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Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, II. Semester. I. Band.

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Was für eine Schande ist es doch, daß bewaffnete Christen mit solchen
Leuten als Beschützern gegen herumstreichende Vagabunden der Wüste reisen
müssen! -- gegen diese blutgierigen Gesetzverächter, die immer darüber her
sind, etwas Verzweifeltes zu thun, es aber nie wirklich thun! Ich kann hier
zugleich erwähnen, daß wir während unsres ganzen Ausflugs keine Beduinen
zu sehen bekamen und für eine arabische Wache nicht mehr Verwendung hatten
als wir für Lackstiefeln und weiße Glacehandschuhe hätten haben könnten.
Die Beduinen, welche die andern Gesellschaften von Pilgrimen so wüthend
angegriffen hatten, wurden zu diesem Zwecke von der arabischen Escorte dieser
Gesellschaften besorgt und von Jerusalem zu vorübergehendem Dienste als
Beduinen nach der Wüste geschafft. Sie trafen nach der Schlacht vor den
Augen der Reisenden mit einander zusammen, frühstückten mit einander,
theilten sich das in der Stunde der Gefahr abgedrückte Trinkgeld und begleiteten
dann die Cavalcade heim nach, der Stadt. Der Unfug mit einer arabischen
Escorte ist ein von den Scheichs und den Beduinen gemeinschaftlich zu gegen¬
seitigem Vortheil aufgedeckter -- so sagt man, und es ist ohne Zweifel viel
Wahres daran." . . .

Wir schließen unsre Auszüge mit den Betrachtungen, mit denen Mark
Twain von den heiligen Orten in Bethlehem Abschied nimmt, und die alle
ehrlichen Leute, die das heilige Land besucht haben, unterschreiben werden.
Er sagt hier:

"Die gewöhnlichste Klugheit warnt mich davor, die herkömmliche anmuthige
Lüge vorzubringen und zu sagen, ich hätte mich zögernd von jedem bedeut¬
samen Orte in Palästina losgerissen. Alle Welt erzählt das von sich. Aber
indem ich es mit so wenig Ostentation, als mir möglich ist, sage -- ich zweifle
an dem Worte eines jeden, der das sagt. Ich könnte einen fürchterlichen Eid
darauf schwören, daß ich niemals einen von unsern Pilgrimen etwas der Art
habe sagen hören, und das sind doch so würdige und so aufrichtig fromme
Leute wie irgendwelche, die hierher kommen. Sie werden das, wenn sie nach
Hause kommen, bald genug sagen, aber warum sollten sie es nicht? Sie
wünschen wirklich nicht, sich in Positur zu setzen gegen alle diese Lamartines
und Grimes der Welt. Es läßt sich aber mit der Vernunft nicht in Einklang
bringen, daß Menschen zögern sollen, Stellen zu verlassen, wo ihnen von
zudringlichen Schwärmen von Bettlern und Hausirern, die sich einem in langen
Reihen an die Rockärmel und Rockschöße hängen, einem in die Ohren kreischen
und brüllen und seinen Gesichtssinn durch die scheußlichen Geschwüre und
Mißbildungen, die sie zeigen, mit Entsetzen erfüllen, geradezu die Seele aus
dem Leibe gepeinigt wird. Nein, man ist froh, fortzukommen.

Ich habe schamlose Menschen sagen hören, daß sie froh gewesen, von
Damenfestlichkeiten wegzukommen, wo sie durch Schaaren niedlicher junger


Was für eine Schande ist es doch, daß bewaffnete Christen mit solchen
Leuten als Beschützern gegen herumstreichende Vagabunden der Wüste reisen
müssen! — gegen diese blutgierigen Gesetzverächter, die immer darüber her
sind, etwas Verzweifeltes zu thun, es aber nie wirklich thun! Ich kann hier
zugleich erwähnen, daß wir während unsres ganzen Ausflugs keine Beduinen
zu sehen bekamen und für eine arabische Wache nicht mehr Verwendung hatten
als wir für Lackstiefeln und weiße Glacehandschuhe hätten haben könnten.
Die Beduinen, welche die andern Gesellschaften von Pilgrimen so wüthend
angegriffen hatten, wurden zu diesem Zwecke von der arabischen Escorte dieser
Gesellschaften besorgt und von Jerusalem zu vorübergehendem Dienste als
Beduinen nach der Wüste geschafft. Sie trafen nach der Schlacht vor den
Augen der Reisenden mit einander zusammen, frühstückten mit einander,
theilten sich das in der Stunde der Gefahr abgedrückte Trinkgeld und begleiteten
dann die Cavalcade heim nach, der Stadt. Der Unfug mit einer arabischen
Escorte ist ein von den Scheichs und den Beduinen gemeinschaftlich zu gegen¬
seitigem Vortheil aufgedeckter — so sagt man, und es ist ohne Zweifel viel
Wahres daran." . . .

