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Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, II. Semester. I. Band.

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Libertus, der drei Tage im Wasser gelegen hatte, das wunderbarste ist, und
wird endlich das Opfer eines Raubmordes. Man sieht ihn als den Retter
der Stadt an in den Ueberfällen der Hunnen, Dänen und Normannen. Diese
und andere Legenden finden sich in der nach ihm benannten Kirche und
anderswo durch alte und neuere Gemälde verherrlicht, unter welchen die aus
dem XV. und XVI. Jahrhundert stammenden ganz bemerkenswerth sind.

Doch ich kehre zur Cavalcade zurück, welche wirklich meine Erwartungen
übertroffen hat. Die Stadt Mecheln hatte allein 100.000 Francs für die Feier
ausgeworfen, und diese Summe ist geringfügig im Vergleich zu dem Aufwande,
welcher von feiten der Theilnehmer gemacht worden ist. Ich hatte durch
meinen liebenswürdigen Wirth in Brüssel, Herrn Ad. van Sonst de Borcken-
feldt, den Dichter der deutsch-freundlichen ^niuZiz sa-nslante, Gelegenheit, in
das Haus des Herrn Geets, des Directors der Akademie von Mecheln ein¬
geführt zu werden, dem die künstlerische Leitung der Arrangements übertragen
war. Derselbe ist bei uns in Deutschland durch seine Gemälde "Marg.
van der Ghinste" populär geworden, von welchem die Leipziger Jllustrirte
Zeitung einen trefflichen Holzschnitt gebracht hat. Seine Entwürfe zu den
6 großen, meist gothisch decorirten Wagen und namentlich zu dem Schlitten
im Renaissancestil sind ganz vortrefflich und die Ausführung derselben, die
von dem Architekten Lauck geleitet wurde, darf splendid genannt werden.
Das soeben bei Simonau- Tooveg in Brüssel erschienene ^Ibuni as la Liavs.1-
eaäk giebt diese Entwürfe in schönen Stichen mit einem erklärenden Text.

Der Ausgangspunkt des Aufzuges war der große Markt, auf welchem
die Statue der Margarethe von Oestreich steht. Von dem oberen Stockwerk
des Rathhauses sah der König der Belgier mit seinem Hof den Zug an.
Vor seinen Fenstern hielt jede Gruppe, und hier hatte ich Gelegenheit, alles
recht deutlich zu sehen und Notizen zu machen. Die acht Abtheilungen des
Aufzuges stellten Perioden der Geschichte des Ortes oder einheimische Sagen
dar. Ich muß vorausschicken, daß sämmtliche Personen des Zuges durch
Kinder repräsentirt wurden, deren Kostüme nicht nur streng historisch, sondern
meistens auch reich und prächtig genannt werden dürfen. Damen aus
Patricierkreisen von Mecheln und Brüssel haben mir versichert, daß manche
der kleinen Darstellerinnen mit echten Perlen und Diamanten geschmückt
waren. Den Schmuck der Darstellerin der Margerethe von Oestreich schätzte
man aus 50,000 Francs. Die Gewänder der Ritter und Edeldamen, der Fürsten
und Patricier, welche auftraten, waren fast durchgängig aus Sammet- und
schweren Seidenstoffen in leuchtenden Farben, dazwischen zeigten sich prächtige
golddurchwirkte Brokate, Stickereien, Bordüren, Tressen und Spitzen.

Die Diademe, die Krönchen, die Pfauen- und Straußenfedern, die
Waffen -- alles war neu, glänzend, historisch richtig. Die erste Abtheilung


Libertus, der drei Tage im Wasser gelegen hatte, das wunderbarste ist, und
wird endlich das Opfer eines Raubmordes. Man sieht ihn als den Retter
der Stadt an in den Ueberfällen der Hunnen, Dänen und Normannen. Diese
und andere Legenden finden sich in der nach ihm benannten Kirche und
anderswo durch alte und neuere Gemälde verherrlicht, unter welchen die aus
dem XV. und XVI. Jahrhundert stammenden ganz bemerkenswerth sind.

Doch ich kehre zur Cavalcade zurück, welche wirklich meine Erwartungen
übertroffen hat. Die Stadt Mecheln hatte allein 100.000 Francs für die Feier
ausgeworfen, und diese Summe ist geringfügig im Vergleich zu dem Aufwande,
welcher von feiten der Theilnehmer gemacht worden ist. Ich hatte durch
meinen liebenswürdigen Wirth in Brüssel, Herrn Ad. van Sonst de Borcken-
feldt, den Dichter der deutsch-freundlichen ^niuZiz sa-nslante, Gelegenheit, in
das Haus des Herrn Geets, des Directors der Akademie von Mecheln ein¬
geführt zu werden, dem die künstlerische Leitung der Arrangements übertragen
war. Derselbe ist bei uns in Deutschland durch seine Gemälde „Marg.
van der Ghinste" populär geworden, von welchem die Leipziger Jllustrirte
Zeitung einen trefflichen Holzschnitt gebracht hat. Seine Entwürfe zu den
6 großen, meist gothisch decorirten Wagen und namentlich zu dem Schlitten
im Renaissancestil sind ganz vortrefflich und die Ausführung derselben, die
von dem Architekten Lauck geleitet wurde, darf splendid genannt werden.
Das soeben bei Simonau- Tooveg in Brüssel erschienene ^Ibuni as la Liavs.1-
eaäk giebt diese Entwürfe in schönen Stichen mit einem erklärenden Text.

