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Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, II. Semester. I. Band.

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abgebildet sind, jedenfalls eine reiche Fundgrube für den Historiker wie für
den Kunstmythologen.

Die äußere Erscheinung des Werkes zeigt wieder jene solide und ge¬
schmackvolle Eleganz der Buchausstattung, in der uns die Franzosen nun
einmal überlegen sind, und in der wir nur von ihnen zu lernen haben. Auch
noch etwas anderes ist lehrreich für uns: die bloße Thatsache nämlich, daß
derartige französische Werke -- und der vorliegende Fall steht keineswegs
vereinzelt da -- deutschen Wochenschriften überhaupt zur Besprechung einge¬
sandt worden. Man glaubt in Paris, daß es auch bei uns ebenso wie in
Frankreich in den wohlhabenden Kreisen der Gebildeten Leute gebe, die, ohne
Fachgelehrte zu sein, ihren Stolz darein setzen, eine werthvolle Privatbibliothek
zu besitzen und alljährlich durch eine Auswahl der hervorragendsten in- und
ausländischen Publicationen zu bereichern. Und wie weit sind wir entfernt
davon, dieses edle Zutrauen zu rechtfertigen!

Nur gut, daß in andern Stücken auch unsere liebenswürdigen Nach¬
barn nie aufhören werden, von uns Deutschen lernen zu können. Und
in einem Punkte sind sie doch unverbesserlich; das vorliegende Buch
bietet wieder den schlagenden Beweis dafür. Herr de Saulcy beschließt
nämlich sein Borwort wörtlich mit folgenden Herzenserguß: "Ich habe
in diesem Werke alles beschrieben, was die Sammlungen Frankreichs
und Englands meiner Prüfung darboten. Ich zweifle nicht, daß die
Sammlungen Deutschlands noch viele Stücke enthalten, die mir unbekannt
sind. Da ich keine Lust habe, sie an Ort und Stelle zu studiren, so über¬
lasse ich herzlich gern den deutschen Herren Numismatikern die Mühe, sie
selber zu beschreiben, und das Vergnügen, so bitter wie sie wollen ein Werk
zu beurtheilen, welches sie das Recht haben werden, für absichtlich unvoll¬
ständig zu erklären. Ich mache es ihnen bequem, indem ich es von vorn¬
herein ausspreche, daß ihre Kritiken mich völlig gleichgiltig lassen und mir
keinen Kummer verursachen werden." Man könnte versucht sein, es für Hohn
zu halten, daß ein französischer Buchhändler ein Werk, das solch eine Er¬
klärung an der Stirn trägt, deutschen Zeitschriften zur Besprechung zu senden
wagt. Aber es ist sicherlich kein Hohn, es ist die pure Naivetät. Wie viele
deutsche Gelehrte sind seit dem Kriege schon wieder in Frankreich gewesen und
haben in französischen Kunstsammlungen und Bibliotheken gearbeitet und den
Teufel darnach gefragt, ob sie würden kühl oder herzlich empfangen werden;
wenn sie nur ihren Zweck erreichten und fanden, was sie suchten. Auch Herr
de Saulcy hätte immer kommen können und z. B. die Berliner Münzsamm¬
lung studiren; er würde sicherlich die zuvorkommendste Aufnahme und die
bereitwilligste Unterstützung gefunden haben. Aoer er ist ein echter Franzos.
Vor lauter Chauvinismus ein wissenschaftliches Werk "volontairkmönt in-
comMW" zu lassen, das bringt doch nur der Franzose fertig.


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Verantwortlicher Redakteur: Dr. Hans Blum in Leipzig.
Verlag von A. L- Hat'via. in Leipzig. -- Druck von Hüthrl 6 Hcrrmimn in Leipzig.

abgebildet sind, jedenfalls eine reiche Fundgrube für den Historiker wie für
den Kunstmythologen.

Die äußere Erscheinung des Werkes zeigt wieder jene solide und ge¬
schmackvolle Eleganz der Buchausstattung, in der uns die Franzosen nun
einmal überlegen sind, und in der wir nur von ihnen zu lernen haben. Auch
noch etwas anderes ist lehrreich für uns: die bloße Thatsache nämlich, daß
derartige französische Werke — und der vorliegende Fall steht keineswegs
vereinzelt da — deutschen Wochenschriften überhaupt zur Besprechung einge¬
sandt worden. Man glaubt in Paris, daß es auch bei uns ebenso wie in
Frankreich in den wohlhabenden Kreisen der Gebildeten Leute gebe, die, ohne
Fachgelehrte zu sein, ihren Stolz darein setzen, eine werthvolle Privatbibliothek
zu besitzen und alljährlich durch eine Auswahl der hervorragendsten in- und
ausländischen Publicationen zu bereichern. Und wie weit sind wir entfernt
davon, dieses edle Zutrauen zu rechtfertigen!

Nur gut, daß in andern Stücken auch unsere liebenswürdigen Nach¬
barn nie aufhören werden, von uns Deutschen lernen zu können. Und
in einem Punkte sind sie doch unverbesserlich; das vorliegende Buch
bietet wieder den schlagenden Beweis dafür. Herr de Saulcy beschließt
nämlich sein Borwort wörtlich mit folgenden Herzenserguß: „Ich habe
in diesem Werke alles beschrieben, was die Sammlungen Frankreichs
und Englands meiner Prüfung darboten. Ich zweifle nicht, daß die
Sammlungen Deutschlands noch viele Stücke enthalten, die mir unbekannt
sind. Da ich keine Lust habe, sie an Ort und Stelle zu studiren, so über¬
lasse ich herzlich gern den deutschen Herren Numismatikern die Mühe, sie
selber zu beschreiben, und das Vergnügen, so bitter wie sie wollen ein Werk
zu beurtheilen, welches sie das Recht haben werden, für absichtlich unvoll¬
ständig zu erklären. Ich mache es ihnen bequem, indem ich es von vorn¬
herein ausspreche, daß ihre Kritiken mich völlig gleichgiltig lassen und mir
keinen Kummer verursachen werden." Man könnte versucht sein, es für Hohn
zu halten, daß ein französischer Buchhändler ein Werk, das solch eine Er¬
klärung an der Stirn trägt, deutschen Zeitschriften zur Besprechung zu senden
wagt. Aber es ist sicherlich kein Hohn, es ist die pure Naivetät. Wie viele
deutsche Gelehrte sind seit dem Kriege schon wieder in Frankreich gewesen und
haben in französischen Kunstsammlungen und Bibliotheken gearbeitet und den
Teufel darnach gefragt, ob sie würden kühl oder herzlich empfangen werden;
wenn sie nur ihren Zweck erreichten und fanden, was sie suchten. Auch Herr
de Saulcy hätte immer kommen können und z. B. die Berliner Münzsamm¬
lung studiren; er würde sicherlich die zuvorkommendste Aufnahme und die
bereitwilligste Unterstützung gefunden haben. Aoer er ist ein echter Franzos.
Vor lauter Chauvinismus ein wissenschaftliches Werk „volontairkmönt in-
comMW" zu lassen, das bringt doch nur der Franzose fertig.


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Verantwortlicher Redakteur: Dr. Hans Blum in Leipzig.
Verlag von A. L- Hat'via. in Leipzig. — Druck von Hüthrl 6 Hcrrmimn in Leipzig.
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341821_148602/288>, abgerufen am 26.06.2024.