Wir schließen unsre Auszüge mit den Betrachtungen, mit denen Mark
Twain von den heiligen Orten in Bethlehem Abschied nimmt, und die alle
ehrlichen Leute, die das heilige Land besucht haben, unterschreiben werden.
Er sagt hier:

„Die gewöhnlichste Klugheit warnt mich davor, die herkömmliche anmuthige
Lüge vorzubringen und zu sagen, ich hätte mich zögernd von jedem bedeut¬
samen Orte in Palästina losgerissen. Alle Welt erzählt das von sich. Aber
indem ich es mit so wenig Ostentation, als mir möglich ist, sage — ich zweifle
an dem Worte eines jeden, der das sagt. Ich könnte einen fürchterlichen Eid
darauf schwören, daß ich niemals einen von unsern Pilgrimen etwas der Art
habe sagen hören, und das sind doch so würdige und so aufrichtig fromme
Leute wie irgendwelche, die hierher kommen. Sie werden das, wenn sie nach
Hause kommen, bald genug sagen, aber warum sollten sie es nicht? Sie
wünschen wirklich nicht, sich in Positur zu setzen gegen alle diese Lamartines
und Grimes der Welt. Es läßt sich aber mit der Vernunft nicht in Einklang
bringen, daß Menschen zögern sollen, Stellen zu verlassen, wo ihnen von
zudringlichen Schwärmen von Bettlern und Hausirern, die sich einem in langen
Reihen an die Rockärmel und Rockschöße hängen, einem in die Ohren kreischen
und brüllen und seinen Gesichtssinn durch die scheußlichen Geschwüre und
Mißbildungen, die sie zeigen, mit Entsetzen erfüllen, geradezu die Seele aus
dem Leibe gepeinigt wird. Nein, man ist froh, fortzukommen.

Ich habe schamlose Menschen sagen hören, daß sie froh gewesen, von
Damenfestlichkeiten wegzukommen, wo sie durch Schaaren niedlicher junger


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[0277] Was für eine Schande ist es doch, daß bewaffnete Christen mit solchen Leuten als Beschützern gegen herumstreichende Vagabunden der Wüste reisen müssen! — gegen diese blutgierigen Gesetzverächter, die immer darüber her sind, etwas Verzweifeltes zu thun, es aber nie wirklich thun! Ich kann hier zugleich erwähnen, daß wir während unsres ganzen Ausflugs keine Beduinen zu sehen bekamen und für eine arabische Wache nicht mehr Verwendung hatten als wir für Lackstiefeln und weiße Glacehandschuhe hätten haben könnten. Die Beduinen, welche die andern Gesellschaften von Pilgrimen so wüthend angegriffen hatten, wurden zu diesem Zwecke von der arabischen Escorte dieser Gesellschaften besorgt und von Jerusalem zu vorübergehendem Dienste als Beduinen nach der Wüste geschafft. Sie trafen nach der Schlacht vor den Augen der Reisenden mit einander zusammen, frühstückten mit einander, theilten sich das in der Stunde der Gefahr abgedrückte Trinkgeld und begleiteten dann die Cavalcade heim nach, der Stadt. Der Unfug mit einer arabischen Escorte ist ein von den Scheichs und den Beduinen gemeinschaftlich zu gegen¬ seitigem Vortheil aufgedeckter — so sagt man, und es ist ohne Zweifel viel Wahres daran." . . . Wir schließen unsre Auszüge mit den Betrachtungen, mit denen Mark Twain von den heiligen Orten in Bethlehem Abschied nimmt, und die alle ehrlichen Leute, die das heilige Land besucht haben, unterschreiben werden. Er sagt hier: „Die gewöhnlichste Klugheit warnt mich davor, die herkömmliche anmuthige Lüge vorzubringen und zu sagen, ich hätte mich zögernd von jedem bedeut¬ samen Orte in Palästina losgerissen. Alle Welt erzählt das von sich. Aber indem ich es mit so wenig Ostentation, als mir möglich ist, sage — ich zweifle an dem Worte eines jeden, der das sagt. Ich könnte einen fürchterlichen Eid darauf schwören, daß ich niemals einen von unsern Pilgrimen etwas der Art habe sagen hören, und das sind doch so würdige und so aufrichtig fromme Leute wie irgendwelche, die hierher kommen. Sie werden das, wenn sie nach Hause kommen, bald genug sagen, aber warum sollten sie es nicht? Sie wünschen wirklich nicht, sich in Positur zu setzen gegen alle diese Lamartines und Grimes der Welt. Es läßt sich aber mit der Vernunft nicht in Einklang bringen, daß Menschen zögern sollen, Stellen zu verlassen, wo ihnen von zudringlichen Schwärmen von Bettlern und Hausirern, die sich einem in langen Reihen an die Rockärmel und Rockschöße hängen, einem in die Ohren kreischen und brüllen und seinen Gesichtssinn durch die scheußlichen Geschwüre und Mißbildungen, die sie zeigen, mit Entsetzen erfüllen, geradezu die Seele aus dem Leibe gepeinigt wird. Nein, man ist froh, fortzukommen. Ich habe schamlose Menschen sagen hören, daß sie froh gewesen, von Damenfestlichkeiten wegzukommen, wo sie durch Schaaren niedlicher junger

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341821_148602/277>, abgerufen am 26.06.2024.