>, abgerufen am 26.06.2024.