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Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, II. Semester. I. Band.

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Das verdient immerhin hervorgehoben zu werden. Ich hatte gefürchtet, die
Physiognomie der als sehr clerical bekannten Stadt bedeutend schwärzer zu
finden. Diese Bemerkungen werden genügen, um anzudeuten, daß die Se.
Rombandfeier zu Mecheln kein ultramontanes Fest war, obwohl dieselbe zu
Ehren des elfhundertjährigen Jubiläums des heiligen Rumoldus (Romband),
des Schutzpatrons der Stadt Mecheln veranstaltet worden ist. Diese elfte
Säcularfeier ist die Veranlassung einer langen Reihe von Festlichkeiten, von
denen der Aufzug der Cavalcade wohl die großartigste war. Schon auf dem
Nordbahnhof zu Brüssel verrieth der Andrang des Publikums die Bedeutung
des Festes. Man hatte sechs oder sieben Hülfsschalter allein für den Verkauf
der Fahrbillets nach Mecheln eingerichtet. Trotzdem war ein ganz enormes
Gedränge vor jedem derselben. Obgleich alle 8 -- 10 Minuten ein Extrazug
abgelassen wurde, fand auf dem Perron doch ein förmliches Ringen um die
Coupe's statt. Endlich im Besitz eines solchen, wurden wir schnell genug be¬
fördert, und nach kaum 20 Minuten sahen wir die herrliche Kathedrale des
heiligen Rumoldus sich über den Häusern von Mecheln abheben. Nachdem
am 26. Juni (Sonnabend) das Fest von allen Thürmen und mit dem voll-
tönigen Glockenspiel der Kathedrale eingeläutet worden war, hat am Sonntag
die große Prozession zu Ehren des heilig gesprochenen Jubilars stattgefunden.
Dieselbe ist ruhig verlaufen, da man keinen Parteizweck damit verband wie
bei der berüchtigten Genter Pilgerkeilerei, über die ich an Ort und Stelle
manches interessante Detail vernommen habe -- doch davon ein andermal.
Der erste Aufzug der Cavalcade fand am Montag statt. Er ist nur ein
Moment in der langen Reihe von Festlichkeiten, die sich auf die Zeit vom
27. Juni bis 20. Juli vertheilen. Am Sonntag nach der Prozession hatte
der Sportklub von Mecheln am Pennepoel ein Rennen veranstaltet, das ich
mir geschenkt habe. Die noch in Aussicht stehenden Feierlichkeiten sind Ge¬
sang-, Turm- und Schützenfeste, Volksspiele u. f. w. So wetteifern alle
Genossenschaften -- und das Vereinsleben ist in den belgischen Städten außer¬
ordentlich entwickelt -- in schönster Harmonie und unter lebhafter Theilnahme
Hollands und auch der wallonischen Städte, um den heiligen Rumoldus zu
feiern, dessen Schutzpatronat auf das Jahr 775 zurückgeführt wird, mithin
ein recht respectables Alter hat. Der Kanonikus Claesfens hat aus Veran¬
lassung der Jubelfeier die Legenden des Heiligen, des Apostels von Mecheln
herausgegeben, in welchen erzählt wird, daß nach dem Tode des Erzbischofs
Walerand von Dublin ein Engel befohlen habe, den Rumoldus an seiner
Stelle zu erwählen. Dieser zieht umher, predigt das Christenthum, heilt u. A.
in Frankreich einen Blindgeborenen, giebt seine Jnsignien an den Papst
Stephan II. zurück, wird unter dem Grafen Adon von Flandern der Apostel
von Mecheln und verrichtet viele Wunder, unter denen die Erweckung des


Das verdient immerhin hervorgehoben zu werden. Ich hatte gefürchtet, die
Physiognomie der als sehr clerical bekannten Stadt bedeutend schwärzer zu
finden. Diese Bemerkungen werden genügen, um anzudeuten, daß die Se.
Rombandfeier zu Mecheln kein ultramontanes Fest war, obwohl dieselbe zu
Ehren des elfhundertjährigen Jubiläums des heiligen Rumoldus (Romband),
des Schutzpatrons der Stadt Mecheln veranstaltet worden ist. Diese elfte
Säcularfeier ist die Veranlassung einer langen Reihe von Festlichkeiten, von
denen der Aufzug der Cavalcade wohl die großartigste war. Schon auf dem
Nordbahnhof zu Brüssel verrieth der Andrang des Publikums die Bedeutung
des Festes. Man hatte sechs oder sieben Hülfsschalter allein für den Verkauf
der Fahrbillets nach Mecheln eingerichtet. Trotzdem war ein ganz enormes
Gedränge vor jedem derselben. Obgleich alle 8 — 10 Minuten ein Extrazug
abgelassen wurde, fand auf dem Perron doch ein förmliches Ringen um die
Coupe's statt. Endlich im Besitz eines solchen, wurden wir schnell genug be¬
fördert, und nach kaum 20 Minuten sahen wir die herrliche Kathedrale des
heiligen Rumoldus sich über den Häusern von Mecheln abheben. Nachdem
am 26. Juni (Sonnabend) das Fest von allen Thürmen und mit dem voll-
tönigen Glockenspiel der Kathedrale eingeläutet worden war, hat am Sonntag
die große Prozession zu Ehren des heilig gesprochenen Jubilars stattgefunden.
Dieselbe ist ruhig verlaufen, da man keinen Parteizweck damit verband wie
bei der berüchtigten Genter Pilgerkeilerei, über die ich an Ort und Stelle
manches interessante Detail vernommen habe — doch davon ein andermal.
Der erste Aufzug der Cavalcade fand am Montag statt. Er ist nur ein
Moment in der langen Reihe von Festlichkeiten, die sich auf die Zeit vom
27. Juni bis 20. Juli vertheilen. Am Sonntag nach der Prozession hatte
der Sportklub von Mecheln am Pennepoel ein Rennen veranstaltet, das ich
mir geschenkt habe. Die noch in Aussicht stehenden Feierlichkeiten sind Ge¬
sang-, Turm- und Schützenfeste, Volksspiele u. f. w. So wetteifern alle
Genossenschaften — und das Vereinsleben ist in den belgischen Städten außer¬
ordentlich entwickelt — in schönster Harmonie und unter lebhafter Theilnahme
Hollands und auch der wallonischen Städte, um den heiligen Rumoldus zu
feiern, dessen Schutzpatronat auf das Jahr 775 zurückgeführt wird, mithin
ein recht respectables Alter hat. Der Kanonikus Claesfens hat aus Veran¬
lassung der Jubelfeier die Legenden des Heiligen, des Apostels von Mecheln
herausgegeben, in welchen erzählt wird, daß nach dem Tode des Erzbischofs
Walerand von Dublin ein Engel befohlen habe, den Rumoldus an seiner
Stelle zu erwählen. Dieser zieht umher, predigt das Christenthum, heilt u. A.
in Frankreich einen Blindgeborenen, giebt seine Jnsignien an den Papst
Stephan II. zurück, wird unter dem Grafen Adon von Flandern der Apostel
von Mecheln und verrichtet viele Wunder, unter denen die Erweckung des


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341821_148602/279>, abgerufen am 26.06.2024.