Der Ausgangspunkt des Aufzuges war der große Markt, auf welchem
die Statue der Margarethe von Oestreich steht. Von dem oberen Stockwerk
des Rathhauses sah der König der Belgier mit seinem Hof den Zug an.
Vor seinen Fenstern hielt jede Gruppe, und hier hatte ich Gelegenheit, alles
recht deutlich zu sehen und Notizen zu machen. Die acht Abtheilungen des
Aufzuges stellten Perioden der Geschichte des Ortes oder einheimische Sagen
dar. Ich muß vorausschicken, daß sämmtliche Personen des Zuges durch
Kinder repräsentirt wurden, deren Kostüme nicht nur streng historisch, sondern
meistens auch reich und prächtig genannt werden dürfen. Damen aus
Patricierkreisen von Mecheln und Brüssel haben mir versichert, daß manche
der kleinen Darstellerinnen mit echten Perlen und Diamanten geschmückt
waren. Den Schmuck der Darstellerin der Margerethe von Oestreich schätzte
man aus 50,000 Francs. Die Gewänder der Ritter und Edeldamen, der Fürsten
und Patricier, welche auftraten, waren fast durchgängig aus Sammet- und
schweren Seidenstoffen in leuchtenden Farben, dazwischen zeigten sich prächtige
golddurchwirkte Brokate, Stickereien, Bordüren, Tressen und Spitzen.

Die Diademe, die Krönchen, die Pfauen- und Straußenfedern, die
Waffen — alles war neu, glänzend, historisch richtig. Die erste Abtheilung


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[0280] Libertus, der drei Tage im Wasser gelegen hatte, das wunderbarste ist, und wird endlich das Opfer eines Raubmordes. Man sieht ihn als den Retter der Stadt an in den Ueberfällen der Hunnen, Dänen und Normannen. Diese und andere Legenden finden sich in der nach ihm benannten Kirche und anderswo durch alte und neuere Gemälde verherrlicht, unter welchen die aus dem XV. und XVI. Jahrhundert stammenden ganz bemerkenswerth sind. Doch ich kehre zur Cavalcade zurück, welche wirklich meine Erwartungen übertroffen hat. Die Stadt Mecheln hatte allein 100.000 Francs für die Feier ausgeworfen, und diese Summe ist geringfügig im Vergleich zu dem Aufwande, welcher von feiten der Theilnehmer gemacht worden ist. Ich hatte durch meinen liebenswürdigen Wirth in Brüssel, Herrn Ad. van Sonst de Borcken- feldt, den Dichter der deutsch-freundlichen ^niuZiz sa-nslante, Gelegenheit, in das Haus des Herrn Geets, des Directors der Akademie von Mecheln ein¬ geführt zu werden, dem die künstlerische Leitung der Arrangements übertragen war. Derselbe ist bei uns in Deutschland durch seine Gemälde „Marg. van der Ghinste" populär geworden, von welchem die Leipziger Jllustrirte Zeitung einen trefflichen Holzschnitt gebracht hat. Seine Entwürfe zu den 6 großen, meist gothisch decorirten Wagen und namentlich zu dem Schlitten im Renaissancestil sind ganz vortrefflich und die Ausführung derselben, die von dem Architekten Lauck geleitet wurde, darf splendid genannt werden. Das soeben bei Simonau- Tooveg in Brüssel erschienene ^Ibuni as la Liavs.1- eaäk giebt diese Entwürfe in schönen Stichen mit einem erklärenden Text. Der Ausgangspunkt des Aufzuges war der große Markt, auf welchem die Statue der Margarethe von Oestreich steht. Von dem oberen Stockwerk des Rathhauses sah der König der Belgier mit seinem Hof den Zug an. Vor seinen Fenstern hielt jede Gruppe, und hier hatte ich Gelegenheit, alles recht deutlich zu sehen und Notizen zu machen. Die acht Abtheilungen des Aufzuges stellten Perioden der Geschichte des Ortes oder einheimische Sagen dar. Ich muß vorausschicken, daß sämmtliche Personen des Zuges durch Kinder repräsentirt wurden, deren Kostüme nicht nur streng historisch, sondern meistens auch reich und prächtig genannt werden dürfen. Damen aus Patricierkreisen von Mecheln und Brüssel haben mir versichert, daß manche der kleinen Darstellerinnen mit echten Perlen und Diamanten geschmückt waren. Den Schmuck der Darstellerin der Margerethe von Oestreich schätzte man aus 50,000 Francs. Die Gewänder der Ritter und Edeldamen, der Fürsten und Patricier, welche auftraten, waren fast durchgängig aus Sammet- und schweren Seidenstoffen in leuchtenden Farben, dazwischen zeigten sich prächtige golddurchwirkte Brokate, Stickereien, Bordüren, Tressen und Spitzen. Die Diademe, die Krönchen, die Pfauen- und Straußenfedern, die Waffen — alles war neu, glänzend, historisch richtig. Die erste Abtheilung

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341821_148602/280>, abgerufen am 26.06.2024.